1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Pearl Harbor: die Öltränen der "Arizona"

6. Dezember 2016

Es war eine Erniedrigung für die USA: Der Angriff der Japaner auf die Pazifik-Flotte der Amerikaner in Pearl Habour 1941. In der Folge treten die USA in den Zweiten Weltkrieg ein und steigen zur Weltmacht auf.

USA Pearl Harbour Angriff japanischer Flugzeuge
Bild: picture-alliance/Photoshot

George Bush (sen.) war kein Meister des gesprochenen Wortes. Am 7. Dezember 1991 aber hielt er eine besondere Ansprache. Seine wohl emotionalste Rede. Vielleicht sogar die emotionalste aller US-Präsidenten. "Schaut in eure Herzen", sagte er mit hörbar enger und vibrierender Stimme und Tränen in den Augen, "und ihr werdet Jungen sehen, die an diesem Tage Männer wurden, und Männer, die sich zu Helden wandelten." 13.000 Kriegsveteranen waren 50 Jahre danach nach Pearl Harbor gekommen, dem Schauplatz einer der größten Tragödien der US-Militärgeschichte. Und George Bush sprach ihnen aus dem Herzen.

Japanische Bomber hatten in zwei Angriffswellen die Pazifikflotte der USA auf Hawaii nahezu vollständig zerstört. Mehr als 2.400 Amerikaner starben. Es war ein Angriff ohne Vorwarnung, ohne vorherige Kriegserklärung. Ein Trauma für die USA über Jahrzehnte, an einem scheinbar harmlosen Sonntagmorgen.

Ein Angriff hinein in die Ahnungslosigkeit

"Luftangriff auf Pearl Harbor. Dies ist keine Übung." Es ist 13.57 Uhr am 7. Dezember 1941 amerikanischer Ostküstenzeit, als die Meldung über Direktleitung der Marine in Washington eintrifft. Zu spät. 141 japanische Kampfbomber nehmen schon seit 20 Minuten gezielt amerikanische Schlachtschiffe, Zerstörer, Kreuzer und Minenleger am US-Marinestützpunkt O'ahu auf Hawaii unter Beschuss. Was nicht getroffen ist, gerät ins Visier der zweiten Angriffswelle der Japaner. 170 Maschinen stürzen sich auf die Schlachtschiffe "Arizona", "California", "Oklahoma" und "West Virginia". Im Bombenhagel gehen auch rund 350 US-Flugzeuge in Flammen auf, die am Boden stehen.

50 Jahre danach: George und Barbara Bush über dem Wrack der "Arizona" Bild: Getty Images/AFP/D. Ake

US-Präsident Roosevelt soll mit der Faust auf den Tisch geschlagen haben, als er die Nachricht erhält: "Amerikanische Flugzeuge sind am Boden, bei Gott, am Boden zerstört worden!" Am Ende ist die Pazifikflotte der USA, die kriegsbedingt extra von San Diego nach Hawaii verlegt worden ist, vernichtend geschlagen. Ganze 29 Bomber gehen auf japanischer Seite verloren, 55 Mann werden getötet. Ein Sieg des Kaiserreichs, der den Unverwundbarkeits-Mythos der USA zu Grabe trägt.       

Die Vorgeschichte: Sorglosigkeit und Dilettantismus 

Das amerikanische Trauma von Pearl Harbor ist auch Folge unglaublicher Leichtfertigkeit. Die amerikanischen Kommandierenden waren davon überzeugt, dass Japan überall im Pazifikraum angreifen könne - britische oder niederländische Kolonien etwa -,  nicht aber in Pearl Harbor. Dennoch wurden Vorsichtsmaßnahmen getroffen - allerdings die falschen. Aus Angst vor Sabotageakten aus den Reihen der rund 100.000 Japaner, die auf Hawaii lebten, wurden die rund 350 US-Bomber von den Rändern in die Mitte des Stützpunktes verlegt. Dort parkten sie Flügel an Flügel und waren für die Luftattacken am 7.12. ein leichtes Ziel.

Der damals noch neuen Radartechnik wurde wenig Vertrauen geschenkt. Als die ersten japanischen Bomber auf dem Bildschirm sichtbar wurden, hielt man die Punkte für alles Mögliche, nur nicht für angreifende Feindflugzeuge. Flakgeschütze waren nicht um den Stützpunkt verteilt, sondern größtenteils in den Depots. Schließlich war es der Tag und die Stunde, die den Japanern in die Hände spielte: Am frühen Sonntagmorgen lagen noch viele im Bett und die Befehlsstände waren nur lückenhaft besetzt. Der Stützpunkt war nahezu wehrlos.        

Die Konsequenzen: Schluss mit Isolationismus!

Japan führte schon seit 1937 Krieg im Pazifikraum, mit dem Angriff auf die US-Flotte auf Hawaii weitet das Land aber die Konfrontationen zum Weltkrieg aus. Über Monate hat Japan freie Hand in großen Teilen Asiens. Doch die japanische Vorherrschaft in diesem Teil der Welt blieb zeitlich begrenzt. Was auch daran lag, dass weder die Flugzeugträger - die neuen Garanten militärischer Überlegenheit auf See - noch die Treibstoffdepots der Amerikaner auf Hawaii getroffen wurden. Die schwimmenden Festungen waren an jenem Tag nicht im Hafen, zwei hatten Tage zuvor Pearl Harbor verlassen und die Bombardierung der Öl-Tanks war für eine dritte Angriffswelle geplant, die die Japaner aber nicht mehr flogen. So blieb Pearl Harbor für Japan ein Pyrrhussieg, der später auch in Tokio in jeder Hinsicht als strategischer Fehler bewertet wurde. Tatsächlich hat Japans Angriff die USA erst stark gemacht.      

Über dem Wrack und über den Toten: Das Arizona-Memorial-Museum in Pearl HarborBild: picture-alliance/Newscom

"Remember Pearl Harbor!" (Denkt an Pearl Harbor!) war der Schlachtruf der amerikanischen Öffentlichkeit, der auf einen Schlag dem bis dahin praktizierten Isolationismus ein Ende setzte. Patriotismus verdrängte den pazifistischen Konsens, der bis dahin in der US-Gesellschaft vorherrschte. Die Mobilisierung vor dem Hintergrund der enormen industriellen Kapazität des Landes ließ die USA in nur wenigen Jahren zur Weltmacht aufsteigen. Und die Erniedrigung von Pearl Habour bestimmte fortan ihr Sicherheitsdenken.    

Veteranen im Jahr 2010: Pearl Harbor bleibt ein nationales Trauma - nur der 11. September 2001 wirkt verstörender Bild: Getty Images/AFP/N. Kamm

Die unmittelbaren Folgen sind bekannt: Amerika tritt in den Zweiten Weltkrieg aktiv ein. Nur vier Tage nach den Bomben auf Hawaii erklärt Adolf Hitler in völliger Verkennung der Realitäten den USA den Krieg. Zu diesem Zeitpunkt stecken seine Divisionen im russischen Winter vor Moskau fest.  

Die Öltropfen der "Arizona"

Von all den zerstörten, versenkten Marineschiffen vor Hawaii ist keines in der Erinnerung gegenwärtiger als das Schicksal der "USS Arizona". Es war 8.06 Uhr Ortszeit, als eine 800-Kilo-Bombe das Deck der "Arizona" durchschlägt und im Munitionslager detoniert. Innerhalb von nur zehn Minuten sinkt das Schiff fast vollständig. Die "Arizona" wird für 1.200 Soldaten - fast die gesamte Mannschaft - zum Grab. Nur gut 200 Mann der Besatzung überleben. Das Schiff brennt zwei volle Tage.

Japanischer Bomber über Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 während des BombardementsBild: Getty Images/Keystone

1961 entsteht eine Plattform an der Stelle, an der die "Arizona" im seichten Hafengewässer auf Grund liegt. Sie wird zur Gedenkstätte, die jährlich rund 1,5 Millionen Besucher anzieht. Und sie umgibt ein Mythos. Im Inneren der "Arizona" sind zum Zeitpunkt des Treffers rund 1,5 Millionen Galonen Öl gelagert. Über Jahrzehnte gibt die "Arizona" nur Tropfen davon preis. Sie werden die "schwarzen Tränen der Arizona" genannt, die erst dann nicht mehr fließen, so der Glaube mancher Veteranen, wenn der letzte Überlebende gestorben ist.           

Pearl Harbor und das kollektive Gedächtnis der Amerikaner

Was aber immer bleibt, ist die Erinnerung. George Bush, er war 17 an jenem Dezembersonntag 1941, meldet sich ein halbes Jahr später freiwillig und wird jüngster Marinepilot seines Landes. Zwei Jahre danach schießen ihn Japaner über dem Pazifik ab, ein US-U-Boot fischt ihn aus dem Wasser. "Pearl Harbor ist Teil meines Lebens geworden", sagt er 50 Jahre danach als Präsident der Vereinigten Staaten genau da, wo damals die Bomben fielen. Hass wie damals auf die Japaner und Deutschen verspüre er nicht mehr, bekennt er. Er hatte damals die Autorität, so etwas zu sagen, denn er war vor allem als Veteran gekommen und weniger als Präsident. Pearl Harbour ist bis heute stärker in der Erinnerung der Amerikaner verankert, als die Landung der Alliierten Truppen in der Normandie. Traumatischer ist allein der 11. September 2001, als die Zwillingstürme des World Trade Center einstürzten.