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Politik

Patenschaften für türkische Abgeordnete

Kay-Alexander Scholz
11. November 2016

Eine Gruppe Bundestagsabgeordneter solidarisiert sich mit türkischen Parlamentariern, die die Regierung Erdogan verfolgt. Mit Besuchen, Appellen und Öffentlichkeit wollen sie die Bedrängten schützen.

Deutschland Initiative zum Schutz türkischer Parlamentarier
Bild: DW/K.-A. Scholz

Am kommenden Dienstag wird Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier das erste Mal nach dem Putschversuch im Juli in die Türkei reisen. Er werde in Ankara auch das Thema der inhaftierten Abgeordneten der prokurdischen Partei HDP "im Gepäck haben", kündigte ein Ministeriumssprecher am Freitag in Berlin an. Ein Besuch im Gefängnis aber dürfte schwierig werden. Allerdings stehe das genaue Programm auch noch nicht fest. Eingeplant ist, dass Steinmeier mit seinem Kollegen Mevlüt Cavusoglu und mit Vertretern der Zivilgesellschaft spricht.

Schon jetzt machen sich Mitglieder des Bundestages für die festgenommenen Abgeordneten in der Türkei stark. Im Rahmen des Programms "Parlamentarier schützen Parlamentarier" haben sie am Freitag eine Solidaritätsaktion zugunsten türkischer Abgeordneten gestartet. Das  besteht bereits seit 2003.

Signal der Solidarität

Die Initiative ist fraktionsübergreifend, 60 Abgeordnete von CDU/CSU, SPD, Linkspartei und Grünen unterstützen sie. Eine der Initiatoren ist Sevim Dagdelen, türkischstämmige Abgeordnete der Linken. Die Parlamentarier wollten ein "konkretes Signal der Solidarität mit verfolgten Kollegen der türkischen Nationalversammlung" aussenden, sagte sie der Deutschen Welle.

Dagdelen wies darauf hin, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in dieser Woche nach der HDP auch die größte Oppositionspartei des Landes ins Visier genommen habe. Er habe Strafanzeige wegen Beleidigung gegen alle Abgeordneten der sozialdemokratisch ausgerichteten CHP gestellt. Auch diese Politiker seien nun in Gefahr, festgenommen. "Wir können sie zwar nicht aus dem Gefängnis holen", sagte Dagdelen. Aber CHP-Abgeordnete hätten darum gebeten, in das Patenschaftsprogramm des Bundestags aufgenommen zu werden.

In den vergangenen Tagen wurden unter anderem zehn Abgeordnete der HDP in Untersuchungshaft genommen. Unter ihnen sind die beiden Parteichefs Selahettin Demirtas und Figen Yüksekdag. Die Immunität von 53 der 59 Abgeordneten war bereits im Mai aufgehoben worden. Mittlerweile sind auch wissenschaftliche Mitarbeiter von HDP-Politikern ins Visier der Ermittler geraten. Die Nachrichtenagentur DPA berichtete am Freitag, fünf Berater seien unter dem Vorwurf, die verbotene kurdische PKK zu unterstützen, festgenommen worden.

Nicht wegschauen

Was kann eine Patenschaft unter diesen Umständen ausrichten? Ziel sei, Kontakte aufzubauen zu den Verfolgten, ihren Familien und den Anwälten, so Dagdelen. Die Bundestagsabgeordneten wollen auch in die Türkei reisen, Besuche organisieren, Briefe schreiben und in Deutschland und international über die Fälle informieren. Ein Mitglied des Bundestages übernimmt dabei persönlich die Patenschaft für ein verfolgtes Mitglied des türkischen Parlaments.

"Wir dürfen und können nicht weggucken", sagte Michelle Müntefering, SPD-Abgeordnete und Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Sie berichtete, von einer kürzlich beendeten Delegationsreise, bei der ein Gespräch mit einem HDP-Politiker nicht zustande gekommen sei, weil er über Nacht festgenommen worden war.

Sind inhaftiert worden: HDP-Vorsitzende Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag (hier im April 2015)Bild: picture-alliance/dpa/S. Suna

Eine der jüngst geschlossenen Patenschaften betrifft den deutsch-türkischen Politiker jesidischer Abstammung Ali Atalan. Der Grünen-Politiker Tom Koenigs ist nun sein Pate. Koenigs hat schon Erfahrungen mit dem Patenschaftsprogramm. Seine Erfahrung: Allein die Ankündigung, dass ein Bundestagsmitglied zu einem Besuch anreise, habe zu besseren Haftbedingungen bei einem Betroffenen geführt.

HDP-Politiker Atalan war auch schon Abgeordneter der Linkspartei im Landtag Nordrhein-Westfalens. Seinen Worten nach ignoriere Erdogan den Rechtsstaat, Parlament, Justiz und Regierung seien zu "Geiseln von Erdogan" geworden. Die türkische Regierung brauche nicht nur den Druck im Inland, sondern auch aus dem Ausland.

Zu den Bundestagsabgeordneten, die sich der Initiative angeschlossen haben, zählen nach Aussagen der Organisatoren etwa der CSU-Politiker und Präsident des Bundes der Vertriebenen, Bernd Fabritius, der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses, Michael Brand, und die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Sahra Wagenknecht.

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