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BSW: Wie weiter ohne Sahra Wagenknecht?

6. Dezember 2025

Das Bündnis Sahra Wagenknecht verliert seine Galionsfigur, die sich aus der ersten Reihe zurückzieht. Auf dem Parteitag in Magdeburg spielt sie trotzdem die Hauptrolle. Ein letztes Mal?

Die 56-jährige Sahra Warenknecht blickt während eines Interviews in eine Kamera. Sie trägt eine rosafarbene Jacke, eine hellblaue Kette und hat ihre schwarzen Haare nach oben zusammengesteckt.
Eine gefragte Frau: Sahra Wagenknecht auf dem BSW-Parteitag in MagdeburgBild: Chris Emil Janssen/picture alliance

Als sie den Saal der schmucklosen Messehalle in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) betritt, brandet auf dem BSW-Bundesparteitag tosender Beifall auf. Unter Jubelrufen läuft Sahra Wagenknecht an den Delegierten vorbei. Auf riesigen Bildschirmen flattern Friedenstauben. Alles ist auf die Frau zugeschnitten, deren Namen die Anfang 2024 gegründete Partei noch trägt.

Dabei sind fast alle im Saal enttäuscht, denn Sahra Wagenknecht zieht sich aus der Parteispitze zurück. Alle Überredungsversuche, erneut als Vorsitzende zu kandidieren, waren vergeblich. Passend zum Verzicht der Galionsfigur wird das Kürzel BSW künftig für etwas anderes stehen: "Bündnis Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft" statt "Bündnis Sahra Wagenknecht".

Amira Mohamed Ali bleibt, Fabio De Masi kommt

Die erste Rede hält dann Amira Mohamed Ali, die sich bislang den Parteivorsitz mit Wagenknecht teilte und am Samstagabend in ihrem Amt bestätigt wird. An ihrer Seite steht jetzt der Europa-Abgeordnete Fabio De Masi. Für Mohamed Ali votierten 82,6 Prozent, De Masi erhielt gut zehn Prozentpunkte mehr: 93,3. 

Amira Mohamed Ali (vorne links) wurde als BSW-Vorsitzende im Amt bestätigt - sie teilt sich die Aufgabe jetzt mit Fabio De Masi (Bildmitte)Bild: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa/picture alliance

Mohamed Ali spricht zu Beginn über das, was dem BSW seit der Bundestagswahl am 23. Februar auf den Magen schlägt: das extrem knappe Scheitern an der Fünf-Prozent-Sperrminorität. Eine Neuauszählung der Stimmen hat der Wahlprüfungsausschuss des Deutschen Bundestags am Donnerstag abgelehnt. Kommentar der Parteichefin: "Unsere Gegner tun alles, um uns klein zu kriegen. Aber diesen Gefallen werden wir ihnen nicht tun."

Gegen eine mögliche Wehrpflicht, aber für die Bundeswehr

Auch sonst lässt Mohamed Ali kein gutes Haar am Zustand von Politik und Demokratie in Deutschland. Das BSW sei gegen jede Form von Wehrpflicht, sagt sie mit Blick auf den neuen Wehrdienst, den sie für einen Baustein der gesellschaftlichen Militarisierung hält. Man richte sich aber nicht gegen die Bundeswehr, betont die 45-Jährige.

Die Bundeswehr habe gemäß Grundgesetz den Auftrag zur Landesverteidigung. Das sei gut und richtig, sagt Mohamed Ali. Man sei aber gegen politischen Missbrauch: "Wir richten uns dagegen, dass die Bundeswehr eine Interventionsarmee ist und Kriege in aller Welt führen soll." Dazu gehören nach BSW-Lesart auch Waffenlieferungen an die Ukraine und Israel. Russlands völkerrechtswidrigen Überfall auf sein Nachbarland verurteilt Mohamed Ali ausdrücklich: "Wir verurteilen jeden Krieg."

Standing Ovation für die ehemalige BSW-Chefin

Als Sahra Wagenknecht am Nachmittag ans Rednerpult tritt, erheben sich die Delegierten von ihren Sitzen. Wieder tobt die Halle wie beim Abschiedskonzert eines Popstars. Die aus der ersten Reihe abtretende 56-Jährige interpretiert die Begeisterung als Ausdruck der guten Stimmung im BSW: "Heute und morgen stellen wir die Weichen für einen neuen Aufbruch. Ich denke, das wird richtig gut", frohlockt Wagenknecht.

Standing Ovation für Sahra Wagenknecht bei ihrem letzten Auftritt als BSW-VorsitzendeBild: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa/picture alliance

Auch Wagenknecht spricht von offensichtlichen Zählfehlern bei der Bundestagswahl und kündigt eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht an: "Wir leben doch in einem Rechtsstaat und nicht in einer Bananenrepublik." Wie Mohamed Ali kritisiert sie die massive Aufrüstung in Deutschland und zeichnet das Bild von einem Land im Niedergang, einem versagenden Bundeskanzler Friedrich Merz, einer schwachen Opposition im Bundestag.

Sahra Wagenknecht: "Nein, ich ziehe mich nicht zurück"   

Erst danach spricht Wagenknecht über ihren Rückzug vom Parteivorsitz - und reißt die Delegierten mit einem Satz buchstäblich von den Sitzen: "Nein, ich ziehe mich nicht zurück." Sie werde eine hochkompetente Grundwerte-Kommission aufbauen, kündigt Wagenknecht an. Man müsse noch auf vielen Politikfeldern Expertise und Ausstrahlung gewinnen.

Dass es daran mangelt, ist innerhalb des BSW weitgehend Konsens. Die Partei erlebe gerade schwere Zeiten, räumt die scheidende Vorsitzende ein. Mit vier Prozent in Umfragen könne man nicht zufrieden sein. Wagenknecht erklärt sich den fehlenden Zuspruch auch mit Fehlern bei der Parteigründung, insbesondere die restriktive Aufnahme von Mitgliedern sei falsch gewesen.

Das BSW hat inzwischen über 11.000 Mitglieder

Das BSW hat aus Angst vor Unterwanderung unter anderem von Leuten aus extremistischen Milieus nur wenige Eintritte zugelassen. "Das hat viele ehrliche Unterstützer verprellt", räumt Wagenknecht rückblickend ein. Inzwischen hat sich die Partei geöffnet und eigenen Angaben zufolge über 11.000 Mitglieder. "Wir brauchen jede und jeden", sagt Wagenknecht.

Zurzeit sitzt das BSW in drei ostdeutschen Parlamenten: In  Brandenburg und Thüringen ist die Partei sogar an der Regierung beteiligt, in Sachsen Opposition. Dem schnellen Erfolg steht parteiinterner Streit in mehreren Landesverbänden gegenüber, der auch schon zu Parteiaustritten führte. Trotzdem gibt sich Wagenknecht betont optimistisch: "Unsere größten Erfolge liegen nicht hinter, sondern vor uns."

Die Aussichten im Superwahljahr 2026 sind eher bescheiden 

Ob ihre demonstrative Zuversicht realistisch ist, muss sich im Jahr 2026 zeigen, wenn in fünf von 16 Bundesländern neue Parlamente gewählt werden. Den Anfang machen im März Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Bei der Bundestagswahl erzielte das BSW in diesen Ländern im Südwesten Deutschlands Ergebnisse von knapp über vier Prozent.

Ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde bei diesen Landtagswahlen wäre also keine Überraschung. Größer erscheinen die Chancen, wenn im September in den ostdeutschen Bundesländern Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern neue Parlamente gewählt werden. Dort bekam das BSW bei der Bundestagswahl 10,6 und 11,2 Prozent.

Die Delegierten des BSW-Parteitags sind sich einig: Die Bundestagswahl 2025 soll nochmals ausgezählt werden Bild: Marcel Fürstenau/DW

Hoffen auf eine Neuauszählung der Bundestagswahl 2025

Unabhängig davon, wie das BSW bei den Landtagswahlen 2026 abschneidet, die ganz große Bühne wird zunächst weiterhin fehlen: der Bundestag. Das könnte sich unter zwei Bedingungen ändern: wenn die angekündigte Klage vor dem Bundesverfassungsgericht auf Neuauszählung der Bundestagswahl vom 23. Februar 2025 erfolgreich sein und das BSW dann tatsächlich die Fünf-Prozent-Hürde überspringen sollte.

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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