1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Partisanen in Belarus gegen Russland

Emma Levashkevich
1. März 2023

Auf einem Flughafen in Belarus wird ein russisches Aufklärungsflugzeug schwer beschädigt. Die Maschine war vermutlich gegen die Ukraine eingesetzt. Doch Minsk und Moskau kehren die mutmaßliche Sabotage unter den Teppich.

Russland | Berijew A-50
Ein Exemplar davon wurde schwer beschädigt: Ein russisches Aufklärungsflugzeug des Typs A-50Bild: Alexander Zemlianichenko/REUTERS

Am Morgen des 26. Februar gab es auf dem belarussischen Militärflugplatz in Matschulischtschi in der Nähe der Hauptstadt Minsk mehrere Explosionen. Es handele sich um einen Sabotageakt, bei dem ein russisches Aufklärungsflugzeug des Typs A-50 stark beschädigt wurde, so die Vereinigung BYPOL. Sie besteht aus ehemaligen belarussischen Sicherheitskräften, die nun gegen das Regime arbeiten, teils aus dem Ausland. 

Dies bestätigen auch die belarussischen Telegram-Kanäle Hajun project und Zamkadomby. Die russischen Militärexperten Jurij Kotenok und Semjon Pegow schreiben, der Flugplatz sei wahrscheinlich von Drohnen angegriffen worden. Fotos oder Videos vom Ort des Geschehens oder Erklärungen der Behörden liegen nicht vor.

Am 27. Februar traf sich der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko mit dem Sekretär des Sicherheitsrates, dem Innenminister und dem Chef des KGB sowie mit dem Grenzschutz, doch Erklärungen zu dem Vorfall gab es danach nicht. Auch Dmitrij Peskow, Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin, sagte den Medien nichts dazu.

Ex-Sicherheitskräfte reklamieren Sabotageakte 

Bereits im Frühjahr 2022, nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, hatten belarussische Aktivisten Sabotageakte gegen die Eisenbahn des Landes verübt und damit den Transport russischer Militärausrüstung unterbrochen. Daraufhin wurden in Belarus mehrere sogenannte Eisenbahn-Partisanen festgenommen. Einige von ihnen sind inzwischen wegen Terrorismus zu langen Haftstrafen von mehr als 20 Jahren verurteilt worden.

Laut Alexander Asarow, dem Leiter von BYPOL, konnte die Regierung die meisten Partisanen jedoch nicht aufspüren. Seine Gruppe habe weitere Aktionen geplant. "Wir suchten nach Objekten, die für Partisaneneinsätze in Frage kommen", sagt er der DW. Asarow zufolge hatten sich die Sicherheitskräfte in Belarus nach den Festnahmen "entspannt" und viele Wachen entfernt.

Auch von Russland genutzt: Die belarussische Luftwaffenbasis Matschulischtschi nahe MinskBild: Russian Defence Ministry/TASS/dpa/picture alliance

Der Sabotageakt auf dem Flugplatz sei vier Monate lang vorbereitet worden. "Es ist schwierig, vom Ausland aus mit Partisanen in Belarus zu kommunizieren, Aufklärung zu betreiben, das zu liefern, was notwendig ist, eine Ausreise zu organisieren und für Sicherheit zu sorgen", so Asarow. Das Aufklärungsflugzeug sei kein zufälliges Ziel gewesen: "Es ist für die russische Armee sehr wichtig. Es ist sozusagen das Flaggschiff der Luftflotte. Es spähte das Territorium der Ukraine aus und lieferte genaue Daten für die Ziele der Raketenangriffe."

Laut BYPOL befand sich in Belarus nur eine russische A-50, und zwar in Matschulischtschi, und sie wurde mit Drohnen angegriffen. "Es gab zwei Explosionen: im mittleren Teil, wo sich die Radarschüssel befindet, und am vorderen Teil des Rumpfes", berichtet Asarow. BYPOL geht davon aus, dass die Maschine nicht mehr repariert werden kann: "Wir werden sehen, ob sie nochmal startet." Wie viele Personen an der Aktion beteiligt waren und ob darunter Militärs waren, sagt er nicht. Doch er versichert: "Es war eine Gruppe von Belarussen, die das Land verlassen haben und jetzt in Sicherheit sind."

Das 330-Millionen-Dollar-Flugzeug

Nach Angaben des Belarusian Hajun project, eines Investigativteams, ist das russische A-50-Flugzeug mit der Registrierungsnummer RF-50608 am 3. Januar 2023 in Belarus eingetroffen. Seitdem war es zwölf Mal im Einsatz. Zu Beginn der russischen Invasion der Ukraine, am 24. Februar 2022, befand es sich aber auch in Belarus. Dem Belarusian Hajun project zufolge besitzen die russischen Luftstreitkräfte neun solcher Maschinen, von denen sechs modernisiert sind. Jedes davon wird auf einen Wert von rund 330 Millionen US-Dollar geschätzt.

Viele russische Soldaten: Grenzen zwischen Belarus und der UkraineBild: Ales Petrowitsch/DW

Mykhailo Samus, Direktor des New Geopolitics Research Network, sagt, diese russischen Aufklärungsflugzeuge könnten in einer Tiefe von bis zu 500 Kilometern Ziele am Boden, in der Luft und auf See ausfindig machen, einschließlich mobiler und stationärer Raketen, Flugzeuge, Panzerkolonnen, Raketenwerfer und Luftabwehrsysteme. Die Daten würden dann an Vernichtungswaffen übermittelt. "Es gibt nicht viele solcher Flugzeuge. Laut verschiedenen Quellen könnten es etwa zehn sein. Sie werden im Krieg gegen die Ukraine aktiv eingesetzt", so der ukrainische Militärexperte.

Ryhor Nizhnikau vom Finnish Institute of International Affairs in Helsinki meint, die Zerstörung des Aufklärungsflugzeugs sei mit der Versenkung des Kreuzers "Moskwa" im Schwarzen Meer Mitte April vergleichbar. "Klar, die 'Moskwa' war der einzige Kreuzer seiner Art, und Russland hat ungefähr zehn solcher Flugzeuge", betont der Experte. "Aber angesichts der Sanktionen wird es schwer fallen, Ersatz zu finden. So ein Flugzeug ist fliegende Elektronik aus Mikrochips und Technologien, die aus dem Westen importiert werden."

Minsk und Moskau - ein eingespieltes Verhältnis

Minsk und Moskau vertuschten den Vorfall, meint Nizhnikau. "Sie waren völlig unvorbereitet und sind ziemlich schockiert." Der Sabotageakt sei passiert, während Minsk davor gewarnt habe, jede "Operation" gegen Belarus könnte das Land zum Kriegseintritt zwingen. Aber weder Russland noch Belarus wollten derzeit im Verhältnis zueinander etwas ändern. "Moskau ist zufrieden mit der Lage in Belarus und Lukaschenko will zeigen, dass er sie unter Kontrolle hat. Der Angriff passt jetzt beiden Seiten nicht, daher ignorieren sie ihn lieber", so der Experte.

Ein von ukrainischer Seite in Belarus verübter Sabotageakt, so Nizhnikau, würde sich für das Regime in Minsk noch schlimmer anhören als die Nachricht, das Flugzeug sei von belarussischen Partisanen gesprengt worden. Er vermutet, Lukaschenko könnte im letzteren Fall dem Kreml sagen: "Ihr wollt, dass wir am Krieg teilnehmen, aber wir werden selbst angegriffen." Zudem würde eine "ukrainische Spur" für Lukaschenko eine schwere politische Niederlage bedeuten. "Er hat mehrmals gesagt, auf einen Angriff aus der Ukraine würde er reagieren müssen und Russland würde dann beistehen", so Nizhnikau. Ihm zufolge will Russland aber nicht reagieren. Es habe weder die Ressourcen noch den Willen dazu.

Nizhnikau rechnet aber mit einer harten Reaktion nach Innen in Belarus: "Man wird zeigen wollen, dass jede Aktion streng bestraft wird, ob sie sich gegen den Staat oder gegen die russische Armee richtet - wie bei den Eisenbahn-Partisanen." Der Experte schließt nicht aus, dass Menschen festgenommen werden, die in sozialen Netzwerken Berichte zu dem Vorfall in Matschulischtschi liken oder einfach zur falschen Zeit am falschen Ort waren - in der Nähe des Flugplatzes während des Angriffs.

Minsk werde auch Moskau zeigen wollen, dass es in der Lage sei, für die Sicherheit russischer Objekte in Belarus zu sorgen: "Damit es keinen Präzedenzfall gibt, in dem Russland Truppen schickt, um die Zufahrten zu seinen militärischen Einrichtungen in Belarus zu bewachen."

Laut Alexander Asarow ist bereits eine junge Frau festgenommen worden, die in der Gegend von Matschulischtschi lebt. Es gibt auch Hinweise darauf, dass auf den Straßen in Belarus zusätzliche Patrouillen im Einsatz sind. "Es gibt viele bewaffnete Soldaten an der Grenze zur Ukraine", so der Leiter von BYPOL. "An den Grenzübergängen werden Autos intensiv kontrolliert. Währenddessen versucht der Geheimdienst herauszufinden, welche Personen sich an dieser Aktion beteiligt haben."

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen