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Musik

Gallister: "Ich mache einfach gerne Musik"

Philipp Jedicke
9. Januar 2017

Paul Gallister zählt zu den begehrtesten Produzenten und Filmkomponisten Österreichs. Deutsche Musikfans kennen ihn durch seine Arbeit mit Wanda. Im DW-Interview spricht er über die Wiener Musikszene und seine Arbeit.

Portrait  Paul Gallister
Bild: Robin Roger

Die letzten beiden Jahre im Arbeitsleben Paul Gallisters muten an wie ein verrückter Trip durch die Musikgenres. Von Doppel-Platinalben für Wanda, Österreichs erfolgreichste Indie-Rockband, über Arrangements für TV-Shows bis hin zur Filmmusik für eine Polit-Dokumentation oder einen Zombiefilm war alles dabei, was man als Produzent, Arrangeur und Komponist musikalisch abdecken kann. Auch im Jahr 2017 wird mit Sicherheit keine Langeweile bei dem vielbeschäftigten Wiener aufkommen. Dies ist allerdings auch die Voraussetzung für ihn, seinen Job zu machen.

DW: Seit einigen Jahren ist in Wien musikalisch bekanntermaßen wieder eine Menge los. Aus deutscher Sicht war allerdings seit dem Ende des Austropop ja recht lange Funkstille. Sehe ich das als "Piefke" (Deutscher, Anmerkung d. Red.) so richtig?

Paul Gallister: Als ich Kind war, Ende der 80er, Anfang der 90er, da gab es noch Austropop. Rainhard Fendrich hat damals am Wiener Rathausplatz vor 50.000 Leuten gratis gespielt. Fünf Jahre später, als ich mich als Teenager für Musik interessierte, war das alles weg. Vielleicht hat das alles auch ein bisschen mit dem Fernsehen zu tun. Als ich Kind war, gab es nur zwei österreichische Fernsehsender. Später kamen mit dem Privatfernsehen all die deutschen Sender dazu, und meine Generation ist mit Pro 7 und Hochdeutsch aufgewachsen. Als mit dem Privatfernsehen all die deutschen Sender dazukamen, ist meine Generation mit Pro 7 und Hochdeutsch aufgewachsen. Dadurch, dass wir ständig Hochdeutsch hörten, fehlt uns heute vielleicht einfach der Bezug zum echten Wienerischen. In den 90ern gab es dann Popstars, sogar US-Stars wie die Backstreet Boys, die zuallererst in Deutschland bekannt wurden, und der österreichische Musikmarkt wurde nach und nach von deutschen Majorlabels aufgekauft. Wir können ja auch nicht so tun, als wäre Österreich ein Musikmarkt, der autark funktioniert. Das beginnt jetzt gerade erst ein bisschen.

Wanda sind seit 2014 sowohl in den österreichischen als auch in den deutschen Charts sehr erfolgreich unterwegsBild: Imago/M. Müller

Hat das mit dem großen Erfolg von Wanda zu tun?

Jedenfalls habe ich bis 2013, etwa ein Jahr vor dem ersten Wanda-Album, von Musikern aus der Austropop-Ära immer wieder dieselbe Aussage gehört: "In Österreich ist Popmusik tot. Mach keine Popmusik, damit verdienst du kein Geld." Es gab wirklich 15 Jahre lang ein Loch. Jetzt interessieren sich große Plattenfirmen wieder für heimische Acts. Vor Wanda war das nicht so. Auch die Rolle von Managern wie Stefan Redelsteiner kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Er hat zum Beispiel sehr hartnäckig dafür gekämpft, dass Der Nino aus Wien im Radio gespielt wird, er hat Wanda groß gemacht. Und ein Radiosender wie FM4 trägt dazu bei, dass solche Musik auf nationalem Level gehört wird. FM4 ist extrem wichtig für die alternative Musikszene in Österreich, sie spielen Sachen, die sich nicht am Format- oder Mainstreamradio orientieren.

Heute haben Sänger wie Voodoo Jürgens Erfolg – mit Songs in einem fast ausgestorbenen Dialekt.

Wienerisch bzw. das Ost-Österreichisch, das Voodoo Jürgens singt, eignet sich ja auch hervorragend zum Singen. Georg Danzer hat das einmal so begründet, dass im Wienerischen viele Laute dem Englischen ähneln. Das "L", das "A"... Daher sei Wienerisch besser zum Singen geeignet als Hochdeutsch. Zumindest in der Popmusik. Voodoo Jürgens hat in Deutschland bereits ausverkaufte Konzerte gespielt. Kann er ähnlichen Erfolg haben wie Wanda?

Voodoo Jürgens ist 2016 mit seinem Album "Ansa Woar" aus dem Stand auf Platz 1 der österreichischen Albumcharts geschossenBild: Imago/Viennareport

Er ist ein sehr eigenständiger Künstler, man erkennt ihn sofort wieder. In Österreich kann er extrem erfolgreich werden. Aber ich tu mich persönlich schwer damit, seine Musik nach, sagen wir, Hamburg zu tun. Ich wünsche ihm viel Erfolg, aber das wichtigste Kriterium, in Deutschland Erfolg zu haben, ist schon die Sprache. Das ist es, was uns verbindet. Daher kann ich mir nur schwer vorstellen, dass er so viel Erfolg in Deutschland haben wird wie Wanda. Wobei: Nino hat mir erzählt, dass ihm ein paar Berliner Hipster nach einem Konzert erzählt hätten, dass sie Wienerisch auf Partys reden, um Frauen zu beeindrucken. Und sie konnten das tatsächlich relativ gut sprechen. Das ist schon lustig. Aber irgendwie auch Wahnsinn.

Die Eigenständigkeit von Künstlern wie Voodoo Jürgens oder Der Nino aus Wien ist schon auffällig. Von außen scheint einem die Wiener Szene wie ein Sammelsurium an echten Charakteren.

Die Haltung, die Menschen wie Den Nino, Voodoo oder andere aus der aktuellen Wiener Szene verbindet, ist: "Alles, was ich mache, ist mein Ding." Sie kommt noch aus der Zeit, in der man mit Musik in Österreich kein Geld verdient hat. Da ist einem vieles egal, und diese Haltung produziert eben sehr eigenständige Charaktere.

Wanda oder auch Der Nino erwähnen immer wieder, wie sehr sie von britischen Bands wie den Beatles oder Oasis beeinflusst sind. War deutsche Musik je ein Einfluss in Österreich?

Der deutsche Einfluss auf österreichische Musiker ist sicher geringer als der britische, aber es gibt ihn. Es ist ein anderer Einfluss - durch die tiefere kulturelle Verbindung. Wir teilen schließlich eine Sprache. Tocotronic waren in den 90ern zum Beispiel sehr groß in der Wiener Szene. Und später waren Alben wie "Wir Kinder vom Bahnhof Soul" von Jan Delay oder "Stadtaffe" von Peter Fox sehr wichtig. "Stadtaffe" war wirklich unglaublich groß und extrem beliebt in Wien. Diese Mischung aus HipHop, Reggae, Pop und Orchester – das ist gute Popmusik, nicht einfach Crossover.

Worin sehen Sie als Produzent Ihre Aufgabe?

Ich habe immer Musik gehört, die mich bewegt, und ich arbeite deshalb ausschließlich mit Musikern zusammen, die etwas zu sagen haben. Ich sehe meine Aufgabe darin, ihnen zu helfen, das auszudrücken. Ich mache gar keine musikalischen Vorschläge, sondern führe erst einmal Gespräche. Ich frage den Künstler: "Was willst du sagen?" Bevor Marco (Sänger von Wanda, Anm. d. Red.) und ich ein Lied zusammen aufnehmen, kommt er mit einem Entwurf zu mir. Er spielt ihn mir vor, dann lassen wir ihn erst einmal liegen. Wir reden, trinken Kaffee – den ganzen Nachmittag lang. Und nach fünf Stunden Gesprächen über Weltpolitik haben wir dann einen Song. 

Sie sind auch gefragter Filmkomponist. Was reizt Sie mehr – Musikproduktion oder Filmmusik?

Filmkomponist ist immer mein eigentlicher Berufswunsch gewesen. Ich mache einfach gerne Musik und will immer neue Sachen ausprobieren und den nächsten Schritt machen. Bei Filmmusik ist der nächste Schritt immer leichter als bei Musikproduktion. Jeder Film hat verdient, eine andere Farbe zu haben. Für die Horrorkomödie "Angriff der Lederhosenzombies" (Regie: Dominik Hartl) habe ich Sounds mit alten Drummaschinen gemacht. Für den Film "Die Mitte der Welt" (Regie: Jakob Erwa) habe ich mit Hämmern auf meinem Klavier herumgeklopft, und für die Musik zu einem Kurzfilm habe ich mir kürzlich eine Schamanentrommel gekauft. Dieser ständige Wechsel macht die Arbeit für mich aus. Man muss ein sehr guter Musiker sein, um ein guter Filmmusiker zu sein. Mein Ziel ist einfach, ein besserer Musiker zu werden, für immer und ewig.

Das Gespräch führte Philipp Jedicke.

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