Skiläufer Arif Khan aus Indien: Einzelkämpfer mit Mission
15. Februar 2022Als immer mehr Teilnehmer beim Riesenslalom der Männer auf dem Ice River in Yanqing durch Stürze oder Einfädeln vorzeitig ausschieden, ahnte Arif Khan, dass er einfach nur ins Ziel schaffen musste - Millionen von Indern verfolgten sein Rennen in der Heimat. Khan, in einem Rennanzug mit den orange-weiß-grünen Farben der indischen Flagge, wusste, dass es hier um viel mehr als nur ihn selbst geht.
Shiva Keshavan, der Indien bei den Olympischen Winterspielen 1998 in Nagano im Rennrodeln vertrat, gab Khan vor dem Rennen den Tipp, "ruhig zu bleiben, normal zu fahren, sich nicht zu überanstrengen und es so zu schaffen, dass es die Menschen hier und im ganzen Land inspiriert".
Und genau das tat Khan. Trotz des weichen Schnees, der eisigen Spurrillen und der durch heftigen Schneefall eingeschränkten Sicht gehörte der 31-jährige zu den 46 der 89 Teilnehmer, die es im ersten Lauf bis ins Ziel schafften. Er war dabei fast 38 Sekunden langsamer als der spätere Goldmedaillen-Gewinner Marco Odermatt. "Ich könnte besser fahren, als ich es heute getan habe", sagt Khan gegenüber der DW: "Aber heute ging es nur darum, mein Land zu repräsentieren und das Rennen zu beenden."
Wie Arif Khan zum Skifahrer wurde
Arif Khan wurde in Gulmarg - im indischen Bundesstaat Jummu und Kaschmir - geboren. Die schneereiche Region ist bekannt für ihre hohen Berge. Sie ziehe zudem viele Free-Skifahrer an, meint Khan. Sein Vater besitzt dort immer noch ein Skigeschäft. Als Khan vier Jahre alt war, ermutigte ihn der Vater zum Skifahren, indem er eigens für ihn einen kleinen Hügel anlegte.
Im Jahr 2008 zog Khan in die Schweiz, um seinen Traum zu verwirklichen, Indien bei den Olympischen Winterspielen zu vertreten. Er trainierte bei Schweizer Skiklubs und nahm an lokalen Rennen teil. "Was mir geholfen hat, war, verschiedene Skigebiete, verschiedene Pisten und verschiedene Bedingungen zu nutzen", erzählt der 31-Jährige.
Sein internationales Debüt gab er mit 16 Jahren bei einem FIS-Juniorenwettkampf in Yomase, Japan. Seitdem hat er an mehr als 130 internationalen Wettkämpfen teilgenommen. Im vergangenen Dezember war er der erste indische Athlet, der in zwei verschiedenen Disziplinen - Slalom und Riesenslalom - direkte Quotenplätze für die Olympischen Winterspiele erhielt.
Das Aufstehen um fünf Uhr gehört zu seiner täglichen Routine, damit er eine Stunde später in die Berge fahren und bis zum Mittag Ski fahren kann. Er trainiert teilweise immer noch in Gulmarg - auch, um der nächsten Generation indischer Skifahrer bei der Verwirklichung ihrer olympischen Träume zu helfen. Den Großteil seines Trainings absolviert er jedoch weiterhin in Europa. "Gulmarg kann als Grund- und Zwischentraining sehr gut genutzt werden", sagt Khan. "Aber später wird man eine andere Infrastruktur benötigen, um sich auf die höheren Aufgaben und Wettkämpfe vorzubereiten."
Skifahren für Indien
Infrastruktur, Finanzierung und die Entwicklung Indiens zu einem Schneesportland sind ein großer Teil seiner Motivation für die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Peking. Besonders seine Heimat-Region möchte Khan als Skisport-Destination weiter ausbauen und weltweit bekannt machen. Seine Teilnahme in Peking soll dabei helfen.
"Es ist seit 15 Jahren mein Traum, Indien bei den Olympischen Spielen zu vertreten", sagte Khan. Er ist der 22. Inder und der zwölfte alpine Skiläufer, der an einer Winterolympiade teilnimmt. Beinahe hätte Khan Indien bereits bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang vertreten, aber ihm gingen bei der Qualifikation die Kräfte aus. Nun ist er in Peking der einzige Vertreter aus seinem Land.
Khans Vater hat ihm jahrelang geholfen, seine Karriere zu finanzieren: Er benötigt etwa 100.000 Euro pro Jahr. 40 Prozent davon seien diesmal mit Hilfe von indischen Unternehmen zusammen gekommen. Er selbst muss den Rest übernehmen. "Es gab Zeiten, in denen ich aufgeben musste, aber ich habe wieder angefangen und tatsächlich an meinem Traum festgehalten", sagt er.
Nach dem gelungenen Olympia-Debüt im Riesenslalom hat Khan am Mittwoch (16.02.2022) im Slalom seinen zweiten Auftritt. "In Indien leben 1,4 Milliarden Menschen, und ich stehe stellvertretend für diese ganze Bevölkerung", sagt er. "Das bedeutet mir wirklich viel."
Aus dem Englischen adaptiert von Jörg Strohschein