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Politik

Peter Steudtner wieder in Deutschland

Richard A. Fuchs mit Agenturen
26. Oktober 2017

Nach der überraschenden Freilassung des Menschenrechtlers Peter Steudtner aus türkischer Haft äußern sich deutsche Politiker erleichtert. Andere fordern Konsequenzen. Eine entscheidende Rolle spielte Altkanzler Schröder.

Peter Frank Steudtner
Bild: Reuters/O.Orsal

Vermittelt hat es letztlich wohl Altkanzler Gerhard Schröder: In einer geheimen Mission soll er sich für die Freilassung des deutschen Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner eingesetzt haben. Das berichtet der "Spiegel" und beruft sich dabei auf Bundesaußenminister Sigmar Gabriel. "Ich bin Gerhard Schröder sehr dankbar für seine Vermittlung", zitierte das Nachrichtenmagazin Gabriel.

Steudtner nach Berlin zurückgekehrt

Am Donnerstagnachmittag dann die erlösende Nachricht: Der aus türkischer Haft entlassene Menschenrechtler ist auf dem Weg nach Deutschland. Am Abend traf er dann auf dem Flughafen Berlin Tegel ein, gemeinsam mit dem schwedischen Menschenrechtler Ali Gharavi, der mit ihm bei Istanbul in Haft war. Auf Wunsch von Steudtners Familie fand die Ankunft in Berlin im privaten Rahmen ohne Medienrummel statt.

Der Berliner Politikbetrieb reagiert erleichtert, aber ohne jede Euphorie. Die Entlassung Steudtners aus türkischer Untersuchungshaft lässt viele aufatmen. Die Stellungnahme von FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki spiegelt diese Stimmung wider. "Ich finde das sehr, sehr sensationell und wir sollten die Türkei ermutigen, diese Schritte weiterzugehen", so Kubicki gegenüber der DW und weiteren Medien. Der Parteivorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, mahnte diese weiteren Schritte direkt an. "Es ist aber jetzt auch Zeit, dass man daran erinnert, dass es nach wie vor widerrechtlich in der Türkei inhaftierte deutsche Staatsbürger gibt", sagte Özdemir am Rande der Sondierungsgespräche zu einer Jamaika-Koalition in Berlin.  

Langjähriger Kritiker des türkischen Präsidenten: Cem Özdemir, Parteichef der GrünenBild: picture-alliance/dpa/B. Peders

Deutsch-türkische Beziehungen bleiben schwierig

Sevim Dagdelen, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, forderte die Bundesregierung auf, weiter auf Ankara Druck auszuüben. "Das ist die einzige Sprache, die der türkische Präsident Erdogan versteht", sagte Dagdelen am Donnerstag gegenüber Agenturen. Weitere Finanzhilfen, Kredite und Kreditbürgschaften für Ankara wären jetzt das falsche Zeichen. Zudem müsste die Bundesregierung Rüstungsexporte in die Türkei stoppen. Die Freilassung Steudtners bezeichnete sie nur als "ersten Schritt", denn "die deutschen Journalisten Deniz Yücel, Mesale Tolu und andere sitzen weiter unter fadenscheinigen Vorwänden als Geiseln Erdogans in Haft".

Anders die Tonlage bei den Unionsparteien. Nach Ansicht des Unions-Europapolitikers Michael Stübgen könnte die Freilassung Steudtners ein erstes Signal für eine Entspannung in den europäisch-türkischen Beziehungen sein. Ob das aber wirklich so sei, "das kann man im Moment leider noch nicht feststellen", schränkte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk ein. Er hoffe selbst "inständig" darauf, dass die Türkei nun offener in strittigen Fragen ist. Ob die Freilassung von Steudtner auf eine Anweisung "von oben" zurückgehe, lasse sich nicht sagen, sagte Stübgen. Der CDU-Politiker sprach sich gegen einen unmittelbaren Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aus, wie es etwa die CSU fordert. Das würde Erdogan in die Hände spielen.

Menschenrechtler haben immer wieder auf das Schicksal von Peter Steudtner und anderen hingewiesenBild: Imago/C. Ditsch

Schröder konnte Erdogan überzeugen

Deutsche Medien hatten zuvor erhitzt debattiert, wie es zu der überraschenden Wende im Fall Steudtner gekommen war und welche Rolle der Altbundeskanzler spielte. Schröder habe den Fall bei einem Treffen mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan angesprochen und die Freilassung erreicht, berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Gerhard Schröder arbeitet inzwischen für einen russischen Erdöl-Konzern. Dem Bericht zufolge lege die türkische Regierung allerdings Wert darauf, dass das laufende Gerichtsverfahren ordnungsgemäß zu Ende gebracht wird. Deswegen sei es nur eine Freilassung aus der Untersuchungshaft und kein Prozessende. Man verbitte sich einen politischen Eingriff, heißt es weiter.

Der Bericht legt nahe, dass Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) Schröder als Vermittler eingeschaltet habe. Dieses Vorgehen sei im Vorfeld auch mit Kanzlerin Angela Merkel besprochen worden.

Ein Gericht in Istanbul hatte am ersten Prozesstag am Mittwoch Steudtner und zehn weitere Angeklagte aus der Untersuchungshaft entlassen. Der Deutsche hatte zuvor über 100 Tage in türkischer Haft gesessen, seit er im Juli bei einem Trainingsseminar für Menschenrechtsaktivisten in der Türkei festgenommen worden war.

Der Außenminister hatte die Entscheidung des türkischen Gerichts noch in der Nacht begrüßt: "Die Entscheidung zeigt, dass unsere Stimme für Rechtsstaatlichkeit, unser Mahnen nach einem fairen Verfahren und unsere Bemühungen für Peter Steudtner gehört werden." Auf diesem Weg sollte es weitergehen, forderte Gabriel. Steudtner wird in der Türkei Terrorunterstützung vorgeworfen. Vor Gericht hatte der Angeklagte alle Vorwürfe zurückgewiesen. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte die Nachricht bereits am späten Mittwoch auf Twitter kommentiert.

Berlins Regierender Bürgermeister: "Alptraum hat ein Ende"

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) reagierte mit "Freude und Erleichterung" auf die Freilassung. "Der Alptraum hat ein Ende", sagte Müller gegenüber einer Nachrichtenagentur. Er dankte allen, die sich in für den Inhaftierten eingesetzt hätten, insbesondere den Mitgliedern der Gethsemane-Gemeinde, die wieder und wieder mit Fürbitten an sein Schicksal erinnert hätten. In der evangelischen Gethsemanekirche in Berlin-Prenzlauer Berg, der Heimatgemeinde Steudtners, wurden seit seiner Verhaftung unter anderem jeden Montagabend Andachten abgehalten.

Berlins Regierender Bürgermeister Müller (SPD) bei einer Mahnwache für Peter Steudtner vor der Gethsemanekirche im Sommer Bild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Der Prozess geht weiter

Auch die türkischen Menschenrechtler, die in Untersuchungshaft waren, wurden bis zu einem Urteil in dem Verfahren auf freien Fuß gesetzt - teilweise aber unter Auflagen.

Eine Ausnahme ist der ebenfalls angeklagte Amnesty-Vorsitzende der Türkei, Taner Kilic. Er ist wegen eines anderen Verfahrens in Untersuchungshaft. Das Verfahren gegen ihn hat am Donnerstag in Izmir begonnen. "Die Vorwürfe in der Anklageschrift sind unkonkret und unklar. Konkrete Beweise gibt es nicht", sagte Kilic laut dem offiziellen Twitter-Konto von Amnesty vor Gericht. Kilic wird vorgeworfen, die verschlüsselte Messenging-App ByLock auf seinem Smartphone gehabt zu haben, was er entschieden bestreitet. ByLock wurde laut den Behörden von der Gülen-Bewegung für die Planung des gescheiterten Militärputsches von Juli 2016 benutzt, hinter dem die Bewegung stecken soll. Die Justiz sieht die Verwendung von ByLock als ausreichenden Beweis für die Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung an. Laut Amnesty haben aber zwei Untersuchungen gezeigt, dass Kilic die App niemals auf seinem Telefon hatte. Steudtner und den zehn weiteren Angeklagten wird "Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation" beziehungsweise "Unterstützung von bewaffneten Terrororganisationen" vorgeworfen, worauf bis zu 15 Jahren Haft stehen. Das Gericht setzte den nächsten Verhandlungstermin auf den 22. November fest.

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