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Die Länge einer Beziehung lässt sich voraussagen

Ann-Christin Herbe
13. Mai 2020

Ewige Liebe oder hoffnungsloses Intermezzo? Bereits am Anfang zeigt sich, wer auf lange Sicht zusammenbleibt. Aber will man das überhaupt wissen?

Symbolbild Trennung
Bild: imago/Steinach

Kürzlich rief mich eine gute Freundin an, um mir zu sagen, dass ihr Freund sie nach einem halben Jahr Beziehung verlassen hatte. Während der anschließenden betroffenen Stille, meldete sich ein Gedanke in meinem Kopf, den ich bereits zu Beginn der Beziehung gehabt hatte: "Das hält nicht lange."

Sie war direkt verliebt, er noch zögerlich. Sie wollte ihn jeden Tag treffen, er bestand auf regelmäßige Zeit mit Freunden. Die Erwartungen an eine Partnerschaft waren komplett unterschiedlich. "Gegensätze ziehen sich an", hatte die Freundin damals gesagt, als ich meine Bedenken vorsichtig anbrachte.

Bevor sie schließlich schniefend auflegte, fiel nun sechs Monate später noch leise der Satz: "Wenn ich das vorher gewusst hätte."

Aber ist es wirklich möglich, die Dauer einer so komplexen menschlichen Bindung wie einer Partnerschaft vorauszusagen? EineLangzeitstudie von Forschern der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der University of Alberta in Kanada hat genau das untersucht und ist zu dem Schluss gekommen: Ja, das ist möglich.

Die Beziehungsvariablen

Über einen Zeitraum von sieben Jahren wurden knapp 2000 Paare regelmäßig interviewt, 16 Prozent trennten sich im Laufe der Zeit. In den Interviews wurde gezielt nach Variablen gefragt, die die Forscher für ihre Prognosen zur Beziehungsdauer genutzt haben.

Zum Beispiel: Beziehungszufriedenheit, Anzahl der Konflikte, Wunsch nach Langfristigkeit der Beziehung und das Bedürfnis nach Nähe bzw. Unabhängigkeit.

"Wir haben herausgefunden: Paare, die sich trennen werden, sind bereits zu Beginn unzufriedener und haben mehr Konflikte. Diese Konflikte vermehren sich im Laufe der Zeit. Der Wunsch nach einer langfristigen Beziehung nimmt ab", sagt Dr. Christine Finn vom Institut für Psychologie der Friedrich- Schiller-Universität Jena.

Nachher ist man meistens klüger - das Ende der Honeymoon-Phase kommt schnellBild: picture-alliance/Bildagentur-online

Beziehungsmodelle der Psychologie

Die Entwicklung einer Beziehung lässt sich psychologisch betrachtet mit unterschiedlichen Modellen beschreiben.

Theorie 1: Alle Paare erleben zu Beginn der Beziehung eine Honeymoon-Phase, in der sie gleich zufrieden sind.

Eine Trennung lässt sich dann auf Probleme zurückführen, die während der Beziehung entstanden sind. Paare, die zusammenbleiben, haben es hingegen geschafft, die Zufriedenheit aus der Honeymoon-Phase langfristig zu etablieren.

Theorie 2: Die beiden Partner starten bereits zu Beginn mit einem unterschiedlichen Glückslevel. Die ungleiche Ausgangssituation erhöht das Risiko des Scheiterns, weil die Unzufriedenheit immer weiterwächst.

Für Paartherapeut und Single-Coach Eric Hegmann zeigen die ersten gemeinsamen Monate eine Tendenz für den Verlauf der Beziehung. "Gewiss gibt es Paare, die mit schlechteren Chancen starten als andere, wo die Unterschiede so erheblich größer sind als die Zuneigung füreinander. Aber die meisten entdecken das in den ersten sechs Monaten der Verliebtheitsphase und entscheiden sich dann eben nicht für eine Fortsetzung der Kennenlernphase in eine Beziehung."

Accumulating Distress

Die Forscher haben im Laufe der Studie festgestellt, dass die Entwicklung der Beziehung von den Paaren, die sich getrennt haben, eher durch eine Mischform der beiden gängigen Modelle beschreiben lässt.

Häufiger Streit ist eine schlechte Voraussetzung für eine dauerhafte BeziehungBild: Colourbox/A. Furman

"Wir haben das Modell Accumulating Distress genannt", sagt Finn. Das heißt: Wenn sich ein Paar zu Beginn der Beziehung bereits oft streitet und die Partner unglücklich sind, dann konnten die Forscher daraus schließen, dass die Beziehung nicht lange halten wird.

Denn besser wird es nicht. Im Laufe der Beziehung gibt es immer häufiger Konflikte, man entfernt sich emotional vom Partner und schließlich ist die Trennung der letzte Ausweg. 

Liebe als Kosten-Nutzen-Rechnung?

Nun stellt sich eine tiefergehende Frage: Hätte es meine Freundin vor Herzschmerz bewahrt, zu wissen, ob die Beziehung lange halten wird? Oder zerstört das Wissen, dass eine Beziehung nicht langfristig sein wird, potentielle Partnerschaften? 

"Der Wunsch, frühzeitig zu wissen, ob die Investition in die Beziehung und den Partner sich lohnen wird, ist verständlich", sagt Paartherapeut Hegmann. Trotzdem ist es in seinen Augen nicht förderlich, Liebe als eine Art Kosten-Nutzen-Rechnung zu betrachten.

Das würde nämlich dann bedeuten, dass ich nur jemanden daten möchte, wenn die Beziehung lange halten wird, und einer kurzfristigen Beziehung nicht die Chance gebe, mich durch die Erfahrungen persönlich zu prägen. 

Auch Christine Finn sieht das kritisch. "Nur weil nicht alle mit der rosaroten Brille starten und zu Beginn alles perfekt ist, sondern man mit Problemen und Konflikten umgehen muss, ist so eine Partnerschaft ja keine verschwendete Zeit."

Online-Paare vertrauen sich mehr an

Der ungebrochene Erfolg von Online-Plattformen der Partnervermittlungen zeigt laut Finn, dass das Bedürfnis, eine Partnerschaft zu führen, stärker sei denn je. Besagten Dating-Portalen wird trotz fein kalibrierter Algorithmen, die den vermeintlich perfekten Partner aufzeigen sollen, dennoch Oberflächlichkeit nachgesagt.

Bei Tinder entscheidet der User beispielsweise durchschnittlich innerhalb von ein paar Sekunden anhand eines Bildes, ob er die Person durch einen Wisch nach rechts "matcht" oder durch einen Wisch nach links nie wiedersehen möchte.

Liebe auf den ersten Klick? Online-Dating ist überraschend einfach und erfolgreichBild: picture alliance/dpa/J. Boerger

Trotzdem können auch Online-Paare eine engere emotionale Bindung aufbauen. Laut einer Parship-Studie aus dem Jahr 2016 seien Online-Paare zu 96 Prozent bereit, sich ihre innersten Gefühle anzuvertrauen, während es bei Offline-Paaren nur 76 Prozent sein sollen.

Außerdem hätten nur zwei Prozent der Online-Paare angegeben, sich regelmäßig mit dem Partner zu streiten, während bei 27 Prozent der Offline-Paare regelmäßig die Fetzen flögen.

Aus Konflikten lernen

Laut Paartherapeut Hegmann verschenken viele Paare das Potential, aus Konflikten zu lernen und gemeinsam zu wachsen. "Mit professioneller Unterstützung würden sich viele Beziehungen durchaus retten lassen. Es wäre für viele sicher verblüffend zu erfahren, wie gut Paare auch mit großen Unterschieden eine glückliche Beziehung führen."

Trotzdem gebe es eine Situation, in der auch eine Paartherapie nicht mehr helfen kann. "Aus meiner Sicht sind nicht zu rettende Paare die, bei denen ein Partner bereits die Beziehung aufgekündigt hat und nicht mehr erreichbar ist", sagt Hegmann.

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Nähe und Freiraum am wichtigsten

Neben den Erkenntnissen, welche Paare sich trennen werden, hat die Langzeitstudie aber auch gezeigt, welche Paare die größte Chance auf eine lange und glückliche Beziehung über die Honeymoon-Phase hinaus haben.

Es sind die Paare, die den Wunsch nach emotionaler Nähe teilen, aber auch das Bedürfnis, sich individuell zu entwickeln. "Auch wenn wir den Aspekt der Kommunikation nicht konkret erfasst haben, zeigt sich durch die Ergebnisse dennoch, dass es sehr wichtig ist, dem Partner eigene Bedürfnisse klar zu kommunizieren, um gemeinsam an der Beziehung zu arbeiten", sagt Finn.

Wenn ich das nächste Mal mit meiner Freundin spreche, werde ich ihr also raten, die gescheiterte Beziehung eher als Lektion und nicht als Zeitverschwendung zu sehen und beim nächsten Mal lieber nach jemandem Ausschau zu halten, der genau so viel Nähe und Aufmerksamkeit braucht wie sie. 

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