Der Ausnahme-Galerist
16. April 2015Mit 25 Jahren eröffnete Hans Mayer 1965 seine erste Galerie in Esslingen und siedelte dann Ende der 1960er Jahre nach Düsseldorf um. Dort stellte er erstmals in Deutschland Werke von Andy Warhol aus. Seit den 70er Jahren gilt er als einer der wichtigsten Vermittler amerikanischer Gegenwartskunst. Über die bildende Kunst hinaus ist Mayer an der Vielfalt kultureller Phänomene interessiert und bezeichnet sich selbst als "Makler des Cross-over". So integrierte er etwa minimalistische und elektronische Musik-Events oder Theateraufführungen in das Galeriegeschehen.
Deutsche Welle: Herr Mayer, Sie sind seit 50 Jahren im Kunstgeschäft tätig, gab es ein besonderes Ereignis, dass Ihnen sozusagen den Weg wies?
Hans Mayer: Es ist wirklich verrückt, wenn man das nach 50 Jahren noch mal Revue passieren lässt. Meine erste Ausstellung war Josef Albers, ein Konstruktivist, der damals schon 70 Jahre alt war. Mir war es immer ein Anliegen, einen Ort zu haben, wo ich "Cross-Over-Veranstaltungen" machen kann. Die Albers-Ausstellung wurde z.B. mit einem John Cage Konzert eröffnet. Ich habe Theater in meiner ersten Galerie in Esslingen organisiert, das "Living Theatre" war dort, sehr viele Musikgruppen haben gespielt. Mein Anliegen war natürlich auch, Kunst zu verkaufen, davon lebte ich die letzten 50 Jahre. Mal gut, mal schlecht. Irgendwie hat es sich ergeben.
Wie konnten Sie Albers überhaupt für Ihre erste Ausstellung in Esslingen gewinnen? Die Galerie hatten Sie je gerade erst gegründet und Esslingen ist ja nicht unbedingt der Nabel der Welt.
Ich wusste von Erzählungen, dass Albers großen Wert darauf legte, in Deutschland präsent zu sein. Ich habe ihm einen Brief geschrieben und ihm das richtige Angebot gemacht, indem ich den Kulturpapst Albert Schulze Vellinghausen bei der Eröffnung moderieren ließ. Albers hat sich auch bei Vellinghausen rückversichert, ob das wirklich wahr ist, dass er für ihn spricht. Der hat das bestätigt und dann machte ich eine der tollsten Albers-Ausstellungen überhaupt. Das war mein ganz großes Glück, dass ich mit dieser Ausstellung angefangen habe. Damit war der Anfang gemacht für die nächsten tollen Ausstellungen.
Mittlerweile sind Sie einer der weltweit bedeutendsten Galeristen – was unterscheidet ihre Arbeitsweise von der anderer?
Das war bestimmt mein "Cross-Over-Ansatz". Als ich die Galerie in Esslingen hatte, hieß es von Kunsthistorikern und von vielen Museumsleuten: "Um Gottes Willen in Esslingen, das ist ein Verrückter, der macht Ausstellungen mit Rockmusik und die Polizei ist ständig dort." Das war einfach die Revolte gegen das Etablierte, auch gegen den etablierten Kunsthandel. Und wissen Sie, in einem so kleinen Ort wie Esslingen, da wurde ja jeder Auswärtige misstrauisch beäugt und dann wurde natürlich auf der Straße Wein getrunken, das war in der Provinz nicht ganz einfach.
War es dann später einfacher, nachdem Sie mit Ihrer Galerie nach Düsseldorf gezogen waren?
Düsseldorf ist einfach eine richtig aufgeschlossene Stadt und das ist glaube ich, mein großes Glück, dass ich hier in Düsseldorf bin.
Vor zehn Jahren haben Sie auch Kraftwerk in Ihrer Düsseldorfer Galerie spielen lassen…
Mit Kraftwerk war ich von Anfang an, seit 66, befreundet und ich habe immer versucht, sie bei Museumseröffnungen spielen zu lassen, damit sie ein bisschen Geld verdienen. Ich habe immer mal wieder was für sie auf den Weg gebracht und über die Jahre kamen sie oft zu mir und sagten: "Wir schulden dir noch ein Konzert“."Und ich sagte: "Wartet mal, irgendwann ist es so weit“. Und dann vor zehn Jahren, da brauche ich eine Band und habe Ralf und Florian gefragt: "Pass mal auf, ihr schuldet mir doch noch ein Konzert." Das war 30, 40 Jahre später und sie sagten: "Das kriegst Du auch! Wir machen eine neue Geschichte und das können wir ja bei Dir machen." Das war dann ihr erstes Konzert nach ganz langer Zeit.
In Ihrer Düsseldorfer Galerie kam es 1979 auch zur ersten Begegnung zwischen Andy Warhol und Joseph Beuys. Sie haben die beiden miteinander bekannt gemacht.
Warhol war zu seiner Veranstaltung von Capital (Anm.d.Red.: Zeitschrift) eingeladen. Capital hat jedes Jahr ein Rating zu den gefragtesten Künstlern gemacht und da war Warhol Nummer 1 und Beuys Nummer 2. Und ich hatte bei mir eine Warhol-Ausstellung. Und da gab es ein Telefonat zwischen Beuys und mir und ich sagte, er solle doch zur Eröffnung kommen, Warhol wäre da. Und er fragte: "Warum?" Und ich sagte: "Du hast nächstes Jahr in New York eine Ausstellung und Du freust Dich auch, wenn der kommt." Und so kamen die beiden zusammen und konnten eigentlich von Anfang an richtig gut miteinander.
Sie waren der erste Galerist, der Warhol in Deutschland gezeigt hat. Gab es damals dafür überhaupt ein Publikum?
Heute ist der Kreis der Freunde für zeitgenössische Kunst eine halbe Million. Damals waren es 20.000 oder 10.000. Die waren einfach jedes Wochenende woanders unterwegs und im Rheinland gab es richtig aufregende Ausstellungen, Aktionen und Konzerte. Das Rheinland war auch damals schon ein bedeutender Kulturplatz.
Und ist es heute ja noch, auch im Hinblick auf die Art Cologne, die Sie ja mit ins Leben gerufen haben.
Ende der 60er Jahre merkten wir – dazu gehörten unter anderem die bekannten Kölner Galeristen Stünke und Zwirner - dass die Sammler inzwischen in Paris oder in New York Bilder kauften und wir sagten uns, wir müssen im Rheinland - das war das Kulturland überhaupt – da müssen wir einen Kunstmarkt oder eine Leistungsshow der Galerien machen. Dann wurde der "Verein der progressiven deutschen Kunsthändler" gegründet. Der erste Kunstmarkt fand dann im Kölner Gürzenich (Anm. d. Red: Veranstaltungshalle) statt, wo mehr als zehn Galerien teilnahmen. Wir Vereinsteilnehmer profitierten die ersten fünf Jahre davon, weil wir nichts bezahlen mussten. Und dann kam ziemlich bald der Basler Kunstmarkt dazu, 1970, und dann löste sich das langsam in Köln auf und Basel wurde immer stärker.
Und mittlerweile, hält Köln Basel wieder die Waage?
Mit dem neuen Direktor Daniel Hug, der wieder Stil und internationales Bewusstsein in den Kunstmarkt reingebracht hat, ist die Art Cologne wieder eine hervorragende Veranstaltung.
Wie beurteilen Sie denn die Entwicklungen am Kunstmarkt. Böse Zungen behaupten ja, der Kunstmarkt drohe zu überhitzen – wie sehen Sie das?
Ich kann Ihnen sagen, diese Sprüche, das drohe zu überhitzen oder umzukippen, die glaube ich nicht. Das hieß es immer. Ende der 60er oder Ende der70er Jahre hörte man schon solche Sprüche: 'Oh jetzt geht's nicht weiter, jetzt ist aber Schluss. Die sind verrückt diese Preise und die Künstler sind verrückt.' Es gibt einfach nicht so viele gute Bilder und Künstler, wie es Geld gibt.
Wie kommen denn diese horrenden Preise zustande?
Wir gehen jetzt einfach auf ein Bild ein, das gigantische Preise erzielt hat. Ein Rothko Bild etwa, das für 120 Millionen Dollar, Steuern mit einberechnet, bei einer Auktion verkauft wurde. Dieses Bild hatte ich vor 15 Jahren für damals 800.000 DM gehandelt. Das waren vielleicht 500.000 Dollar. Das war mit das schönste, das bedeutendste Bild von Rothko. Es war in einer festen Sammlung und wurde dann durch den Preis überhaupt erst wieder verkauft. Und jetzt kommt wieder ein Rothko, der 40 Millionen bringen soll. Es gibt einfach eine Riesennachfrage nach Rothko, aber keine Occasion mehr. Jetzt können Sie nur über den Preis die Besitzer überhaupt dazu bewegen, Bilder zu verkaufen und so entstehen diese verrückten Preise. Das war nie voraussehbar, dass Kunst in diese Preissegmentierung kommt.
Haben Sie zu Ihren Künstlern eine besondere Bindung?
Sie haben in der Zusammenarbeit mit einem Künstler immer Up's and Down's, aber eigentlich habe ich seit 40, 50 Jahren immer die gleichen Künstler ausgestellt. Natürlich kommen auch neue dazu, wie jetzt etwa Zander Blom. Und da entsteht eine große Freundschaft und das ist auch ganz wichtig. Sie sind ja auch darauf angewiesen, dass der Künstler Ihnen wirklich die besten Arbeiten gibt. So wie ich jetzt auf dem Kunstmarkt von Köln eine der wichtigsten Arbeiten von Longo zeige, den "Tiger". Das ist eine große Ehre für mich und auch seitens des Künstlers, dass er mir eine solche Arbeit für Köln gibt, das ist ganz wichtig!
Das Gespräch führte Annabelle Steffes