Afghanistan Rückkehrer
27. Januar 2013Es ist laut in der Werkhalle. Irgendwo tönt das betäubende Geräusch einer Elektromaschine. Über einem Tisch stecken mehrere junge Männer ihre Köpfe zusammen. Gespannt schauen sie auf ein Arrangement von Glühbirnen und Elektroden. Als die Lampen endlich leuchten, lächelt auch Farid stolz. Als einer von vielen jungen Männern macht der 20-Jährige eine achtmonatige Ausbildung als Elektriker in der westafghanischen Stadt Herat. Die deutsche Entwicklungsorganisation "Help - Hilfe zur Selbsthilfe e.V." macht es ihm möglich.
Von einer solchen Ausbildung hätte Farid im Iran nicht einmal träumen können. Dort war er arbeitslos. Hilfe vom Staat bekam er nicht. Fünf Jahre lebte er als Flüchtling im Nachbarland. "Obwohl es in Afghanistan keine Sicherheit gibt, bin ich froh, wieder in meinem eigenen Land zu sein", sagt er. "Die deutsche Organisation hilft uns arbeitslosen Jugendlichen. Mit der Ausbildung können wir später eine Arbeit finden und außerdem dazu beitragen, unser Land wieder aufzubauen."
Rückkehrer suchen Perspektiven
Rund drei Millionen Afghanen lebend derzeit im Iran. Die meisten sind Flüchtlinge, viele davon Kinder oder Jugendliche. Sie leben dort in schwierigen Verhältnissen und werden diskriminiert, sagt Alfred Horn, der Regionaldirektor für Iran und Afghanistan der Organisation "Help - Hilfe zur Selbsthilfe". "Afghanische Kinder können im Iran nicht zur Schule gehen, weil sie im Gegensatz zu einheimischen Kindern Schulgeld bezahlen müssen. Arbeit werde an Afghanen nur selten vergeben, so Horn. "Vor zwei bis drei Jahren konnte man noch Arbeit finden im Iran, aber das ist vorbei. Die iranische Regierung hat alle Subventionen zurückgefahren. Die Preise haben sich verdreifacht. Viele Iraner sind arbeitslos und die meisten Afghanen sowieso. Viele afghanische Flüchtlinge wollen nach Hause", erzählt Horn.
Ohne eine Ausbildung müssen die Rückkehrer dann als Tagelöhner arbeiten, so Horn. "Wenn sie sich aber in marktfähigen Berufen ausbilden lassen, dann haben sie nach unseren Erfahrungen eine Chance von 75 Prozent, eine gute Arbeit zu finden."
Ausbildung in Handwerksberufen
Etwa 1000 Rückkehrer und Rückkehrerinnen bildet "Help - Hilfe zur Selbsthilfe" zur Zeit in handwerklichen Berufen aus. 1,5 Millionen Euro stellen Deutschland und die Europäische Union für dieses Projekt jedes Jahr zur Verfügung. Seit dem Beginn des Projekts im Jahr 2005 hat die Organisation mehr als 5000 Menschen ausgebildet - ein Viertel davon sind Frauen.
Im technischen Ausbildungszentrum in Herat können die Männer die Berufe Schreiner, Installateur, Elektriker, Taschenmacher und Friseur erlernen, Frauen können Kosmetikerin, Näherin, oder Teppichweberin werden. Auch Computer- und Englischkurse werden angeboten. Einer der Lehrer, Ustad Ghulam, hat in den letzten fünf Jahren rund 300 Installateure ausgebildet. Die Azubis seien sehr motiviert, sagt er: "Seit ich hier arbeite, ist nicht ein Schüler sitzen geblieben."
Chancen auf dem Arbeitsmarkt
Lehrer Ghulam ist überzeugt, dass das Ausbildungs-Projekt wirkungsvoll ist und eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft fördert. "Die Hälfte der Absolventen verdient heute mehr Geld als ich. Viele arbeiten auf der nahegelegenen ISAF-Luftwaffenbasis Shindand. Andere sind an Bauarbeiten in Herat beteiligt oder haben Läden innerhalb der Stadt. Sie sind sehr gut im Geschäft. Wir arbeiten auch weiterhin zusammen."
Einige Absolventen beschweren sich jedoch über den schlechten Arbeitsmarkt für manche Handwerksberufe. Arif Jalali, Lehrer für Taschenmacherei erklärt, dass die Taschen seiner Schüler mit chinesischen Billigprodukten konkurrieren müssen. "Die meisten Taschen, die in Herat produziert und verkauft werden, sind chinesisch und haben eine schlechte Qualität. Natürlich kaufen die Menschen billigere Produkte, weil sie sich diese leisten können. Die afghanischen Produkte finden keinen Absatz."
Vertrauen schaffen
"Help - Hilfe zur Selbsthilfe" versucht deshalb, langfristige Ausstellungen und Verkaufsmöglichkeiten in ihren Einrichtungen bereitzustellen. Vor allem die Frauen sollen so eine Möglichkeit erhalten, ihre Produkte zu verkaufen. Das Büro in Herat steht im engen Kontakt zum Arbeits- und Flüchtlingsministerium und wird von diesen unterstützt.
"Bei der Auswahl der Bewerber bevorzugen wir Frauen und Behinderte", erklärt Projektleiter Alfred Horn. Das stößt nicht selten bei lokalen und religiösen Autoritäten auf Kritik. Doch Horn weiß Abhilfe: "Da muss man mit den Ältesten reden und ihnen sagen: Ihr wollt doch auch dass eure Frauen was lernen, dass sie kochen können, dass sie eure Kinder gut erziehen. Das bringen wir ihnen bei. Und dazu gehört, dass sie lesen und schreiben lernen." Wenn man nicht aggressiv oder missionarisch auftrete, sondern Vertrauen schaffe, dann werde meist auch das Projekt akzeptiert.
Wie viel Vertrauen Alfred Horn inzwischen aufgebaut hat, zeigt sich darin, dass er inzwischen den Ehrenbürgertitel der Stadt Herat erhalten hat.