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Politik

#Pegizei: Kritik an Sachsens Behörden

Richard A. Fuchs
23. August 2018

Im Netz trendet #Pegizei. Ein Wortspiel, das der sächsischen Polizei unterstellt, gemeinsame Sache mit der rechten Bürgerbewegung Pegida zu machen. Doch was ist dran? Ein Vorfall in Dresden hat die Debatte neu entfacht. 

Deutschland | Pegida Demo in Dresden
Bild: imago/P. Sander

Längst geht es in Sachsen um weit mehr als um einen umstrittenen Polizeieinsatz, bei dem ein Kamerateam des öffentlich-rechtlichen Senders ZDF von Polizeibeamten festgehalten wurde. Es geht um den Vorwurf, ob sich die sächsische Polizei von Demonstranten der rechtsgerichteten Pegida-Bewegung instrumentalisieren ließ. Die Wortschöpfung im Hashtag #Pegizei, die derzeit bei Twitter trendet, bringt diesen Vorwurf zum Ausdruck.

Sachsens Ministerpräsident kann über #Pegizei nicht lachen

Auslöser für die Debatte war, dass ein Demonstrant am Rande einer Veranstaltung der rechtsgerichteten Pegida-Bewegung einem Kamera-Team vorwarf, ihn zu filmen und sie daraufhin verbal bedrängte. Beamten der sächsischen Polizei setzten Journalist und Kamerateam daraufhin rund 45 Minuten fest. Der Vorfall wird unterschiedlich wiedergegeben.

Dieser Demonstrant aus den Reihen der Pegida-Bewegung bedrängte Journalisten verbal. Der Mann ist Mitarbeiter des LandeskriminalamtesBild: ZDF/Frontal 21

Am Mittwoch stellte sich heraus, dass der Mann mit Deutschland-Schlapphut auf dem Kopf ein Mitarbeiter des Landeskriminalamtes in Sachsen war. Er war in privat auf der Kundgebung unterwegs. Nach Informationen der Zeitung "Die Welt" arbeitet der Betreffende als Buchprüfer und ist auch bei Gerichtsprozessen involviert. Das sächsische Innenministerium wollte sich zur Identität des Mannes nicht weitergehend äußern. Die Frage, ob es Verstrickungen zwischen der Pegida-Bewegung und den sächsischen Behörden gibt, wird deshalb noch lauter gestellt.

FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki forderte ein Disziplinarverfahren gegen den Mann. Und auch Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) forderte eine rasche und lückenlose Aufklärung und verband dies mit einer Warnung: "Die Vorgänge in Sachsen sind wirklich besorgniserregend und müssen dringend und umfassend durch die sächsischen Behörden aufgeklärt werden", sagte die SPD-Politikerin der Nachrichtenagentur dpa.


Der sächsische Ministerpräsident, Michael Kretschmer, reagierte auf die Kritik an der Aufarbeitung barsch und nahm die sächsischen Beamten erneut in Schutz. "Aufarbeitung der Polizei zeigt Ordnungsmäßigkeit des Einsatzes", twitterte Kretschmer. Und fügte hinzu: Er sei ein überzeugter Verteidiger der Pressefreiheit und des sachlichen Meinungsstreits. "Den Hashtag 'Pegizei' halte ich für unverantwortlich!"

 

Lippmann: "Der Mann mit Hut hat sich abgesetzt"

Valentin Lippmann, Landtagsabgeordneter der Grünen im sächsischen Landtag, besuchte am Donnerstag die Sitzung des dortigen Innenausschusses. Dort sei der Vorfall ausführlich thematisiert worden, sagte er im Gespräch mit der DW. Erste Erkenntnis: Während die Journalisten festgehalten und nach der Identität befragt wurden, "hat sich der Mann mit Hut abgesetzt". Die Abwehr einer Gefahr, mit der die Polizei das Festhalten der Journalisten begründete, sei zu diesem Zeitpunkt kein stichhaltiges Argument mehr gewesen. Für Lippmann sieht es allerdings mehr danach aus, dass die beteiligten Polizisten "mit der Situation überfordert" gewesen seien.

Für die Aus- und Fortbildung der Polizei ergäben sich daraus wichtige Aufgaben, findet der Innenexperte. "Wir brauchen in der sächsischen Polizei einen offeneren Umgang mit Fehlern und Problemen und eine umfassende politische Bildungsoffensive." Forderungen, die nicht zum ersten Mal gestellt werden. In den 1980er-Jahren in Westdeutschland hat es schon einmal eine ähnliche Debatte gegeben. Damals war die Ausgangssituation aber eine andere: Polizisten waren damals in ihrer Freizeit als Funktionsträger für die rechtsgerichtete Partei "Die Republikaner" aktiv gewesen.

Eine lange Liste an (rechten) Auffälligkeiten

Immer wieder gab es unterdessen in den vergangenen Jahren Vorwürfe, die sächsische Polizei agiere zu nachlässig gegenüber rechten Kräften, und gehe dagegen mit demonstrativer Härte gegen linke Aktivisten und Flüchtlinge vor. Eine ganze Reihe von Vorfällen lassen sich hier aufzählen.

Im Mai 2016 wurde bekannt, dass mindestens ein Leipziger Polizist enge Kontakte zur rechtsextremen und islamfeindlichen Szene pflegte. Auch Geflüchtete gerieten ins Visier: Im sächsischen Clausnitz versuchten im Februar 2016 Polizeibeamte eine Gruppe von Flüchtlingen aus einem Bus in eine Asylunterkunft zu bringen. Als ein Asylbewerber sich weigerte, auszusteigen, nimmt ein Polizeibeamter ihn in den Würgegriff. Das Video löst eine bundesweite Debatte über Polizeigewalt aus. 

Mitte September 2016 kommt es im sächsischen Bautzen zu heftigen Ausschreitungen zwischen einer Gruppe von Rechtsextremen und einer Gruppe von Flüchtlingen. Die beteiligten Rechtsextremen nennt der Polizeirevierleiter "eventbetonte Jugendliche", und handelt sich damit Ärger ein. Schlechte Erinnerungen verbinden viele auch an den Tag der deutschen Einheit im 2016 in Dresden, als ein Polizist Pegida-Demonstranten einen "erfolgreichen Tag" wünscht. Wie sich später herausstellt, stammt der Beamte nicht aus Sachsen. Dem Image der Polizei Sachsen haftete angesichts dieser Vorfälle dennoch ein Makel an.

Ministerpräsident Kretschmer hat sich hinter Sachsens Polizei gestelltBild: picture-alliance/dpa/M. Skolimowska

"Institutioneller Rassismus": Nicht mit validen Fakten belegbar

Rafael Behr ist Professor für Polizeiwissenschaften an der Akademie der Polizei Hamburg und Autor des Buches "Cop Culture - Der Alltag des Gewaltmonopols. Männlichkeit, Handlungsmuster und Kultur in der Polizei". Mit Blick auf die aktuelle Debatte in Dresden erwartet er noch viele Überraschungen, gerade was die Details der Auseinandersetzung zwischen Polizisten, Demonstrant und Journalisten angeht. In vielen Statements schwinge im Moment der unterschwellige Vorwurf mit, es gebe bei der sächsischen Polizei ein Problem von "institutionellem Rassismus", sagt der Polizeiexperte der DW. Behrs Antwort lautet darauf: "Diese Debatte lebt bisher von Vermutungen und Schlussfolgerungen, die zumindest empirisch nicht abschließend zu belegen sind."

Die zahlreichen Einzelfälle sind für ihn dabei noch keine valide Grundlage, die solche pauschalen Urteile erlauben würden. Die Polizeikräfte mit einem gewissen Label abzustempeln, helfe zudem keinem weiter, klärten nichts auf und würden nicht zur Problemlösung beitragen. "Unter den Polizisten löst das Empörung aus und produziert eine Haltung, in der es erst mal um Abwehr geht."

Nicht nur in Sachsen gelte allerdings: "Polizeikräfte sind immer geprägt durch die jeweilige Bevölkerung, in der sie arbeiten." Was das im Fall Sachsen konkret bedeutet, das gilt es herauszufinden.

Dresdens Polizeipräsident Horst Kretzschmar wies Vorwürfe der Behinderung von Reportern und einer Kooperation der Polizei mit Pegida-Demonstranten zurück. Polizeisprecher Thomas Geither sagte dem NDR-Medienmagazin Zapp, dass auch einige Polizeibeamte mit Pegida sympathisieren könnten: "Am Ende ist die Polizei ein Querschnitt der Gesellschaft. Bei uns gibt’s alle politischen Strömungen." 

Bei der Generalstaatsanwaltschaft in Dresden soll inzwischen eine Anzeige gegen die Polizei vorliegen. An diesem Freitag gibt es ein Gespräch zwischen ZDF-Reportern und der Polizei. So ist garantiert: Fortsetzung folgt.

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