In Dänemark werden Millionen Nerze getötet, weil sich auf Farmen eine Mutation des Coronavirus ausbreitet. Damit beschleunigt die Pandemie einen jahrelangen Trend: Europa will weg vom Pelz. Dennoch boomt das Geschäft.
Die Zahl löste Überraschung und Empörung aus: 17 Millionen. So viele Nerze werden in Dänemark - in einem Land, in dem etwa 5,8 Millionen Menschen leben - für die Pelzzucht gehalten. Alle Tiere werden in den nächsten Tagen und Wochen notgeschlachtet. Der Grund: Seit Juni haben sich laut der dänischen Gesundheitsbehörde mindestens 214 Menschen mit einer ursprünglich bei Nerzen aufgetretenen Mutation des Coronavirus infiziert.
Damit ist Dänemark kein Einzelfall. Auch in den Niederlanden und Spanien waren im Sommer auf mehr als 40 Nerzfarmen Infektionen mit dem Coronavirus festgestellt worden. Alle Tiere der betroffenen Betriebe mussten getötet werden.
In den sozialen Medien sorgten die Bilder von übereinandergestapelten toten Nerzen für jede Menge Empörung. Auf Twitter fragten Nutzer: Wer kauft denn bitte heutzutage noch Pelz?
Europa ist größter Exporteur von Pelzen
Jedes Jahr werden laut der Tierschutzorganisation Vier Pfoten weltweit mehr als 95 Millionen Nerze, Füchse, Marderhunde, Kaninchen und andere Pelztiere gezüchtet und getötet, um als Jacken und Mäntel, vor allem aber als Kragen, Kapuze oder Bommel an Mützen zu enden. Der Jahresumsatz der Pelzwirtschaft wurde vom Internationalen Pelzhandelsverband im Jahr 2012 auf 15,1 Milliarden US-Dollar geschätzt - davon entfielen 4,5 Milliarden auf EU-Länder.
Trotz Jahrzehnten mit Anti-Pelz-Kampagnen: Pelz boomt, hier mit einer Modekollektion 2012Bild: picture-alliance/dpa/H. Ballhausen
Europa gilt nach wie vor als weltweit größter Exporteur von Pelzen. Zwar sind der Import und Handel mit Robben-, Hunde- und Katzenfellen verboten. Ein allgemeines Verbot der Pelztierhaltung scheiterte bislang allerdings an der Haltung der Skandinavier - insbesondere Finnlands und Dänemarks. Dort ist die Pelzzucht immer noch ein wichtiger Wirtschaftszweig.
"Allein aus Gründen des Tierschutzes braucht es endlich ein Ende der Pelztierhaltung - in Europa und weltweit", fordert Henriette Mackensen, Fachreferentin für Artenschutz beim Deutschen Tierschutzbund. "Zusammengepfercht in Käfigen sind Pelztiere zur Bewegungslosigkeit verdammt. Sie vegetieren dahin und entwickeln Verhaltensstörungen, die bis zur Selbstverstümmelung oder zu Kannibalismus führen."
Nerze werden meist in Käfigen gehalten, die kaum größer als ein Schuhkarton sindBild: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix/dpa/picture alliance
Weniger Pelzfarmen in Europa
Immer mehr europäische Länder schützen Pelztiere inzwischen durch strengere nationale Regeln. In Österreich, Großbritannien, Kroatien, Slowenien, Bosnien und Herzegowina, Serbien und Mazedonien sind Pelzfarmen mittlerweile verboten. Frankreich hat ebenfalls das Ende seiner Zuchtfarmen angekündigt. Andere Staaten, wie zum Beispiel Deutschland oder die Schweiz, haben harte Bestimmungen erlassen, die die Zucht von Nerz, Fuchs oder Marderhund wirtschaftlich unrentabel machen. In Deutschland schloss die letzte Nerzfarm 2019 ihre Pforten.
Nach den COVID-19-Ausbrüchen haben auch die Niederlande das vorzeitige Aus für Pelzfarmen beschlossen. Bis zum 1. März 2021 müssen dort alle Nerzzüchter den Betrieb einstellen. In vielen anderen europäischen Ländern sind Verbotsregelungen derzeit in der politischen Diskussion.
In Polen protestierten Farmer im September gegen ein Pelzfarm-Verbot - jedoch ohne ErfolgBild: Czarek Sokolowski/AP/picture alliance
Im Oktober untersuchte die internationale Tierschutzorganisation Vier Pfoten, wie die deutsche Bevölkerung zum Verkauf von Echtpelzmode steht. Das Ergebnis der Studie mit etwa 1000 Befragten zeigt ein eindeutiges Bild: 84 Prozent der Deutschen lehnen das Halten und Töten von Tieren zur Gewinnung von Pelz für die Modeindustrie ab. 76 Prozent empfinden den Verkauf von Echtpelz als nicht mehr zeitgemäß.
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Einst Statussymbol, heute Accessoire
Der Pelzmantel gilt in Mitteleuropa längst nicht mehr als das Statussymbol schlechthin. Das liegt auch an der Arbeit etlicher Tierschutzinitiativen, die seit den 1980er Jahren auf die Missstände in Pelzfarmen aufmerksam machen.
Tierschutz-Aktivisten protestieren in Barcelona gegen den internationalen Fellhandel (Archivbild, 2019)Bild: Getty Images/AFP/P. Barrena
Doch Pelz ist noch längst nicht aus den Schaufenstern verschwunden. Gerade im Winter gehören Mäntel mit Pelzkragen oder Mützen mit Echtfell-Bommel zur Mode. Das Problem: Oft wissen Verbraucher und Verbraucherinnen gar nicht, dass sie totes Tier tragen. Wegen der niedrigen Preise gehen Kunden schnell davon aus, dass kein echtes Tierfell, sondern Kunstfell angenäht wurde. Hinter vermeintlichem Kunstfell verbirgt sich aber immer wieder Echtfell, oftmals vom Marderhund. Sein Fell wird besonders billig auf dem Markt angeboten.
China ist das Land, das weltweit die meisten Marderhunde züchtet - allerdings unter erbärmlichen Bedingungen. In dem asiatischen Land existieren weder ein Tierschutzgesetz mit allgemeinen Vorgaben noch verbindliche Anforderungen für die Haltung von Pelztieren. Anders als in Europa steigt die Nachfrage nach Pelz dort. Auch in Korea, der Ukraine und Südamerika ist Pelz laut Internationalem Pelzhandelsverband wieder auf dem Vormarsch.
Auch Hunde und Katzen infizieren sich oft mit Corona
Hunde und Katzen stecken sich offenbar relativ häufig bei ihren mit Corona infizierten Besitzern an. Auch sie zeigen Symptome, aber meistens verläuft die Erkrankung glimpflich.
Bild: DW/F. Schmidt
Bei Corona-Infektion besser Abstand halten
So ist es richtig: Hat der Mensch COVID-19, sollte der Hund besser mit seinem Plüschtier kuscheln. Forscher aus Utrecht hatten 2021 Nasenabstriche und Blutproben bei 48 Katzen und 54 Hunden genommen, deren Herrchen und Frauchen in den letzten 200 Tagen zuvor an COVID-19 erkrankt waren. Und siehe da: In 17,4% der Fälle wurden sie fündig. 4,2 Prozent der Tiere hatten auch Symptome gezeigt.
Bild: Fabian Schmidt/DW
Auch Tiere können krank werden
Damit waren etwa ein Viertel der Tiere, die sich angesteckt hatten, auch erkrankt. Obwohl bei den meisten Tieren der Verlauf mild war, zeigten drei von ihnen schwere Verläufe. Dennoch geben Mediziner Entwarnung: Haustiere spielen in der Epidemie keine wichtige Rolle. Viel wahrscheinlicher ist die Übertragung von Mensch zu Mensch.
Bild: Fabian Schmidt
Katzen als Virusschleuder?
Dass sich Katzen mit Coronaviren infizieren können, ist bereits seit März 2020 bekannt. Damals hatte das Tiermedizinische Forschungsinstitut im chinesischen Harbin erstmals gezeigt, dass sich das neuartige Coronavirus in Katzen vermehren kann. Die Stubentiger können das Virus auch an Artgenossen weitergeben, allerdings nicht sehr leicht, sagte damals Tierarzt Hualan Chen.
Bild: picture-alliance/dpa/K-W. Friedrich
Keine Sorge!
Katzen- und Hundehalter sollten jedoch nicht in Panik geraten: Die Tiere bilden schnell Antikörper gegen das Virus, bleiben also nicht sehr lange ansteckend. Wer akut an COVID-19 erkrankt ist, sollte den Freigang für Hauskatzen vorübergehend einschränken. Gesunde Menschen sollten sich nach dem Streicheln fremder Tiere gründlich die Hände waschen.
Bild: picture-alliance/imageBroker
Wer steckt hier wen an?
Sollte dieses Hausschwein beim Gassigehen in Rom besser Abstand zum Hund halten? Das muss nun möglicherweise auch neu bewertet werden. Schweine kommen als Reservoir für das Coronavirus kaum in Frage, hatten die Harbiner Tierärzte noch 2020 gesagt. Aber sie hatten damals auch Hunde von dem Verdacht freigesprochen. Gilt das also noch?
Bild: Reuters/A. Lingria
Wenn der Mensch zur Gefahr wird
Die vier Jahre alte malaysische Tigerkatze Nadia war eine der ersten Wildkatzen, bei der 2020 das Virus nachgewiesen wurde - in einem New Yorker Zoo. "Es ist - unseres Wissen nach - das erste Mal, dass ein wildes Tier sich durch einen Menschen mit COVID-19 angesteckt hat", sagte der leitende Tierarzt des Zoos dem Magazin "National Geographic".
Bild: Reuters/WCS
Immer wieder Infektionen in Zoos
Anfang Dezember 2021 wurden zwei Nilpferde im Zoo von Antwerpen in Belgien positiv auf das Coronavirus getestet. Beide Tiere, Mutter Hermien und Tochter Imani, hatten Schnupfen. Ansonsten ging es ihnen gut. Der Zoo musste vorübergehend schließen und die Nilpferde in Quarantäne stecken.
Bild: alimdi/imago images
Werden Fledermäuse zu Unrecht beschuldigt?
Andererseits ist klar: Das Virus stammt ursprünglich aus der Wildnis. Bisher gelten Fledermäuse als wahrscheinlichstes Reservoir von SARS-CoV-2. Allerdings gehen Tiermediziner davon aus, dass es im Dezember 2019 in Wuhan noch eine andere Art als Zwischenwirt zwischen ihnen und dem Menschen gegeben haben muss. Nur welche Art das sein könnte, ist bisher unklar.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/AGAMI/T. Douma
Der Hauptverdächtige
Dieser Marderhund ist Träger bekannter SARS-Viren. Virologe Christian Drosten brachte ihn deshalb als potentielle Virusschleuder ins Gespräch. "Marderhunde werden in China in großem Stil gefangen oder auf Farmen wegen ihres Fells gezüchtet", sagte er. Für Drosten ist der Marderhund klar der Hauptverdächtige.
Bild: picture-alliance/ImageBroker/C. Krutz
Oder doch dieser Verdächtige?
Schuppentiere, auch Pangolins genannt, stehen im Verdacht, der Zwischenwirt des Virus zu sein. Forscher aus Hong Kong, China und Australien konnten jedenfalls in malaysischen Schuppentieren ein Virus nachweisen, dass dem SARS-CoV-2 verblüffend ähnlich ist. Die Studie wurde am 26. März 2020 in Nature veröffentlicht. Schuppentiere werden illegal auf chinesischen Wildtiermärkten gehandelt.
Bild: Reuters/Kham
Quarantäne für Frettchen
Auch mit Frettchen hat Hualan Chen experimentiert. Das Ergebnis: In den kratzbürstigen Mardern kann sich SARS-CoV-2 genauso wie in Katzen vermehren. Die Übertragung zwischen den Tieren erfolgt als Tröpfcheninfektion. Ende 2020 mussten weltweit zehntausende Marder in verschiedenen Pelztierfarmen getötet werden, weil sich Tiere mit SARS-CoV-2 infiziert hatten.
Für den Umgang mit Geflügel - hier ein Händler in Wuhan - geben die Experten Entwarnung. Der Mensch muss sich keine Sorgen machen, denn Hühner sind praktisch immun gegen SARS-CoV-2. Das gilt übrigens auch für Enten und weitere Arten.
Bild: Getty Images/China Photos
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Das Hauptargument der Pelzindustrie: Fell ist Nachhaltigkeit pur. "Fell ist von Natur aus langlebig und biologisch abbaubar - im Gegensatz zu den meisten synthetischen Stoffen", sagt Juozas Olekas, Europapolitiker und Vorsitzender des Substainable Fur Forums (SFF).
Pelz: Naturmaterial oder Öko-Killer?
Tierschutzorganisationen weisen allerdings darauf hin, dass Felle unter hohem Chemikalieneinsatz haltbar gemacht werden. Außerdem gehe der Trend weg vom reinen Pelzmantel und hin zu Fellkragen, Bommeln oder anderen Accessoires, die kaum Auswirkungen auf die Haltbarkeit eines Kleidungsstücks haben.
"Die Zucht von Tieren gehört generell zu den größten Klimakillern unserer Zeit", so die Tierschutzorganisation Peta, "von der Produktion von Futtermitteln bis hin zu den nitrathaltigen Ausscheidungen der Tiere auf Pelzfarmen."