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Sie rufen: "Merkel muss weg"

Richard A. Fuchs, Dresden12. Oktober 2015

Sie fordern einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge: Am Montagabend demonstrierte die islamfeindliche Pegida-Bewegung wieder in Dresden. Nach Wochen der Flaute steigt der Zulauf wieder. Aus Dresden Richard Fuchs.

Pegida-Anhänger hält Galgen, mit den Namen von Merkel und Gabriel. (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/H. Hanschke

Kaum war der Theaterplatz in Dresden am Montagabend mit Demonstranten gefüllt, brüllten sie lautstark ihre für sie zentrale Botschaft hinaus: "Merkel muss weg!" Das waren für die mehreren tausend Anhänger der islamfeindlichen Pegida-Bewegung die drei Worte, auf die sich alle einigen konnten. Nach Angaben der Studierendeninitiative "Durchgezählt" waren zwischen 7500 und 9000 Menschen gekommen, um Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) teilweise wüst wegen ihrer Flüchtlingspolitik zu beleidigen.

Juristische Folgen könnte ein Galgen haben, den ein Pegida-Anhänger mit sich herumtrug. Daran baumelten Schilder mit den Namen von Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel. Die Staatsanwaltschaft werde am Dienstag über strafrechtliche Konsequenzen entscheiden, sagte ein Polizeisprecher.

Pegida-Chef Bachmann greift die Kanzlerin anBild: Reuters/H. Hanschke

Noch in den Sommermonaten hatte die Bewegung bei Auftritten auf der Straße deutlich an Zulauf verloren.

Pegida-Mitgründer Lutz Bachmann schwor seine Anhänger auf den Forderungskatalog der Bewegung ein. Ganz vorne, ein sofortiger "Aufnahmestopp" für Flüchtlinge, die er als "Asylantenpack" bezeichnet. Es müsse "unattraktiver werden, hier in Deutschland Asyl zu beantragen", seine Botschaft. Ein Chor der Anhänger beantwortet diese Aussage und skandiert: "Abschieben, abschieben".

Merkel-Bashing und Aufruf zum Widerstand

Die Bundesregierung bezeichnet Bachmann als "Berliner Diktatoren", die sich - gesteuert vom amerikanischen Präsidenten - gegen die heimische Bevölkerung richten würden. Während Bachmann auf dem Podium poltert, schreien auch viele der "gutbürgerlich"-aussehenden Pegida-Anhänger ihre ganze Wut hinaus. Eine biedere ältere Frau, skandiert urplötzlich: "Merkel ist krank, die muss weg".

Viele Plakate rufen zum Widerstand gegen die Kanzlerin aufBild: picture-alliance/AP Photo/M. Schreiber

Auch Tatjana Festerling hat es auf die Kanzlerin und Flüchtlinge abgesehen. Die ehemalige Hamburger Politikerin der Alterrnative für Deutschland forderte Grenzzäune gegen Flüchtlinge, nennt Schutzsuchende "Rudel" und "Invasion". Erst im Juni hatte just diese Politikerin bei der Dresdner Oberbürgermeisterwahl zehn Prozent der Stimmen bekommen. Merkel bezeichnet sie als "die gefährlichste Frau Europas", und gegen sie und ihre Regierung gebe es nur ein Mittel: "Begehrt gegen diese Irren auf".

In Facebook kursiert vor der Demonstration eine Liste von zehn Forderungen, die es sogar auf Englisch übersetzt zu sehen gibt. Um die Bewegung zu internationalisieren, wie es dort heisst. Dabei fällt auf, dass die Übersetzungen vor Rechtschreibfehlern strotzen. Dem Inhalt des Geschriebenen nimmt das jedoch nicht die Schärfe. Abgrenzung, Ausgrenzung und vermeintliche Kontrolle: Nebst einem Aufnahmestopp fordert die Führungsriege der Bewegung strikte Grenzkontrollen, eine Beschränkung der Reisefreiheit des Schengen-Abkommens und "Massen-Abschiebungen" – sowie wenn möglich einen Austritt Deutschlands aus der EU. Das Wort "SOFORT" ist bei diesen Forderungen vier Mal großgeschrieben, wenn auch nicht konsequent. Eine Frau, die im Demonstrationsblock der Pegida-Anhänger steht und wie die "nette Großmutter" von nebenan aussieht, kommt nach dem Lesen des Pegida-Programms zu dem Schluss: "Da können wir uns nur noch bewaffnen, das wäre jetzt notwendig".

"Im Prinzip, immer das Gleiche"

Ein anderer Anhänger, der mit grüner Spendentonne für Pegida umherläuft, bringt für sich auf den Punkt, um was es an diesem Abend geht: "Was wir fordern, das ist im Prinzip immer das Gleiche." Neu, und doch kurios erscheint da, was die Ex-Hamburger Politikerin Festerling als vermeintliche Lösung der aktuellen Notlage propagiert. Der Freistaat Sachsen solle sich loslösen von Deutschland. Eine Idee, die von der Menge auf dem Demonstrationsplatz frenetisch bejubelt wird, quittiert mit den Rufen "Widerstand, Widerstand" – und gegen die Flüchtlinge gerichtet, "faules Pack". Kein Wort fällt über die Not derjenigen, die aus Bürgerkriegsländern wie Syrien und Afghanistan fliehen.

Mit Marsch durch die Innenstadt Dresdens. Von Pegida-Anhängern als Spaziergang bezeichnet.Bild: Getty Images/AFP/R. Michael

"Pegida", was für "Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes" steht, macht seit gut einem Jahr in ihrer Hochburg Dresden Stimmung gegen Zuwanderung und Flüchtlinge. Lutz Bachmann nennt die vielen, die seinen Parolen nacheifern, "Bürger, die sich Gedanken machen über ihre Zukunft". Just diese Bürger bewegen sich an diesem Abend aber fernab vom demokratischen Konsens, wenn sie Flüchtlinge als "Araberbanden", "Neger" und "Asylantenpack" beleidigen.

Nach der Demonstration geht es auf einen "Spaziergang"

Nach der Demonstration geht es auf einen Rundmarsch durch die Altstadt. Im Pegida-Kauderwelsch von Lutz Bachmann heisst das "Spaziergang". Es fällt auf, dass der Kopf der Bewegung harte Botschaften oft in butterweichen Formulierungen zu verpacken sucht. Bachmann, dem aktuell von Gerichtswegen der Vorwurf der Volksverhetzung gemacht wird, ruft "standhafte Anwohner" dazu auf, sich vor Flüchtlingsheimen zu organisieren. Festerling bezeichnet solche Aktionen als "Leuchtturmprojekte".

Während des Demonstrationszugs bleibt es an diesem Abend ruhig und gewaltfrei. Pegida-Anhänger werden von Polizisten von den Gegendemonstranten-Gruppe abgeschirmt. Die skandieren "Refugees welcome" und an die Pegida gerichtet, "schiebt euch selber ab". Ein Gegendemonstrant ringt mit den Worten, als er den Pegida-Marsch an sich vorbeiziehen sieht. "Absurd, schlimm", das Einzige, was ihm über die Lippen geht.

An diesem Abend gibt es allerdings nur eine Handvoll Gegendemonstranten. "Es gibt Gegenitiativen gegen Pegida, aber das ist tatsächlich leider kleiner als Pegida", sagt eine von ihnen. Ein Umstand, der schon kommende Woche anders werden soll. Für den 19. Oktober will ein loses Bürgerbündnis mit dem Slogan "Herz statt Hetze" die Dresdner mobilisieren. 10.000 Bürger, die gegen Pegida Flagge bekennen, werden erwartet. Und auch Pegida ruft für den gleichen Tag zur Demo auf. In Dresden dürfte es nicht ruhiger werden.

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