Petersberger Klimadialog: nur heiße Luft oder neue Chance?
3. Mai 2010
Als die Staatskarossen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Mexikos Präsident Felipe Calderón die eng gewundene Straße auf den 331 Meter hohen Petersberg bei Bonn hochfuhren, kamen sie an einem großen Kochtopf vorbei, in dem gerade die Erde verbrannte. Um den Kochtopf scharten sich die mächtigsten Politiker der Welt als Pappköche. Dahinter standen reale Menschen mit einem Banner, auf dem Merkel und Calderón lesen konnten, dass sie aufhören sollen, "unseren Planeten zu kochen".
Ausgesperrt für den guten Zweck?
Jan Kowalzig von der Nichtregierungsorganisation 'Oxfam' gehört zu denen, die den brennenden Kochtopf am Petersberg platziert haben. Er hat im vergangenen Dezember das Desaster von Kopenhagen aus allernächster Nähe miterlebt. Am Petersberger Klimadialog darf er nicht teilnehmen. Aber wenn das Treffen auf dem Petersberg "dazu beiträgt, dass die Regierungen in kleinen Arbeitsgruppen zusammensitzen und sehr konkret überlegen, wie sie mehr Ambitionen und mehr Verbindlichkeit in den globalen Klimaschutz bekommen, dann stehe ich gerne hier draußen und lasse die da drinnen machen."
Beim 'Petersberger Klimadialog' sitzen bis Dienstagabend kleine Delegationen aus rund 45 Ländern zusammen. Die beiden Gastgeber Deutschland und Mexiko haben eine möglichst repräsentative Auswahl getroffen, damit sich keine Staatengruppe benachteiligt fühlt.
"Wir können nicht warten"
Die Angereisten sollen ohne diplomatische Zwänge in Arbeitsgruppen diskutieren, ohne den Druck Öffentlichkeit neue Ideen entwickeln und auch ganz konkret über gemeinsame Klimaschutzprojekte beraten. Das ist jedenfalls die Idee, die Martin Kaiser von der Umweltschutzorganisation 'Greenpeace' grundsätzlich gut findet. "Wir können nicht warten, bis die langwierigen UN-Verhandlungen zum Erfolg gekommen sind. Mit einzelnen Projekten kann das Klima sicherlich nicht gerettet werden, aber wenn Petersberg strategische Impulse für die weiteren Verhandlungen gibt, dann ist das Treffen sinnvoll."
Angst vor dem großen Schritt
Seit dem gescheiterten Weltklimagipfel in Kopenhagen im vergangenen Dezember herrscht Stillstand in den Verhandlungen. Dort wollte keiner den ersten, großen Schritt machen. Alle hatten und haben Angst davor, dass der Klimaschutz das Wirtschaftswachstum bremst - vor allem jetzt, in der großen Krise. Deswegen läuft im Moment auch alles darauf hinaus, dass sich die Erde bis zum Ende des Jahrhunderts um mehr als drei Grad erwärmen wird. Dabei gelten maximal zwei Grad als gerade noch beherrschbar.
Das Ziel - nur zwei Grad
Bundeskanzlerin Angela Merkel hofft auf die heilende Wirkung des 'Petersberger Dialogs'. Sie ließ in ihrer Eröffnungsrede keinen Zweifel daran, dass in Kopenhagen viel Porzellan zerschlagen worden ist, dass laut gestritten wurde, und dass es jetzt vor allem darum geht, neues Vertrauen aufzubauen. "Das bindende Zwei-Grad-Ziel bleibt mein Ziel für ein neues Abkommen." Aber es mache keinen Sinn, "die ganze Zeit über eine Theorie zu diskutieren, sich dabei die Köpfe heiß zu reden und derweil Jahr für Jahr verstreichen zu lassen, ohne irgendetwas zu beginnen." Merkel betonte allerdings auch, dass es aus ihrer Sicht zum UN-Prozess keine Alternative gibt.
Mexiko ist am Ende des Jahres Gastgeber des nächsten Mammut-Klimagipfels der Vereinten Nationen. Und nicht nur Präsident Felipe Calderón befürchtet, dass sich das Desaster von Kopenhagen ohne neue Impulse wiederholen wird. "Viele Akteure sehen immer noch einen Widerspruch zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und nachhaltigem Klimaschutz. Man spielt hier den Kampf gegen die Armut gegen den Kampf gegen den Klimawandel aus."
"Herausforderung für die Glaubwürdigkeit des multilateralen Systems"
Für Felipe Calderón ist der nächste Weltklimagipfel in Cancún nichts weniger als "die größte Herausforderung für die Glaubwürdigkeit des multilateralen Systems". Der mexikanische Präsident sieht in dieser Herausforderung aber auch die Chance für eine wirtschaftliche Revolution. "Es geht letztendlich um ein neues, kohlenstoffarmes Wachstumsmodell. Wir brauchen auch neue, effiziente Finanzinstrumente. Wir müssen in saubere Technologien investieren. Wir alle müssen unser Produktions- und Verbraucherverhalten ändern."
20 oder 30 Prozent?
Deutschland will sich dafür einsetzen, dass die Europäische Union bis 2020 ihren Schadstoffausstoß nicht nur wie bisher vereinbart um 20 Prozent, sondern um 30 Prozent verringert, gemessen am Referenzjahr 1990. Das Schwellenland Mexiko hat sich dazu bereits in Kopenhagen verpflichtet, wenn es die nötige finanzielle und technologische Unterstützung bekommt.
Aber auch auf dem Bonner Petersberg wissen alle, dass es ein verbindliches, globales Klimaabkommen ohne die USA, China und Indien nicht geben wird. Und ob die EU, Deutschland eingeschlossen, in Zeiten der Krise wirklich auf 30 Prozent hochgeht, ist mehr als fraglich.
"Das Perfekte ist der Feind des Guten"
Der scheidende Chef des UN-Klimasekretariats, Ivo de Boer, geht davon aus, dass sich die Weltgemeinschaft nach den Erfahrungen von Kopenhagen realistische Ziele setzen muss. "Das Perfekte ist der Feind des Guten." De Boer geht es im Augenblick vor allem darum, eine möglichst starke Nachfolgeregelung für das 'Kyoto-Protokoll' zu formulieren, das im Jahr 2012 ausläuft. Keiner auf dem Petersberg glaubt ernsthaft daran, dass es sich dabei schon um ein globales Klimaschutzabkommen handeln wird, dass die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts tatsächlich auf maximal zwei Grad begrenzt.
Autorin: Sandra Petersmann
Redaktion: Hartmut Lüning