Mit seinen Schwarz-Weiß-Aufnahmen revolutionierte der deutsche Fotograf Peter Lindbergh die Modefotografie - und verhalf zahlreichen Talenten wie Claudia Schiffer oder Kate Moss zum Aufstieg in die Liga der Supermodels.
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Peter Lindbergh kam vergleichsweise spät zur Fotografie. Mit 27 Jahren kaufte er sich eine Kamera, um die Kinder seines Bruders zu fotografieren. Lindbergh beschloss, sein Hobby zum Beruf zu machen und absolvierte eine zweijährige Ausbildung bei Hans Lux, einem Düsseldorfer Werbefotografen. Nachdem er sich als Berufseinsteiger zunächst für den Kontrast zwischen Industriearchitektur und Naturidylle im Ruhrgebiet begeisterte, wandte sich Lindbergh in den späten 1970er Jahren der Modefotografie zu. Am Dienstag ist Peter Lindbergh im Alter von 74 Jahren gestorben. "Er hinterlässt eine große Leere", heißt es auf seinem offiziellen Instagram-Account.
Auf Umwegen in den Modezirkus
Kurz nach seiner Geburt, am 23. November 1944 in Polen, wurde seine Familie vertrieben. Seine Kindheit und Jugend verbrachte Lindbergh in Duisburg. Er wurde Schaufensterdekorateur, lernte an der Berliner Hochschule für Bildende Kunst das Zeichnen und trampte durch Europa. Schließlich konnte er 1987 eine Modefotoserie im Magazin "Stern" platzieren. Zu dieser Zeit legte er auch seinen bürgerlichen Nachnamen, Brodbeck, ab und nahm seinen Künstlernamen an. Lindbergh bekam nun Aufträge von renommierten internationalen Modemagazinen, darunter "Vogue", "Vanity Fair", und "Rolling Stone", und avancierte innerhalb weniger Jahre zu einem der gefragtesten Modefotografen der Welt. Giorgio Armani, Jil Sander, Calvin Klein, Karl Lagerfeld - sie alle ließen ihre Kreationen von Lindbergh ablichten.
Vor Lindberghs Linse: Campbell, Schiffer und Moss
Kein Wunder, denn mit seinen Schwarz-Weiß-Aufnahmen revolutionierte Lindbergh die Modefotografie wie kein Zweiter. 1989 fotografierte er die Models Linda Evangelista, Naomi Campbell, Cindy Crawford, Christy Turlington und Tatjana Patitz für das Cover der britischen "Vogue" - und schrieb mit dem Titelbild Fotografiegeschichte. "Mich hat immer gestört, dass Frauen in der Modefotografie damals nichts anderes waren als Kleiderständer, das wollte ich ändern", sagte Lindbergh 2014 in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung".
Dass ihm das gelungen ist, zeigen die Fotos, die Lindbergh seit Ende der 1980er Jahre von zahlreichen Models schoss und ihnen damit zum Durchbruch verhalf. Claudia Schiffer, Naomi Campbell, Kate Moss - sie alle stiegen durch Lindberghs Arbeiten in die Liga der Supermodels auf. Zu seinen bekanntesten Bildern zählt eine Aufnahme der sechs Models Estelle Léfebure, Karen Alexander, Rachel Williams, Linda Evangelista, Tatjana Patitz und Christy Turlington in schlichten weißen Männerhemden am Strand von Malibu.
Vom Modemagazin ins Museum
Das niederländische Museum Kunsthal in Rotterdam widmete Lindbergh im Jahr 2016 eine große Retrospektive unter dem Titel "A Different History of Fashion" (dt. Eine andere Geschichte der Mode). Ein Jahr später waren die über 200 Werke auch in der Kunsthalle München zu sehen.
Im Sommer 2019 hat Lindbergh noch einen Auftrag der britischen "Vogue" abgeschlossen: Das Cover der September-Ausgabe zeigt 15 Porträts von mutigen, engagierten Frauen - darunter die schwedische Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg und die berühmte Primatenforscherin Jane Goodall.Und so endet Lindberghs Ausnahme-Karriere, wie sie vor vier Jahrzehnten begann, mit einem Cover für die britische "Vogue".
Peter Lindberghs Visionen
"A Different Vision on Fashion Photography" heißt eine Schau über den berühmten Fotografen in der Kunsthal Rotterdam. Unter den 220 Werken: viele Ikonen der Modegeschichte.
Bild: Taschen Verlag/Peter Lindbergh
Ikonen der Modefotografie
Selbst wenn Sie noch nie von Peter Lindbergh gehört haben, seine Arbeit kennen Sie mit Sicherheit. Sie läutete ein neues Zeitalter der Modefotografie ein. Seine Bilder von Linda Evangelista, Naomi Campbell, Tatjana Patitz, Cindy Crawford und Christy Turlington markieren den Beginn der Ära der Supermodels.
Bild: Peter Lindbergh
Vorbild Film
Lindberghs Markenzeichen sind seine Schwarz-Weiß-Bilder, mit denen er seit den späten 1970ern einen neuen Realismus in die Fotografie brachte. Er ließ sich vom Film inspirieren und spielte mit dem Prototyp der starken, selbstbewussten Frau. Seine Aufnahmen halfen dabei, das von der Modeindustrie vorgegebene Schönheitsideal neu zu definieren.
Bild: Peter Lindbergh
Kampf gegen die Oberflächlichkeit
Lindbergh nimmt seine gesellschaftliche Position sehr ernst. 2014 sagte er, dass es seine Rolle als Modefotograf sei, eine bestimmte soziale oder menschliche Realität zu reflektieren. In einem späteren Interview stellte er klar: "Das sollte in der Verantwortung der Fotografen von heute liegen: die Frauen zu befreien, einfach jeden zu befreien, vom Terror der Jugend und Perfektion."
Bild: Peter Lindbergh
Für den Makel
Als Photoshop-Gegner bildet Lindbergh das menschliche Gesicht mit all seinen Makeln ab. "Wie surreal ist die heutige kommerzielle Agenda, jedes Zeichen von Leben und Erfahrung zu retuschieren, ja, sogar die persönliche Wahrheit eines Gesichtes selbst?", wundert er sich in einem Interview mit Isabel Flower in der Zeitschrift "Art Forum". Hier im Bild: Schauspielerin Julianne Moore.
Bild: Peter Lindbergh
Gegen Elitarismus
Lindbergh ist berühmt für seine Modestrecken in der "Vogue" und Werbekampagnen für Luxusdesigner wie Chanel. Er macht aber keinen Unterschied zwischen seinen kommerziellen und seinen unkommerziellen Bildern. Die Einteilung von Fotografie in Auftragsarbeiten und sogenannte "Kunstfotografie" empfindet er als eine "gefährliche Art von Snobismus".
Bild: Taschen Verlag/Peter Lindbergh
Fotograf mit Verantwortung
"Ein Modefotograf sollte dazu beitragen, das Bild der Frau und des Mannes in ihrer Zeit zu definieren, er sollte eine gewisse soziale und menschliche Wirklichkeit spiegeln", sagte Peter Lindbergh gegenüber der Zeitschrift "Art Forum".
Weit mehr als Modefotografie
Die Kunsthal Rotterdam zeigt bis zum 12. Februar 2016 eine Retrospektive des deutschen Fotografen Peter Lindbergh. Kuratiert wird die Ausstellung von Thierry-Maxime Loriot, der die Ausstellung wie eine Erzählung aufbaut. Unter den Exponaten sind bislang unbekannte Arbeiten, Notizen, Storyboards, Requisiten, Filme und Drucke. Hier eine Fotografie der französischen Elektro-Superstars Daft Punk.
Bild: Peter Lindbergh
Das Buch zur Ausstellung
Begleitend zur Ausstellung, die nach Rotterdam in anderen Museen gastieren wird, hat der deutsche Taschen Verlag ein Buch mit 400 Fotografien von Peter Lindbergh veröffentlicht. Der Begleittext von Kurator Thierry-Maxime Loriot beschäftigt sich intensiv mit Lindberghs Biografie und seiner Arbeitsweise.