Taiwan-Petition im Bundestag
9. Dezember 2019"Für uns ist Taiwan ein Teil Chinas" - das war wohl der prägnanteste Satz in der Anhörung vor dem Petitionsausschuss, bei der es darum ging, warum Deutschland den demokratischen Inselstaat nicht offiziell anerkennt. Ausgesprochen hatte ihn im Namen der Bundesregierung Petra Sigmund, Leiterin der Asien-Abteilung im Auswärtigen Amt. Obwohl sie zugleich deutlich machte, dass "China" in diesem Kontext nicht zwingend gleichbedeutend mit der Volksrepublik ist, ist damit klar: Mit einer Neufassung der Berliner Taiwanpolitik ist derzeit nicht zu rechnen.
Der Beamtin gegenüber saß im Ausschuss ein Bürger, der sich erst seit kurzem für Taiwan engagiert und trotzdem diesen viel beachteten Termin ermöglicht hatte: Mehr als 50.000 Menschen hatten die Online-Petition des Rostockers Michael Kreuzberg unterzeichnet und damit den Weg zu der Anhörung frei gemacht - ein Maß an Aufmerksamkeit, das Taiwan im politischen Berlin seit vielen Jahren nicht erreicht hatte. Von der Tribüne verfolgte Shieh Jhy-wey die Diskussion über sein Land. Taiwans inoffizieller Vertreter in Berlin kann sich eigentlich nicht "Botschafter" nennen, tut es aber dennoch bei vielen Gelegenheiten - ein Beispiel dafür, wie Taiwans derzeitige Regierung ihre Eigenständigkeit betont und Spielräume ausweitet.
"Nun ist auch mal Schluss"
Sowohl Shieh als auch Kreuzberg war von vornherein klar, dass das Ziel der Petition, die diplomatische Anerkennung Taiwans, sich weder im Handumdrehen noch im Alleingang erreichen lässt. Kreuzberg nutzte die Gelegenheit, um Abgeordnete und Regierung zu mehr Mut gegenüber China aufzufordern: "Mein Ziel ist, dass die EU ihren Standpunkt ändert und als Staatengemeinschaft China sagt: Nun ist auch mal Schluss. Ich glaube nicht, dass China es wagen wird, einen von anderen Demokratien anerkannten Staat anzugreifen", sagte der 71-Jährige mit Blick auf Chinas Machtanspruch über Taiwan. Diesen hatte Staatschef Xi Jinping Anfang des Jahres deutlich erneuert und auch Gewaltanwendung nicht ausgeschlossen.
Deutschland erkenne "nur die Volksrepublik China als einzigen souveränen Staat in China an" - das ist der Kernsatz der Ein-China-Politik, den die Diplomatin Petra Sigmund mehrfach wiederholte. Fast ebenso oft wollten die Mitglieder des Ausschusses von ihr wissen, was denn schlimmstenfalls passieren könnte, sollte Berlin Taiwan offiziell anerkennen. "Eine Abkehr würde die deutsch-chinesischen Beziehungen schwerwiegend beschädigen", sagte sie nur. "Das liegt nicht in unserem Interesse." Insbesondere bei globalen Herausforderungen wie dem Kampf gegen den Klimawandel könne Deutschland ohne "partnerschaftliche Zusammenarbeit mit China" nicht vorankommen. Die Volksrepublik sei zugleich "Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale".
China sieht auch inoffizielle Taiwan-Beziehungen nicht gern
Taiwan dagegen, auch das wurde mehrfach deutlich, verbindet mit Deutschland neben guten wirtschaftlichen Beziehungen vor allem eine Wertepartnerschaft. Unterhalb der durch die Ein-China-Politik versperrten offiziellen Ebene gebe es viel Kontakt und exzellente Zusammenarbeit bis zur Ebene der Fachminister, "auch wenn das von Peking nicht immer gern gesehen wird", wie es Sigmund formulierte. Ein Problem sei, dass in vielen internationalen Organisationen, etwa der Weltgesundheitsorganisation, eine UN-Mitgliedschaft Voraussetzung sei, oder dass andere Länder - gemeint war China - einer Mitwirkung Taiwans zustimmen müssen. In den vier Jahren seit der Wahl von Präsidentin Tsai Ing-wen, die Taiwans Eigenständigkeit betont, versuchte Peking jedoch, Taiwans internationalen Spielraum weiter einzuschränken.
Um Chinas Machtansprüche einzudämmen, seien statt Absichtsbekundungen aber Maßnahmen nötig, sagte Fuh Pey-fen, Vorsitzende der Taiwanvereine in Europa, einer zivilgesellschaftlichen Taiwan-Lobby. Die Taiwanerin unterstützte Michael Kreuzberg bei seinen Antworten. Die Mitglieder des Ausschusses gehörten als Abgeordnete eines wichtigen Landes zu den "wenigen Leuten auf der Welt", die wirklich etwas ändern könnten, sagte sie. "Wir haben zu lange das chinesische Spiel gespielt. Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel."
Spitzenpolitiker können EU nicht besuchen
Wie gering der Spielraum aber ist, zeigte eine Diskussion um die De-Facto-Einreiseverbote für Taiwans demokratisch gewählte Spitzenpolitiker. Präsidentin, Vizepräsident, Premierminister, Parlamentspräsident, Außen- und Verteidigungsminister sind in der EU nicht erwünscht. Sie alle seien "Repräsentanten von souveränitätsrelevanten Ämtern", so Diplomatin Sigmund. Daher bitte man sie im Vorfeld, "von einem Besuch abzusehen".
Ein besonders prominenter Abgeordneter, der eigentlich gar nicht im Petitionsausschuss sitzt, hatte sich eigens für die Taiwan-Anhörung eingeladen: Der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir regte an, dass Deutschland sich während seiner EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 mit Partnern in Sachen Taiwan abstimmt, um "im europäischen Geleitzug" mehr zu erreichen. Das könne sie sich gut vorstellen, so Sigmund: "Ich nehme das gerne auf."
"Den Luxus, dass man liberale Demokratien verlieren kann, haben wir gerade nicht angesichts des Vordringens von autoritären Regimen in der ganzen Welt", sagte Özdemir der DW nach der Anhörung. Michael Kreuzberg zeigte sich "positiv überrascht" von der sachlichen Atmosphäre und der Tatsache, dass keine Fraktion sich gegen seine Petition ausgesprochen und die meisten sie ausdrücklich begrüßt hatten. Er wolle nun den Druck aufrecht erhalten und plant als nächstes eine Taiwan-Petition ans Europaparlament. "Taiwan ist akut bedroht von China, und wenn wir kein zweites Hongkong wollen, müssen wir Taiwan unterstützen."