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Politik

Pekings lange Arme

Friederike Mayer aus Hamburg | Oliver Pieper
31. August 2019

In Hamburg protestierten Hongkonger gegen das Vorgehen Chinas in der früheren Kronkolonie. Die Stadt ist wichtig für den Handel mit China - und bei den Protesten zeigt sich, wie weit Pekings Einfluss reicht.

Deutschland Hamburg Solidaritätskundgebung für Hongkong am Jungfernstieg
Friedliche Proteste in Hamburg: Hongkonger gegen Chinas Vorgehen in der HeimatBild: DW/F. Mayer

Sie tragen Mundschutz und schwarze Kleidung. Einige von ihnen haben sich ein Auge zugeklebt, als solidarische Geste für jene Demonstranten in Hongkong, die von Gummigeschossen im Gesicht getroffen wurden. Mitten in der Hamburger Innenstadt haben sich mehrere Dutzend Menschen zu einer Kundgebung versammelt, "Stand with Hong Kong" ist das Motto. Es ist der fünfte Jahrestag der sogenannten Regenschirm-Bewegung für Demokratie. In vielen Städten weltweit sind an diesem Tag Demonstrationen angekündigt, um auf die Lage in Hongkong aufmerksam zu machen.

Nur wenige Stunden zuvor eskalierten die Proteste in der ehemaligen britischen Kronkolonie erneut. Demonstranten durchbrachen Polizeisperren und versuchten, das Parlament zu stürmen. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas und Wasserwerfer ein, deren Wasser blau eingefärbt war, offenbar um die Protestierenden später besser identifizieren zu können.

"Politisches Asyl für unterdrückte Hongkonger"

In der Hamburger Innenstadt dagegen ist es friedlich. Eine kleine Gruppe versammelt sich direkt am Ufer der Alster. Die meisten von ihnen sind junge Hongkonger Mitte Zwanzig, die in Hamburg studieren. Aber auch viele Deutsche haben sich dazugestellt. Die Demonstranten halten selbstgemalte Schilder in die Höhe und verteilen Flyer. Mit einem Megafon rufen sie Slogans wie "Kämpft für Freiheit, kämpft für Hongkong!" oder "Demokratie sofort!" auf Deutsch und Englisch.

Der Protest von Hongkongern in Hamburg beginnt kleinBild: DW/F. Mayer

"Wir wollen Solidarität zeigen mit den Demonstranten in Hongkong", sagt eine in Hamburg lebende Hongkongerin. "Die Regierung ignoriert die Forderungen der Menschen", meint die 25-Jährige, die ihren Namen, genau wie alle anderen, nicht nennen will. "Wir wollen, dass sich die deutsche Regierung für die unterdrückten Menschen in Hongkong einsetzt und auch gegebenenfalls politisches Asyl anbietet."

Drohungen gegen Hongkonger Demonstranten

Viel Presse ist gekommen. Die Polizei ist mit drei Mannschaftswagen vor Ort. Man wolle diesmal besser vorbereitet sein, sagt ein Polizist. Denn zwei Wochen zuvor, am 17. August, hatten in Hamburg lebende Hongkonger schon einmal ganz in der Nähe protestiert. Was als friedliche Kundgebung begonnen hatte, führte zu lautstarken Auseinandersetzungen mit regimetreuen Chinesen. Beobachter berichten, diese hätten die Teilnehmer provoziert, sangen die chinesische Nationalhymne und filmten und fotografierten die Teilnehmer. Diese Aufnahmen würden sie an das chinesische Konsulat weiterleiten, drohten sie.

Am Ende rund 75 Demonstranten: Hongkonger protestieren in Hamburg gegen Chinas EinflussBild: DW/F. Mayer

In Hamburg gibt es eine große chinesische Gemeinschaft, rund 10.000 Chinesen leben in der Stadt. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und China sind eng. 2018 war China mit einem Handelsvolumen von 199,3 Milliarden Euro zum dritten Mal hintereinander wichtigster Handelspartner Deutschlands. Dabei spielt Hamburg eine wichtige Rolle: In keiner anderen deutschen Stadt sind mehr chinesische Unternehmen angesiedelt und der Handel mit China hat für den Hamburger Hafen, den größten Deutschlands, eine herausragende Bedeutung - jeder dritte Container, der dort umgeschlagen wird, kommt aus China. Die Stadt selbst bezeichnet sich stolz als "Chinas Tor zu Europa". Und sie bemüht sich auch darum, Teil Chinas "Neuer Seidenstraße" zu werden.

Ein Gefühl von Bedrohung

Ein 26-jähriger Hongkonger, der seit über einem Jahr in Hamburg studiert, hat den Protest mitorganisiert. Er war auch bei der letzten Kundgebung  dabei. "Wir hatten vorher eine Information bekommen, dass etwa hundert Chinesen kommen wollten. Das hat uns Angst gemacht, aber wir konnten nicht zurück", sagt er. "Die Demonstranten in Hongkong nehmen so viel auf sich. Was wir dagegen hier tun können, ist da nur sehr wenig."

Auch Lian, eine Studentin aus Hongkong, die seit sieben Jahren in Deutschland lebt, teilt diese Meinung. Bei der letzten Demonstration zwei Wochen zuvor hatte sie ihren Mundschutz kurzzeitig abgenommen. Das Foto ihres Gesichts, vergrößert und eingekreist, zirkulierte daraufhin in Chatgruppen von in Hamburg lebenden Chinesen. "Ich fühlte mich schlecht, aber nicht, weil ich etwas Falsches gemacht habe. Die wollen, dass wir Angst haben - aber das hat ja offensichtlich nicht geklappt, wir sind heute viel mehr Leute als das letzte Mal", sagt sie und weist auf Demonstranten, die eine Menschenkette gebildet haben. Ihren chinesischen Namen hat sie nach der letzten Kundgebung von Facebook gelöscht. Auch "Lian" ist nur ein Pseudonym. Es sei ein unangenehmes Gefühl, sagt sie, ein Gefühl diffuser Bedrohung, das sie und alle anderen nun begleite.

Hongkonger Studentin "Lian": "Sie wollen, dass wir Angst haben"Bild: DW/F. Mayer

Mittlerweile haben sich laut Polizei rund 75 Menschen versammelt. Gegendemonstranten gibt es bei der Kundgebung nicht. Ein Mann, der die Demonstranten mit seinem Handy unauffällig filmt, meint, er wolle es seinen Verwandten in Hongkong schicken. Seine Eltern stammten von dort, er selbst sei in Hamburg geboren und aufgewachsen. Die Situation in Hongkong sei schlimm, es gehe den jungen Menschen schlecht, meint er. Auf Nachfrage nennt er aber nicht politische Rechte, sondern den "zerstörerischen Kapitalismus".

Schwierige Gespräche

Von den erneuten Protesten in Hamburg hat der Bürgermeister, der Sozialdemokrat Peter Tschentscher, nichts mitbekommen. Am 24. August reiste er mit einer 50-köpfigen Delegation in Hamburgs Partnerstadt Shanghai. Die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Hamburg und Shanghai reichen bis weit ins 19. Jahrhundert zurück, seit 1986 besteht die Partnerschaft zwischen den beiden Metropolen. Beim Mittagessen mit dem stellvertretenden Bürgermeister Shanghais, Xu Kunlin, sprach Tschentscher auch die aktuelle Situation in Hongkong an und betonte, wie wichtig eine stabile Lage dort auch für Hamburger Unternehmen sei.

"Grundsätzlich geht es uns um die Themen Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft", äußerte sich der SPD-Politiker öffentlich. "Wir werden uns an die Sprachregelung der Bundesregierung halten." Man werde die Situation "nicht in den öffentlichen Runden, aber am Rande unserer Treffen ansprechen, wenn es sich ergibt."

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