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Politik

Pegasus-Skandal: Wer ist am meisten betroffen?

22. Juli 2021

Mit der "Pegasus"-Software sind vermutlich zahlreiche Journalisten, Politiker und Menschenrechtler aus verschiedenen Ländern überwacht worden. Ein Überblick über die bisherigen Erkenntnisse des globalen Skandals.

Zypern | Pegasus Spyware | Webseite NSO Group
Bild: Mario Goldmann/AFP/Getty Images

"Pegasus" - das mythische geflügelte Ross wurde zum Trojanischen Pferd. Die Enthüllungen eines internationalen Recherchenetzwerks rund um die Spionagesoftware "Pegasus" haben die ganze Welt erschüttert. Im Rahmen des "Pegasus-Projekts" haben Journalisten mehr als 50.000 Telefonnummern identifizieren können, die möglicherweise mit der von der israelischen Firma NSO Group entwickelten Spähsoftware "Pegasus" ausgespäht wurden. Das Rechercheteam konnte diese Nummern Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, Firmenmanagern und etwa 600 Politikern und Regierungsmitgliedern aus mehr als 50 Ländern zuordnen. Die Spähsoftware kann die Kamera oder den Ton einschalten, Aufnahmen machen, verschlüsselte Kommunikation mitlesen und das gesamte Handy übernehmen. Unklar ist, ob all die Personen, deren Daten sich auf dieser Liste befinden, tatsächlich ausgespäht wurden.

Die Spähsoftware "Pegasus" stammt von der israelischen Softwarefirma NSO GroupBild: Jack Guez/AFP/Getty Iamges

Mobilfunknummern von Macron und Michel 

Unter denjenigen, die zum Ziel der Spionagesoftware "Pegasus" geworden sind, sind hochrangige europäische Politiker wie der frühere belgische Premierminister und jetzige Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel. Auch die Nummer seines Vaters Louis Michel war dabei. Dieser saß bis 2019 im Europäischen Parlament.

Ein weiterer prominenter Name auf der Liste ist Emmanuel Macron. Man habe eine Nummer gefunden, die er seit 2017 verwende und über die er noch in den vergangenen Tagen zu erreichen gewesen sei, berichtet die französische Tageszeitung Le Monde. Auch die Nummern eines seiner früheren Leibwächter sowie des ehemaligen Premierministers Philippe, des Außenministers Le Drian und des Wirtschaftsministers Le Maire habe man identifizieren können.

Auch Emmanuel Macron und Charles Michel - hier bei einem Treffen mit Kanzlerin Merkel - sollen zu den potentiellen Ausspähzielen gehörenBild: picture-alliance/dpa/EPA/S. Lecocq

Die französische Regierung zeigte sich empört: "Diese Enthüllungen, die Journalisten jetzt veröffentlicht haben, sind extrem schockierend. Und sollten sich die Anschuldigungen bewahrheiten, dann wiegen sie sehr schwer", so Gabriel Attal, Sprecher der französischen Regierung. Hinter den mutmaßlichen Angriffen auf die französischen Politiker und den Belgier Michel soll angeblich Marokko stehen. Die marokkanische Botschaft in Paris wies diese Vorwürfe jedoch umgehend zurück.

Fast jeder dritte Betroffene kommt aus Mexiko

Etwa 15.000 Telefonnummern auf der bekannt gewordenen Liste stammen aus Mexiko - darunter auch die von Präsident Andrés Manuel López Obrador, einigen Familienmitgliedern und weiteren Personen aus seinem Umfeld. Der frühere Oppositionschef macht dafür die Vorgängerregierung verantwortlich. López Obrador war erst 2018 an die Macht gekommen. Mexiko hatte "Pegasus" als erstes Land bereits im Jahr 2011 erworben.

Wurde sein Handy auch überwacht? Mexikos Präsident Andrés Manuel López ObradorBild: Henry Romero/REUTERS

Zudem könnte der Mord an einem mexikanischen Journalisten mit einer Ausspähung durch "Pegasus" zu tun haben: Cecilio Pineda Birto wurde 2017 erschossen, nachdem er jahrelang über Korruption und die Drogenmafia berichtet hatte. Auch seine Nummer wurde auf der Liste gefunden. Die DW hatte bereits zu dieser Zeitdarüber berichtet, dass Journalisten in Mexiko mutmaßlich durch "Pegasus" ausspioniert werden.

Insgesamt enthält das Verzeichnis Telefonnummern von 26 mexikanischen Journalisten, unter anderem vom früheren Bürochef der New York Times in Mexico City sowie von einer örtlichen CNN-Produzentin.

Investigativjournalisten aus Ungarn und Aserbaidschan

Weltweit sollen mehr als 180 Journalisten betroffen sein. Bei der Enthüllung fanden sich etwa die Telefonnummern der ungarischen Journalisten Szabolcs Panyi und András Szabó. Beide Journalisten arbeiten für das Investigativmedium Direkt36, das als eine der letzten Medieneinrichtungen gilt, die nicht als regierungsnah betrachtet wird. 

Auch Khadija Ismayilova, eine der bekanntesten aserbaidschanischen Investigativ-Journalistinnen, soll zu den zahlreichen Journalisten und Menschenrechtsaktivisten gehören, die ausgespäht wurden. Experten vom "Amnesty International Security Lab" haben auf dem Handy von Ismayilova Spuren der "Pegasus"-Spähsoftware gefunden.

Trojaner auf dem Telefon: Aserbaidschans bekannteste Investigativjournalistin Khadija IsmayilovaBild: picture-alliance/dpa/Pacific Press/A. Karimov

Spionierten auch Riad und Dubai?

Die "Pegasus"-Software taucht in Verbindung mit der Ermordung des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi 2018 im saudischen Generalkonsulat in Istanbul auf. Amnesty International konnte feststellen, dass das Handy seiner Verlobten Hatice Cengiz nur vier Tage nach seiner Ermordung mit der Software infiltriert wurde. Auch der türkische Politiker Yasin Aktay wurde vermutlich mit der Spyware überwacht: Er war ein Freund von Khashoggi und ein Berater des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.

Scheiterte ihr Fluchtversuch, weil ihr Handy ausgespäht wurde? Prinzessin Latifa von DubaiBild: Balkis Press/ABACA/picture alliance

Sowohl Prinzessin Latifa als auch ihre Stiefmutter Prinzessin Haya flohen vor Scheich Muhammad bin Raschid Al Maktum, dem Herrscher des Emirats Dubai. Während Prinzessin Haya ihre Flucht 2019 vollenden konnte, scheiterte ein Fluchtversuch von Prinzessin Latifa im Jahr 2019. Nun stellt sich heraus, dass auch die Telefonnummern dieser beiden auf der Liste stehen, zumindest Latifas Nummer soll bereits ein Jahr vor ihrem gescheiterten Fluchtversuch dort aufgetaucht sein.

"Vaterlandsverrat" in Indien, Staatsaffäre in Ruanda

Mehr als 1000 Telefonnummern auf der Liste stammen aus Indien. Die Kongresspartei, die Hauptoppositionspartei Indiens, wirft Premierminister Narendra Modi Vaterlandsverrat vor, da er mit der Ausspähung zahlreicher indischer Bürger die nationale Sicherheit gefährdet haben soll. Und auch der im indischen Exil lebende Dalai Lama könnte betroffen sein: Während das 86-jährige geistliche Oberhaupt der Tibeter selbst kein Smartphone besitzt, seien die Telefonnummern von mehreren Personen aus seinem engen Umfeld auf der Liste potentieller Ausspähziele gefunden worden.  

Das afrikanische Land Ruanda soll Oppositionelle und wahrscheinlich auch Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa ausgespäht haben. Insgesamt soll das Land für die Ausspähung von 3500 Telefonnummern verantwortlich sein.

"In den falschen Händen"

Christian Mihr, der Geschäftsführer von "Reporter ohne Grenzen", fordert dringend eine strengere internationale Regulierung bei der Weiterverbreitung von Schadsoftware. "Wir brauchen ein globales Sanktionsregime, das den Export solcher Technik in autoritäre Länder grundsätzlich verbietet und sanktioniert. Denn solche Überwachungstechnik ist pressefreiheitsfeindlich und gefährdet im schlimmsten Fall Menschenleben", so Mihr. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Donnerstag ebenfalls eine striktere internationale Regulation für den Handel mit Spyware gefordert. Sie betonte, dass eine solche Software nicht "in die falschen Hände" geraten dürfe.

Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne GrenzenBild: Reporter ohne Grenzen/Schler

Israels Regierung kündigte mittlerweile an, eine Taskforce einzuberufen, die die Spionage-Affäre untersuchen soll. Das Team soll vom Nationalen Sicherheitsrat geleitet werden, der direkt dem israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett unterstellt ist.

Burak Ünveren Redakteur. Themenschwerpunkte: Türkische Außenpolitik, Deutsch-Türkische Beziehungen.