Paul Klee machte sich am Bauhaus viele Kunststile zu eigen, auch den Konstruktivismus der 1920er Jahre. Und doch gab er ihm ein ganz eigenes Gesicht, das auch heute noch überrascht. Eine Ausstellung auf Spurensuche.
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Paul Klee und die Technik
Die Münchner Pinakothek widmet sich Paul Klee und seinem Umgang mit einer technisierten Welt. Unter den 150 Bildern sind Leihgaben aus aller Welt, die seit Jahrzehnten nicht mehr in Deutschland zu sehen waren.
Bild: Franz Marc Museum, Kochel a. See, Dauerleihgabe aus Privatbesitz, Foto: Walter Bayer, München
Das Tor der Nacht 1921
Paul Klee war einer der prägenden Meister am Staatlichen Bauhaus in Weimar und Dessau. Dort setzte er sich mit den Herausforderungen einer technisierten, rationalen Welt auseinander. Wie genau, das zeigt die große Sonderausstellung "Paul Klee. Konstruktion des Geheimnisses" in der Pinakothek in München. Im Mittelpunkt stehen seine Werke der 1920er und 1930er Jahre.
Bild: Zentrum Paul Klee, Bern, Bildarchiv
Mondaufgang, 1915
"Ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler", schrieb Paul Klee 1914 nach seiner Tunesien-Reise in sein Tagebuch. Die Farben des Südens und der Vollmond hatten ihn stark beeindruckt. Vor diesem Hintergrund entstand 1915 auch das Bild "Mondaufgang". Der Mond ist ein Leitmotiv in Paul Klees Bildern, auch wenn er in seinen graphischen Werken später nur noch als roter Kreis auftaucht.
Bild: Museum Folkwang Essen - ARTOTHEK
Über Bergeshöhe, 1917
1917, mitten im Chaos des Ersten Weltkrieges, entstand das Aquarell "Über Bergeshöhe". Die Aufgabe des Künstlers sah Klee darin, Ordnung aus dem Chaos zu erschaffen, parallel zur göttlichen Schöpfung. Bei diesem Bild mit einfachen Symbolen zeigt sich Klees Sehnsucht nach den Bergen, nach der Höhe - und letztendlich nach dem Göttlichen.
Bild: Collection of the Gemeentemuseum Den Haag
Versunkenheit, 1919
In Selbstportraits stellt sich Paul Klee gerne als "denkender Künstler" dar, hier in sich gekehrt, ohne Ohren und mit geschlossenen Augen. Die Lithografie entstand 1919, nach dem 2. Weltkrieg, und zeigt den Rückzug ins Innere. Mit solchen Bildern prägte Paul Klee sein Ansehen als weltabgewandter und geheimnisvoller Künstler. Er schreibt in seinem Tagebuch: "Diesseitig bin ich gar nicht fassbar."
Bild: Zentrum Paul Klee, Bern, Bildarchiv
Gespenst eines Genies, 1922
In zahlreichen Schriften erklärte Paul Klee sein künstlerisches Selbstverständnis. In dem Bild "Gespenst eines Genies" scheint es, als wollte er die industrielle und technische Entwicklung, die auch vor dem Bauhaus nicht Halt machte, kommentieren. Es handelt sich um eine mechanische Reproduktion einer Zeichnung. Das denkende Künstlergenie wandelt sich zum melancholischen Geist, zur leblosen Puppe.
Bild: National Galleries of Scotland
Begrüßung, 1922
Die Zusammenarbeit mit verschiedenen Künstlern und Handwerkern am Bauhaus reizte Klee, Neues auszuprobieren. Nach strengen graphischen Vorgaben entstanden seine Schicht-Aquarelle. Dabei trug er transparente und halbtransparente Wasserfarben in Farbabstufungen auf. In diesem Fall schichtet er Streifen von hell zu dunkel übereinander.
Bild: Allen Phillips/Wadsworth Atheneum
Wachstum der Nachtpflanzen, 1922
Die Farbabstufungen finden sich auch in dem Werk "Wachstum der Nachtpflanzen" wieder. Paul Klee ließ sich dabei durch die mehrstimmige Musik beeinflussen. Die Staffelung und Wiederholung geometrischer Formen symbolisieren Akkorde und thematische Motive einer Komposition. Die Natur ist sein Vorbild und verleiht der starren Systematik anmutige Bewegungen.
Auch den "Blühenden Baum" hat Paul Klee mit geometrischen Formen individuell gestaltet. Es ist ein bildliches Statement gegen einige Bauhäusler, die sich auf rechte Winkel und Primärfarben beschränken wollten. Weil Klees Bilder sehr fragil sind - hier Öl auf Karton - werden sie selten verliehen. Dieses Kunstwerk hat den weiten Weg aus dem National Museum of Art in Tokio nach München hinter sich.
Bild: The National Museum of Modern Art, Tokyo
Der Springer, 1930
Ebenfalls ein Hingucker in der Ausstellung: "Der Springer" von 1930. Das Bild hat die Witwe Livia Klee dem Paul Klee Zentrum in Bern geschenkt. Klee hat sich durch die verschiedene Werkstätten am Bauhaus wie Druckerei, Glasmalerei oder Weberei inspirieren lassen. Hier nutzt er die Spritztechnik. Dabei wird Farbe über ein Sieb gebürstet.
Bild: Zentrum Paul Klee, Bern, Bildarchiv
Nichtcomponiertes im Raum, 1929
Paul Klee sah sich in den Umbruchszeiten der 1920er Jahre oft als Seiltänzer, der die Balance halten muss. Am Bauhaus hielt der sogenannte "Künstler-Ingenieur" Einzug, der gefragter war als das künstlerische Genie. Auch Klee arbeitete mit streng geometrischen Formen, trotzdem beherrschen Spiel und Balance seine Bilder. Die schwebenden Körper im Raum bleiben geheimnisvoll und rätselhaft.
Bild: Franz Marc Museum, Kochel a. See, Dauerleihgabe aus Privatbesitz, Foto: Walter Bayer, München
Schwebendes, 1930
In den schwebenden Bildern spiegelt sich die Weltraumbegeisterung Anfang des 20. Jahrhunderts wider: der grenzenlose Raum, die Überwindung der Schwerkraft. Rationale Räume kippen in irrationale, mehrdimensionale Räume, wie hier bei "Schwebendes" von 1930. Das Bild entspricht der Forderung der "Konstruktion des Geheimnisses", die Klee 1928 in der Bauhaus Zeitschrift formulierte.
Bild: Zentrum Paul Klee, Bern, Bildarchiv
Ad marginem, 1930
"Ad Marginem" aus dem Kunstmuseum Basel ist ein weiteres Highlight der Münchener Ausstellung. Nicht nur, weil das Werk selten verliehen wird (es handelt sich um ein empfindliches Aquarell mit Federzeichnung auf Lackgrundierung auf Karton), sondern auch, weil es für Klee progammatisch ist: Der Mond, umgeben von Natur und Figuren am Bildrand, steht für das Zusammenwirken von Mikro- und Makrokosmos.
Bild: Martin P. Bühler
Verwittertes Mosaik, 1933
Das "Verwitterte Mosaik" ist eine Leihgabe aus den USA. Von diesen Mosaikbildern, auf denen in Anlehnung an frühchristliche Mosaiken sogar die Altersstruktur nachgezeichnet ist, gibt es nur zwei Exemplare. Das Mosaik schuf Paul Klee 1933, als die Nazis ihm seine Stelle an der Kunstakademie in Düsseldorf gekündigt hatten. Es symbolisiert die Spuren des gesellschaftlichen Verfalls.
Bild: Norton Simon Museum, Pasadena
Ohne Titel (Todesengel), 1940
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und seiner Entlassung kehrte Paul Klee in die Schweiz zurück. Dort wurde er schwer krank. Als sich sein Zustand 1937 vorübergehend besserte, malte er rund 40 Werke, die als Engel-Bilder berühmt wurden. In seinem Todesjahr 1940 schuf Klee auch diesen "Todesengel". Die Ausstellung "Paul Klee. Konstruktion des Geheimnisses" läuft bis zum 10. Juni 2018.
Bild: Zentrum Paul Klee, Bern, Bildarchiv
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Räume, die wie abstrakte Gemälde wirken. So habe man die Pinakothek der Moderne noch nie gesehen, meint Oliver Kase, Kurator der Ausstellung "Paul Klee. Konstruktion des Geheimnisses". Die Wände sind in Grau-Blau, Gelb oder Schwarz gehalten, geometrische graue Elemente im Raum dienen als Sitzgelegenheiten.
"Der Geist des Konstruktivismus hat die Räume total verändert", sagt Kase begeistert, "mit diesen Farben holen wir das Meisteratelier von Paul Klee in die Pinakothek." Es sind Farben und Formen, wie sie in den 1920er Jahren typisch für das sogenannte "Bauhaus" waren.
Das Bauhaus, 1919 von dem Architekten Walter Gropius in Weimar gegründet, stand als Kunstschule für die Gleichberechtigung der Künste. Künstler und Handwerker sollten gemeinsam arbeiten, lehren und neue Ideen entwickeln. Klees Schaffensphase am Bauhaus steht im Mittelpunkt der Münchner Ausstellung. Von den rund 150 Werken, die gezeigt werden, stammen 130 teils seltene Leihgaben aus internationalen und privaten Sammlungen, auch aus den USA und Japan.
Paul Klee, universales Künstlergenie
Paul Klee, am 18. Dezember 1879 in der Schweiz geboren, gilt als einer der bedeutendsten Künstler der klassischen Moderne. Sein umfangreiches Werk folgt vielen Kunstströmungen, vom Expressionismus über den Konstruktivismus bis hin zum Surrealismus. Immer wieder hat er neue Formen und Techniken ausprobiert. Erkenntnisse aus Wissenschaft und Technik fließen in seine Werke genauso ein wie die Eindrücke von zahlreichen Reisen in den Süden.
Paul Klee sah sich als universaler Künstler, der als Dichter, Musiker, Naturforscher und Philosoph nach der göttlichen Vollkommenheit strebt. So, wie es ein Leonardo da Vinci oder ein Wolfgang von Goethe vorgelebt hatten.
Er selbst stammte aus einer Musikerfamilie, wandte sich dann aber der Malerei zu. 1911 schloss er sich der Künstlergruppe "Der blaue Reiter" um Franz Marc und Wassiliy Kandinsky an. Mit Kandinsky verband Klee auch am Bauhaus noch eine intensive Freundschaft.
Die Macht des Universums auf die Kunst
Schon damals reizte Paul Klee das Transzendentale, der Kosmos mit seinen Planeten, die als Symbole in vielen seiner Werke auftauchen. "Klee hat sich ja sehr erfolgreich stilisiert als der weltabgewandte Künstler der Versunkenheit, der nur mit den Gestirnen und dem Kosmos im Dialog steht", erläutert Kurator Oliver Kase. In seinem Tagebuch schreibt Klee: "Diesseitig bin ich gar nicht fassbar."
Nach dem Ersten Weltkrieg machte Paul Klee auch mit kunsttheoretischen Texten auf sich aufmerksam. "Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar", schrieb er 1920 in seiner Anthologie "Schöpferische Konfession". "Diese Programmatik passt zum frühen Bauhaus, zu Johannes Itten, Lyonel Feiniger und sie passt auch zu dieser Experimentierstation für Utopien", so Oliver Kase. Ein Jahr später holte Walter Gropius Paul Klee als "Formmeister" an das Staatliche Bauhaus in Dessau.
Moderne Zeiten im Dienste der Industrie
Die 1920er Jahre der Weimarer Republik waren Jahre des Aufbruchs. Durch Auto und Telefon wuchs die Mobilität, der Informationsfluss wurde schneller. Die fortschreitende Technik und die Industrialisierung veränderte das Leben der Menschen. Gleichzeitig wuchs eine Sehnsucht nach Stille und Romantik, nach einer Welt fern der hektischen Realität. Künstler beschäftigten sich mit der Metaphysik, Opium war die Droge der Zeit.
Auch das Bauhaus passte sich den neuen Zeiten an, stellte sich mit praktischem Design in den Dienst der Industrie. "Das Bauhaus rückt von seinem expressionistischen Schwerpunkt am Anfang ganz stark ab und wird zu einer Architektur und Designschule, wo es um die Gesellschaft der Zukunft, um die Fortschrittsutopie geht", meint Oliver Kase. Die Idee des universalen Künstlers ist Mitte der 20er Jahre nicht mehr gefragt.
Künstler wie der Maler Johannes Itten oder der Dramaturg Lothar Schreyer verließen das Bauhaus, als es nur noch um Linien, geometrische Formen und um strenge Konstruktion ging. Paul Klee blieb. Ganze zehn Jahre.
Die Konstruktion des Geheimnisses
Warum er blieb und wie er die Zeiten des Umbruchs im wahrsten Sinne des Wortes "verarbeitete", war für Kurator Oliver Kase eine entscheidende Frage. In seinen Schriften hat sich Paul Klee dazu kaum geäußert. "Die These der Ausstellung ist, dass er das in seinen Werken abhandelt, dass seine Werke die Kommentare und die Reaktionen auf den Konstruktivismus und die Technik sind."
Geometrische Figuren ließ Paul Klee spielerisch an Seilen tanzen in einem Raum, der keinen Anfang und kein Ende hat. So gelang es ihm in seinen Bildern, Rationalität und Mysterium zu verbinden. "Er greift diesen Rationalismus auf, aber er verknüpft ihn mit seinem eigenen Weltbild, und das ist immer noch die Dominanz des Methaphysischen, der Bezug zum Transzendenten", erläutert Kase. Paul Klee nannte es die "Konstruktion des Geheimnisses". Ein Paradoxon, denn ein Geheimnis lässt sich nicht konstruieren. "Aber Klee schafft es, dieses Paradoxe in seinem Werk zu verknüpfen und das ist auch ein bisschen sein Betriebsgeheimnis."
Die Zeit nach dem Bauhaus
1931 verließ Paul Klee das Bauhaus und wechselte an die Kunstakademie in Düsseldorf. Dort wurde er 1933 von den Nationalsozialisten diffamiert und entlassen. Paul Klee zog sich zurück in die Schweiz, in die Berge. Mitte der 30er Jahre wurde er von einer seltenen Autoimmunkrankheit, der Sklerodermie, heimgesucht, die letztendlich zu seinem Tod im Juni 1940 führte.
Dennoch hinterließ er ein umfangreiches Spätwerk, unter anderem die bekannten großformatigen "Engelsbilder" und Werke mit Monden und Gestirnen, die in der Ausstellung zu sehen sind. Es sind Symbole, die sich wie ein roter Faden vom Frühwerk bis zum Spätwerk ziehen. Paul Klees künstlerisches Selbstverständnis vom universalen Künstlergenie, der nach dem Göttlichen strebt, hat sich auch über die Bauhaus-Zeit hinweg nicht geändert. Ein künstlerisches Selbstverständnis, das Oliver Kase gerade in der heutigen Zeit spannender denn je findet.
"Wir sind ja mit vergleichbaren Herausforderungen konfrontiert wie die 20er Jahre. Heute heißt das Informationsgesellschaft, Digitalisierung oder Selbstoptimierung", erläutert der Kurator. "Auf der anderen Seite gibt es immer noch diese Seite des Romantischen, des Mystischen, des Emotionalen. Und insofern glaube ich, dass Klee als Künstler mit seiner Herangehensweise auch eine Relevanz für unsere Gegenwart hat."
Die Ausstellung "Paul Klee. Konstrukiton des Geheimnisses" ist vom 1. März bis zum 10. Juni in der Pinakothek der Moderne in München zu sehen.