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PolitikPeru

Peru wählt ganz links oder ganz rechts

4. Juni 2021

Leninist gegen Rechtspopulistin - bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag müssen sich die Peruaner zwischen Pedro Castillo und Keiko Fujimori entscheiden.

Peru Wahlen | TV-Duell
Gruß an die Wähler: Keiko Fujimori und Pedro Castillo nach dem TV-Duell am 30. MaiBild: Sebastian Castaneda/REUTERS

Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass in dem Land, das Anfang der Woche die Zahl seiner COVID-19-Toten von knapp 70.000 auf mehr als 180.000 Tote korrigiert hat und das damit der Staat mit der höchsten Corona-Sterblichkeitsrate weltweit ist, gleichzeitig auch das Virus der politischen Polarisierung unbarmherzig zuschlägt.

Auf Pedro Castillo und Keiko Fujimori zusammen entfiel im ersten Wahlgang nicht einmal jede dritte Stimme, für viele sind sie die schlechtesten Präsidentschaftskandidaten seit Peru vor 200 Jahren die Unabhängigkeit erlangte.

Und doch wird entweder ein Grundschullehrer und Leninist mit null Regierungserfahrung oder aber die Tochter des in Haft sitzenden Ex-Präsidenten Alberto Fujimori, die für eine Politik der harten Hand steht, und der ebenfalls eine 30-jährige Gefängnisstrafe wegen Geldwäsche und illegaler Wahlkampffinanzierung droht, in den Regierungspalast in Lima einziehen.

Weiß-rote-Nationalfarben für den Sieg - Keiko Fujimori und Pedro CastilloBild: Francisco Vigo/REUTERS

Sozialismus gegen Neoliberalismus, alles neu gegen nichts Neues, Land gegen Stadt, nicht wenige in Peru sagen Pest oder Cholera. Aber gerade in Pandemie-Zeiten ziehen scheinbar einfache Antworten auf komplexe Fragen. Und Pedro Castillo scheint die besseren Antworten zu haben.

Der Kandidat, der fast aus dem Nichts kam - Pedro Castillo

"Wenn nichts Außergewöhnliches in diesen Tagen passiert und die Meinungsumfragen stimmen, wird Castillo gewinnen, weil er sich perfekt als die Stimme der Unzufriedenen präsentiert", sagt die peruanische Politikwissenschaftlerin Mayte Dongo. "Durch die Pandemie ist die Armut in Peru rapide angestiegen. Und er sagt ganz symbolisch: 'Ich als Lehrer weiß, was es heißt, den Topf bis aufs Letzte auszukratzen, damit auch meine Familie etwas zu essen bekommt.'"

Die Agenda des 51-Jährigen von der marxistisch-leninistischen Partei "Perú Libre" hat dazu geführt, dass seine Gegner das Schreckgespenst Venezuela an die Wand malen: Castillo will das Verfassungsgericht abschaffen, die Medien stärker kontrollieren und die Öl- und Gasförderung verstaatlichen. Sein Ziel: einen sozialistischen Staat aufzubauen.

"Nein zum Kommunismus" - Demonstration gegen den Präsidentschaftskandidaten Pedro CastilloBild: Martin Mejia/AP Photo/picture alliance

Doch in den letzten Wochen ist sein Diskurs immer moderater geworden. "Castillo hat nicht die Unterstützung des Volkes wie damals Hugo Chávez in Venezuela auf der Höhe seiner Zeit und er hat auch keine Mehrheit im Kongress", sagt Dongo, "außerdem steckt Peru in einer tiefen Krise und Castillo hat deswegen nicht die Mittel, um seine Agenda so durchzuziehen. Castillo weiß, dass er nicht mit einem derartig radikalen Kurs regieren kann."

Lebt der "Fujimorismo" noch? - Präsidententochter Keiko

Keiko Fujimori dagegen kokettiert in ihrem dritten Anlauf ganz offen damit, auf den Spuren ihres Vaters wandeln zu wollen, der Peru von 1990 bis 2000 regierte, dabei Zehntausende indigene Frauen zwangssterilisierte und wegen des Einsatzes von Todesschwadronen eine 25-jährige Haftstrafe verbüßt.

"Fujimori hat angekündigt, dass sie im Falle eines Wahlsieges eine 'Demokratur' einführen will, eine autoritäre Regierung mit demokratischen Institutionen, also genau das, was auch ihr Vater gemacht hat", sagt die Politologin Dongo.

"Castillo liegt in ganz Peru vorne, im Zentrum von Lima führt Fujimori. Aber dort lebt jeder dritte Peruaner" - Mayte DongoBild: privat

Ein Rückfall ins letzte Jahrhundert also, den viele Peruanerinnen und Peruaner ablehnen. Eine der ersten Amtshandlungen als Präsidentin wäre die Begnadigung ihres Vaters Alberto Fujimori. Doch ihr Wahlkampfteam der "Fuerza Popular" versteht es, auch im Hier und Jetzt nach Stimmen zu fischen. "Viele von ihnen sprechen genauso wie Brasiliens Präsident Bolsonaro. Sie haben die Effektivität von Impfungen und sogar die ganze Pandemie in Frage gestellt", sagt Mayte Dongo.

Pandemie legt Schwächen des Wirtschaftsmodells schonungslos offen

In einem dreistündigen Fernsehduell am Sonntag beharkten sich Castillo und Fujimori, um noch unentschlossene Wähler zu überzeugen. Die peruanische Politikwissenschaftlerin Kathy Zegarra hat die TV-Debatte gesehen, einen Sieger oder eine Siegerin gab es ihrer Meinung nach nicht. "Es war alles sehr schwerfällig, das Duell wird nicht in Erinnerung bleiben wie einige Debatten der Vergangenheit. Fujimori merkte man immerhin ihre politische Erfahrung an, Castillo wirkte ein wenig konfus."

"Charakteristisch für das politische System Perus ist die Schwäche der Parteien " - Kathy ZegarraBild: Privat

Für die 25 Millionen Wahlberechtigten in Peru heißt es am Sonntag, für einen radikalen Wechsel oder für ein 'Weiter so" zu stimmen. "Wir leben hier seit 30 Jahren mit einem schlanken und ineffizienten Staat, der in der Pandemie seine hässliche Fratze gezeigt hat", sagt Zegarra, "und Teil dieses Wirtschaftsmodells war es, Menschen in informelle Jobs zu drängen."

Doch genau diese Menschen verloren in der Pandemie gleich zu Beginn ihre Arbeitsplätze, hatten kaum Zugang zum Gesundheitssystem und waren die Ersten, die dem Virus zum Opfer fielen. "Die Pandemie hat die Nachteile dieses Wirtschaftsmodells schonungslos offen gelegt. Die Castillo-Anhänger wollen einen Wechsel, während Fujimori für die Kontinuität dieses Modells mit einigen kleinen Hilfsprogrammen steht", so die Politikwissenschaftlerin.

"Keine Keiko" - Protestmarsch gegen die Präsidentschaftskandidatin Fujimori in LimaBild: Guadalupe Pardo/AP Photo/picture alliance

So entscheidet sich am Sonntag auch, ob der "Fujimorismo" weiterlebt oder vielleicht endgültig auf den Müllhaufen der peruanischen Geschichte wandert. "Alberto und Keiko werden von einigen Teilen der Bevölkerung vergöttert, von anderen gehasst. Es gibt sogar eine Anti-Fujimorismo-Bewegung", sagt Kathy Zegarra.

In den reichen Vierteln Limas gibt man die Hoffnung auf den Sieg der 46-Jährigen jedenfalls noch nicht auf. Sie sind zugepflastert mit Plakaten, auf denen die üblichen Angstbotschaften stehen: "Kein Kommunismus", "Peru ist nicht Venezuela und nicht Kuba" und "Wir lassen uns unsere Freiheit nicht nehmen."

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