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PolitikChina

Peking: Deutsche China-Strategie ist "kontraproduktiv"

Yuchen Li aus Taipeh
14. Juli 2023

Nach der Veröffentlichung der ersten China-Strategie erhält Deutschland klare Kritik seitens der Regierung in Peking, die aber die Türen offen halten will: China bleibe ein zuverlässiger Partner Deutschlands.

Wang Wenbin, Sprecher des chinesiches Außeministerium Chinas
Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang WenbinBild: Mark Schiefelbein/AP

Als hätte Peking es geahnt. Noch Stunden bevor die Bundesregierung ihre erste China-Strategie am Donnerstag (13.07.) verabschiedete, trat Wang Wenbin vor die internationale Presse im Briefing-Raum des chinesischen Außenministeriums an der zweiten Ringstraße in Peking. "Einige Politiker von den USA und Europa fordern verstärkt 'Derisking' gegenüber China. Was ist Ihr Kommentar dazu?", wollte eine Journalistin des chinesischen Staatsfernsehens CCTV wissen.

Eine Steilvorlage für den Außenamtssprecher: "Wenn wir über Derisking sprechen, müssen wir uns im Klaren sein, was die Risiken sind und warum sie entstehen", sagte Wang mit ernster Miene. "In der heutigen Welt stellt die ablehnende Haltung zu internationaler Zusammenarbeit das größte Risiko dar, Stagnation die größte Unsicherheit. China ist eine Chance, kein Risiko. China als Ursprung von Risiken zu betrachten, ist eine fatale Fehleinschätzung."

Am Freitag trat Wang noch einmal vor die Presse. Die China-Strategie der Bundesregierung ist nun amtlich. Wangs Worte waren deutlicher und zielgerichteter. Die China-Strategie sei kontraproduktiv, sagte er und warf der Bundesregierung Protektionismus vor. "Sie verschärft nur noch die Spaltung der Welt. China hofft, dass Deutschland die Entwicklung in China umfassend und objektiv betrachtet", sagte Wang. 

Bundesaußenministerin Baerbock (r.) mit Chinas Amtskollegen Qin im Mai in BerlinBild: Michael Kappeler/Pool via REUTERS

Deutscher Dreiklang: China als "Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale"

Im Gegensatz zu den sonst üblichen langen Plädoyers gegen die USA fiel Wangs Reaktion zu Deutschland eher schmallippig aus. Für China sind die Beziehungen zu Deutschland und Europa vor dem Hintergrund zunehmender geopolitischer Spannung viel zu wichtig. Dass der neue Premier Li Qiang auf seiner ersten Auslandsreise nach Deutschland kam, ist ein starkes Signal des guten Willens von Peking, diese traditionell durch engen wirtschaftlichen Austausch geprägte Partnerschaft nach Ende der Pandemie wieder anzukurbeln. Und Wang war dabei.

In dem 61-seitigen Positionspapier schloss sich die Bundesregierung der EU-Einschätzung zu China an: "China ist für Deutschland gleichzeitig Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale". Mit diesem Grundsatz will Deutschland "gemeinsam in Europa und mit internationalen Partnern" neue Rahmenbedingungen beim Umgang mit China definieren.

"Es ist wichtig, dass unsere Gesellschaft sich dieser Realität stellt", sagt Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bei der Präsentation der China-Strategie am Donnerstag.

Chinas Premier Li besucht Siemens in München Bild: Ding Haitao/Xinhua News Agency/picture alliance

Deutschlands Einschätzung "realitätsfern"

Noch bevor die grüne Politikerin das Podium in der Berliner Denkfabrik Merics verlassen konnte, veröffentlichte die chinesische Botschaft in Berlin ihre ersten Reaktionen, allerdings nur auf Chinesisch. "China ist Deutschlands Partner in der Bewältigung von Herausforderungen und kein Gegner", hieß es übersetzt in Deutsch. Es liege nicht im Interesse beider Staaten, China als Wettbewerber und systemischen Rivalen zu betrachten. Die Einschätzung sei realitätsfern. Eine ideologische Betrachtungsweise Chinas verschärfe Missverständnisse und schade dem gegenseitigen Vertrauen, so die Stimme vom Märkischen Ufer in Berlin.

"Ein gewagter Balanceakt", sagt der chinesische Politologe Wu Qiang im Interview mit der DW. Die Bundesregierung habe so die freie Auswahl, in welche Richtung des Dreiklangs sie die Beziehung mit China gestalten wolle. "Das ist vorbildlich für wertebasierten Pragmatismus. Die große Frage ist natürlich, wie die China-Strategie umgesetzt wird."

Bei den letzten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin warb Chinas Ministerpräsident Li Qiang für mehr Vertrauen. Bildlich sagte er im Austausch mit deutschen Konzernchefs, man solle nicht nur nach unten gucken, wenn es regnet. "Zu wissen, wo es schlammig ist, hilft uns nicht. Also Kopf hoch, wir werden schon den Regenbogen sehen", sagte Li und verbreitete Optimismus und Zuversicht.

Familienfoto nach deutsch-chinesischen RegierungskonsultationenBild: FABRIZIO BENSCH/REUTERS

Ziele von Li Qiangs Werbetour in Berlin nicht erreicht

Nun fordert die China-Strategie die deutschen Unternehmen auf, dass die Menschenrechte in der Lieferkette nicht verletzt werden. Das gehöre zur wirtschaftlichen Sicherheit, so Bundesaußenministerin Baerbock. "Wenn wir das akzeptieren würden, wäre das eine Wettbewerbsverzerrung, insbesondere für europäische Unternehmen."

"Die Strategie wird schon chinesische Diplomaten enttäuschen. Die Ziele nach Li Qiangs Werbetour in Berlin sind nicht erreicht", sagte Politologe Wu. China und Deutschland sollten dort zusammenarbeiten, wo gemeinsame Interessen bestünden. "Sobald es um kritische Themen wie Menschenrechte geht, ist es zu befürchten, dass sich die Differenzen noch vergrößern werden."

 

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