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PolitikAsien

Peking fürchtet Instabilität im Nahen Osten

Mu Cui
19. Mai 2021

Laut Eigendarstellung hat Peking anders als die USA im Nahostkonflikt eine "moralische" Position. Experten aus China und Taiwan sehen das realistischer.

Weltspiegel 11.05.2021 | Israel Konflikt | Südlicher Gazastreifen Khan Yunis, israelischer Luftangriff
Israelischer Luftangriff auf Khan Yunis im Gaza-StreifenBild: Ibraheem Abu Mustafa/REUTERS

"Sie fragen mich nach Chinas nationalem Interesse im Nahostkonflikt? Ich sage: Keine Unruhe, keine Eskalation in der Region!" Im Interview mit der DW betont Li Guofu, Nahost-Experte des regierungsnahen Pekinger Thinktanks "China Institute of International Studies" (CIIS), dass China unbedingt eine friedliche und stabile Weltlage benötige, um sich weiterzuentwickeln. "Die Unruhe im Nahen Osten beeinträchtigt nicht nur das normale Leben der dortigen Bevölkerung, sie wirkt sich auch sehr negativ auf die Stabilität der ganzen Welt aus und schadet somit Chinas Aufstieg."

Peking fordert eine sofortige Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas. Die Volksrepublik, die diesen Monat den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat hat, versuchte in den vergangenen Tagen mehrmals gemeinsam mit anderen Staaten, eine dementsprechende Resolution beschließen zu lassen. Dies scheiterte jedoch am  Widerstand der USA. Außenminister Wang Yi bekräftigte die Notwendigkeit des Dialogs mit dem Ziel der Zweistaatenlösung.

Priorität für freie Fahrt für Öltanker aus der Golfregion Bild: Tommy Chia/AERIAL PHOTOGRAPHER SG/AP Photo/picture alliance

Chinas Wirtschaftsinteressen

Für Chinas Wirtschaft und Energieversorgung spielt die Nahostregion eine bedeutende Rolle, diese deckt etwa die Hälfte seines Öl- und Gasbedarfs. Containerschiffe, die zwischen China und Europa Güter im Wert von vielen Milliarden Euro transportieren, müssen den Suezkanal passieren. "Der israelisch-palästinensische Konflikt ist das Kernproblem der Region," sagte Politikwissenschaftler Li Guofu. "Solange es keine vollständige, gerechte und nachhaltige Lösung für diesen Konflikt gibt, hört die Unruhe nicht auf. Und das hat negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen China und vielen Staaten in der Region."

Darüber hinaus spielt Israel eine bedeutende Rolle in Pekings globaler Wirtschaftsstrategie. In Forschung und Technologie arbeiten beide Seiten eng zusammen. Auch beim Ausbau der sogenannten "neuen Seidenstraße" Chinas ist Israel eingebunden: Chinesische Investoren sind an Hafenausbauprojekten beteiligt, ebenso an einer geplanten Eisenbahnlinie zwischen Eilat am Roten Meer und Ashdod südlich von Tel Aviv; allerdings ist dieses Bauprojekt derzeit auf Eis gelegt.

Nach Angaben des chinesischen Handelsministeriums ist der chinesisch-israelische Handelsverkehr 2020 um knapp 19 Prozent auf rund 17,5 Milliarden US-Dollar angestiegen. Im gleichen Zeitraum erreichte der Handelsaustausch mit den palästinensischen Gebieten ein Volumen von 100 Millionen US-Dollar.

Einwohner der Stadt Gaza nach israelischen LuftangriffenBild: Majdi Fathi/NurPhoto/imago images

Verbale Unterstützung für Palästinenser

Bao Hsiu-Ping, Nahost-Experte an Taiwans National Chi Nan-Universität, sagt im Gespräch mit der DW, China stehe offiziell zwar seit Jahrzehnten stets auf der Seite der Palästinenser, allerdings sei diese Unterstützung im Wesentlichen auf die verbale Ebene begrenzt, Peking habe allenfalls einige Kleinwaffen geliefert. Wegen einer aktiven Kampagne der israelischen Regierung in chinesischen Medien und Hochschulen sei im aktuellen Konflikt aber "zumindest ein Teil der chinesischen Bevölkerung auf der Seite Israels", hat Bao Hsiu-Ping von Taiwan aus beobachtet.

Auf der Pressekonferenz des chinesischen Außenministerium am Montag stellte ein Reporter des in Katar ansässigen Senders Al Dschasira die Frage, warum China Israels militärisches Vorgehen in Gaza nicht eindeutig kritisiert habe. Sprecher Zhao Lijian antwortete: "Nur sehr wenige Leute sind der Meinung, dass China Israel nicht eindeutig kritisiere." China verurteile die Gewalt gegen Zivilisten, "insbesondere Israel soll sich zurückhalten und mit Gewalt, Einschüchterung und Provokation aufhören."

Politikwissenschaftler Bao rechnet nicht mit einer aktiveren chinesischen Rolle im Nahostkonflikt. "Chinas Interessen sind dort auf funktionierende Wirtschaftsbeziehung fokussiert. Vor allem sollen die Öllieferungen und Schifffahrtsrouten nicht unterbrochen werden. Im Übrigen wird China offiziell an seinem Prinzip der Nichteinmischung festhalten."

Außenamtssprecher Zhao Lijian: "China tritt für Gerechtigkeit und Fairness ein"Bild: picture-alliance/Kyodo

Chinesische Image-Pflege

Peking behauptet, im Gegensatz zu den USA eine auf Werten beruhende Position einzunehmen. Durch seinen Widerstand gegen eine Resolution mit der Forderung nach sofortiger Waffenruhe habe Washington sich "in beispielloser Weise im Sicherheitsrat isoliert und sich in Opposition zum Gewissen und zur Moral der Menschheit begeben", so Sprecher Zhao Lijian laut der offiziellen englischen Version auf der Webseite des chinesischen Außenministeriums. Weiter heißt es dort: "China steht für Fairness und Gerechtigkeit in internationalen Angelegenheiten ein, während für die USA  nur die eigenen nationalen Interessen zählen. Die Position der USA ist von der Nähe der USA zu beteiligten Seiten diktiert."

Der Pekinger Politikwissenschaftler Li Guofu meint, dass Washington durch seine Position in der aktuellen Zuspitzung des Nahostkonflikts sein Ziel gefährden könnte, wieder eine internationale Führungsposition einzunehmen. Hier tue sich insbesondere eine Kluft zur EU auf, wo die Tötung einer großen Zahl palästinensischer Zivilisten nicht akzeptiert werde. Für China sei das vorteilhaft, führt Li Guofu aus: "Solange Peking sich weiterhin auf internationaler Ebene für die Grundrechte der Palästinenser einsetzt, wird Chinas Image verbessert, während dasjenige Amerikas beschädigt wird."

Mitarbeit: Tzung-Han Tsou

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