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Pessimismus verboten

Hülya Köylü17. April 2002

Die Heranführung der Türkei an die Europäische Union kommt weiterhin nicht voran. Entsprechende Reformen werden von den Politikern blockiert. Jüngstes Beispiel: die Mediengesetzgebung. Es droht ein Mehr an Zensur.

Türkische Zensur und die Folgen: Journalisten hinter GitternBild: AP
Selbst der Präsident des "Hohen Rates für Radio und Fernsehen" (RTÜK), Sedat Nuri Kayis, findet die neue Mediengesetzgebung bedenklich. Gemeinsam mit einer Minderheit im RTÜK-Rat kämpft er vergebens gegen eine Beschneidung der Freiheit auf Information und Meinungsbildung. Besonders stark kritisiert Kayis das geplante Verbot von "Sendungen, die die Bevölkerung zu Pessimismus verleiten können".

Der Passus ist Teil der Gesetzgebung, die im angeblichen Einklang mit einem "Nationalen Programm" verändert werden soll. Die betreffenden Gesetze stellen zugleich die Basis für die Arbeit der türkischen Medienaufsichts- und Zensurbehörde RTÜK dar.

Internet-Zensur

Auch das vor neun Jahren in der Türkei eingeführte Internet soll jetzt offenbar in Ketten gelegt werden. Dabei war gerade das Internet eines der Hoffnungsträger der um Pressefreiheit kämpfenden Journalisten. Viele hofften, über das neue Medium die Macht der Medienkartelle brechen zu können. Daraus dürfte nun nichts werden: Die türkischen Internetportale sollen künftig sogar gezwungen werden, vor jeder Aktualisierung einer Nachricht das Amt des zuständigen Provinzgouverneurs zu informieren. Mit anderen Worten: Das Internet wird staatlicher Kontrolle unterworfen.

Das neue RTÜK-Gesetz ist bereits einmal unverändert in der Verfassungskommission gebilligt worden. Und es gibt keinen Zweifel daran, dass auch das Parlament zustimmen wird - trotz der Bedenken von Medienexperten und von Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer, der das Gesetz ebenfalls ablehnt. Nach türkischer Rechtslage hat der Präsident nach der zweiten Vorlage eines unveränderten Gesetzes allerdings keine Wahl mehr und muss es unterzeichnen. Danach bleibt ihm nur noch ein Weg, das Gesetz zu verhindern: Er kann das Verfassungsgericht anrufen und eine Annullierung beantragen.

Der türkische Staatspräsident Ahmet Necdet SezerBild: AP

Freie Bahn für die Großen

Umstritten ist das Gesetz auch deshalb, weil es den Medienmogulen einen Weg ebnet, künftig bei öffentlichen Ausschreibungen ihre Firmen ins Rennen zu schicken. Sie dürfen Firmen besitzen, deren Aktien an Börsen gehandelt werden, und die bisherige Beschränkung der Besitzanteile auf höchstens 20 Prozent wird aufgehoben. Dadurch können die Medienzare kleinere Rundfunk- und Fernsehanstalten sowie Lokalzeitungen aufkaufen und ihre Monopole ausbauen.

Warum die türkischen Parlamentarier dies mitmachen, liegt auf der Hand: Das Vertrauen der Bevölkerung in die Politiker ist derzeit geringer denn je. Sie sind um ihr Image und ihre Wahlchancen besorgt - und bemühen sich deshalb, die mächtigsten Medien auf ihre Seite zu ziehen. So wäscht eine Hand die andere: Die Medienmogule können sich ihrerseits darauf verlassen, dass alle ihre Anliegen berücksichtigt und die erforderliche gesetzliche Absicherung garantiert werden.

Sendeverbot bei Übernahmen aus dem Ausland

Der "Hohe Rat für Radio und Fernsehen" (RTÜK) ist in der Türkei schon länger für seine Zensurmaßnahmen bekannt. Fast wöchentlich werden Sendeverbote beschlossen - eine Politik der Einschüchterung, die fast jedes Rundfunk- und Fernsehprogramm zu einer Gratwanderung zwingt. Die entgegen europäischer Normen auch künftig verbotene Übernahme von Rundfunk- und Fernsehsendungen aus dem Ausland war ebenfalls schon Grund für Sendeverbote - unter anderem gegen Partnersender der Deutschen Welle und der BBC.

Einer der ganz wenigen Lichtblicke in der geplanten Gesetzgebung ist die Ermöglichung von Sendungen in anderen Sprachen als Türkisch. Damit können vor allem die Kurden darauf hoffen, dass es künftig auch Programme in ihrer Muttersprache geben wird.

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