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Politik

Pelzmode - ein Auslaufmodell?

Mirjam Benecke
9. November 2020

In Dänemark werden Millionen Nerze getötet, weil sich auf Farmen eine Mutation des Coronavirus ausbreitet. Damit beschleunigt die Pandemie einen jahrelangen Trend: Europa will weg vom Pelz. Dennoch boomt das Geschäft.

Coronavirus - Dänemark | Getötete Nerze
Bild: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix/dpa/picture alliance

Die Zahl löste Überraschung und Empörung aus: 17 Millionen. So viele Nerze werden in Dänemark - in einem Land, in dem etwa 5,8 Millionen Menschen leben - für die Pelzzucht gehalten. Alle Tiere werden in den nächsten Tagen und Wochen notgeschlachtet. Der Grund: Seit Juni haben sich laut der dänischen Gesundheitsbehörde mindestens 214 Menschen mit einer ursprünglich bei Nerzen aufgetretenen Mutation des Coronavirus infiziert.

Damit ist Dänemark kein Einzelfall. Auch in den Niederlanden und Spanien waren im Sommer auf mehr als 40 Nerzfarmen Infektionen mit dem Coronavirus festgestellt worden. Alle Tiere der betroffenen Betriebe mussten getötet werden. 

In den sozialen Medien sorgten die Bilder von übereinandergestapelten toten Nerzen für jede Menge Empörung. Auf Twitter fragten Nutzer: Wer kauft denn bitte heutzutage noch Pelz?

Europa ist größter Exporteur von Pelzen

Jedes Jahr werden laut der Tierschutzorganisation Vier Pfoten weltweit mehr als 95 Millionen Nerze, Füchse, Marderhunde, Kaninchen und andere Pelztiere gezüchtet und getötet, um als Jacken und Mäntel, vor allem aber als Kragen, Kapuze oder Bommel an Mützen zu enden. Der Jahresumsatz der Pelzwirtschaft wurde vom Internationalen Pelzhandelsverband im Jahr 2012 auf 15,1 Milliarden US-Dollar geschätzt - davon entfielen 4,5 Milliarden auf EU-Länder.

Trotz Jahrzehnten mit Anti-Pelz-Kampagnen: Pelz boomt, hier mit einer Modekollektion 2012Bild: picture-alliance/dpa/H. Ballhausen

Europa gilt nach wie vor als weltweit größter Exporteur von Pelzen. Zwar sind der Import und Handel mit Robben-, Hunde- und Katzenfellen verboten. Ein allgemeines Verbot der Pelztierhaltung scheiterte bislang allerdings an der Haltung der Skandinavier - insbesondere Finnlands und Dänemarks. Dort ist die Pelzzucht immer noch ein wichtiger Wirtschaftszweig.

"Allein aus Gründen des Tierschutzes braucht es endlich ein Ende der Pelztierhaltung - in Europa und weltweit", fordert Henriette Mackensen, Fachreferentin für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund. "Zusammengepfercht in Käfigen sind Pelztiere zur Bewegungslosigkeit verdammt. Sie vegetieren dahin und entwickeln Verhaltensstörungen, die bis zur Selbstverstümmelung oder zu Kannibalismus führen."

Nerze werden meist in Käfigen gehalten, die kaum größer als ein Schuhkarton sindBild: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix/dpa/picture alliance

Weniger Pelzfarmen in Europa

Immer mehr europäische Länder schützen Pelztiere inzwischen durch strengere nationale Regeln. In Österreich, Großbritannien, Kroatien, Slowenien, Bosnien und Herzegowina, Serbien und Mazedonien sind Pelzfarmen mittlerweile verboten. Frankreich hat ebenfalls das Ende seiner Zuchtfarmen angekündigt. Andere Staaten, wie zum Beispiel Deutschland oder die Schweiz, haben harte Bestimmungen erlassen, die die Zucht von Nerz, Fuchs oder Marderhund wirtschaftlich unrentabel machen. In Deutschland schloss die letzte Nerzfarm 2019 ihre Pforten.

Nach den COVID-19-Ausbrüchen haben auch die Niederlande das vorzeitige Aus für Pelzfarmen beschlossen. Bis zum 1. März 2021 müssen dort alle Nerzzüchter den Betrieb einstellen. In vielen anderen europäischen Ländern sind Verbotsregelungen derzeit in der politischen Diskussion.

In Polen protestierten Farmer im September gegen ein Pelzfarm-Verbot - jedoch ohne ErfolgBild: Czarek Sokolowski/AP/picture alliance

Im Oktober untersuchte die internationale Tierschutzorganisation Vier Pfoten, wie die deutsche Bevölkerung zum Verkauf von Echtpelzmode steht. Das Ergebnis der Studie mit etwa 1000 Befragten zeigt ein eindeutiges Bild: 84 Prozent der Deutschen lehnen das Halten und Töten von Tieren zur Gewinnung von Pelz für die Modeindustrie ab. 76 Prozent empfinden den Verkauf von Echtpelz als nicht mehr zeitgemäß.

Einst Statussymbol, heute Accessoire

Der Pelzmantel gilt in Mitteleuropa längst nicht mehr als das Statussymbol schlechthin. Das liegt auch an der Arbeit etlicher Tierschutzinitiativen, die seit den 1980er Jahren auf die Missstände in Pelzfarmen aufmerksam machen.

Tierschutz-Aktivisten protestieren in Barcelona gegen den internationalen Fellhandel (Archivbild, 2019)Bild: Getty Images/AFP/P. Barrena

Doch Pelz ist noch längst nicht aus den Schaufenstern verschwunden. Gerade im Winter gehören Mäntel mit Pelzkragen oder Mützen mit Echtfell-Bommel zur Mode. Das Problem: Oft wissen Verbraucher und Verbraucherinnen gar nicht, dass sie totes Tier tragen. Wegen der niedrigen Preise gehen Kunden schnell davon aus, dass kein echtes Tierfell, sondern Kunstfell angenäht wurde. Hinter vermeintlichem Kunstfell verbirgt sich aber immer wieder Echtfell, oftmals vom Marderhund. Sein Fell wird besonders billig auf dem Markt angeboten.

China ist das Land, das weltweit die meisten Marderhunde züchtet - allerdings unter erbärmlichen Bedingungen. In dem asiatischen Land existieren weder ein Tierschutzgesetz mit allgemeinen Vorgaben noch verbindliche Anforderungen für die Haltung von Pelztieren. Anders als in Europa steigt die Nachfrage nach Pelz dort. Auch in Korea, der Ukraine und Südamerika ist Pelz laut Internationalem Pelzhandelsverband wieder auf dem Vormarsch.

Das Hauptargument der Pelzindustrie: Fell ist Nachhaltigkeit pur. "Fell ist von Natur aus langlebig und biologisch abbaubar - im Gegensatz zu den meisten synthetischen Stoffen", sagt Juozas Olekas, Europapolitiker und Vorsitzender des Substainable Fur Forums (SFF).

Pelz: Naturmaterial oder Öko-Killer?

Tierschutzorganisationen weisen allerdings darauf hin, dass Felle unter hohem Chemikalieneinsatz haltbar gemacht werden. Außerdem gehe der Trend weg vom reinen Pelzmantel und hin zu Fellkragen, Bommeln oder anderen Accessoires, die kaum Auswirkungen auf die Haltbarkeit eines Kleidungsstücks haben.

"Die Zucht von Tieren gehört generell zu den größten Klimakillern unserer Zeit", so die Tierschutzorganisation Peta, "von der Produktion von Futtermitteln bis hin zu den nitrathaltigen Ausscheidungen der Tiere auf Pelzfarmen."

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