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Politik

Petritsch: "Man soll zur Sacharbeit zurückkommen"

27. März 2018

Die Polizei des Kosovo nahm am Montag den serbischen Unterhändler Marko Djuric fest. Belgrad reagierte wütend. Das zeige die Nervosität in der Region, sagt Wolfgang Petritsch. Man sollte aber besonnen bleiben.

Griechenland Insel Agathonisi
Zuerst verhaftet, danach abgeschoben: Serbischer Politiker Marko DjuricBild: picture-alliance/dpa/AP Images/V. Kryeziu

Deutsche Welle: Der Politiker Marko Djuric, der in der serbischen Regierung für die Beziehungen zum Kosovo zuständig ist, wurde am Montag im Kosovo verhaftet und später freigelassen. Was bedeutet das?

Wolfgang Petritsch: Das war eine dramatische Entwicklung mit einem großen Eskalationspotential und ich bin froh, dass das dann so rasch über die Bühne gegangen ist. Ansonsten wäre ein wichtiger Fortschritt, der in einem Geheimtreffen zwischen den serbischen und kosovarischen Präsidenten Vucic und Thaci in Washington erzielt wurde, in Frage gestellt worden. Ob das jetzt Querschüsse aus Prischtina waren oder was auch immer, das weiß ich nicht. Bisher gab es einen Gentlemen-Agreement, dass die serbischen Politiker in den nördlichen Teil Kosovos aus Belgrad einreisen können. Man hat ja bisher keine Anfrage abschlägig beschieden. Insofern kenne ich jetzt nicht die exakten Umstände, wie es dazu gekomen ist und warum der serbische Politiker mit der Spezialpolizei festgenommen worden ist. Auf jeden Fall bin ich froh, dass das doch innerhalb einer kurzen Zeit vorbei war.

Wolfgang Petritsch: Die Lage hat sich beruhigtBild: DW/A. Feilcke

Im Kosovo heißt es, Präsident Thaci habe gestern eine Initiative auf den Weg gebracht, mit dem Ziel, die Assoziation der serbischen Gemeinden voran zu bringen. Und da kam heute die Nachricht, dass eine Gruppe serbischer Politiker im Rahmen des inneren serbischen Dialogs nach Nordkosovo einreisen wollten. Das wurde im Kosovo als provozierend erlebt. Wie ist Ihre Einschätzung?

Hier muss man wirklich sehen, dass mit dem internen serbischen Dialog ein wichtiger Beitrag des serbischen Präsidenten geleistet worden ist, um die Serben, sowohl in Serbien selbst, aber auch die Serben, die in verschiedenen anderen Staaten leben wie in Bosnien oder Kroatien, einfach zu informieren. Dadurch findet auch eine Einbindung statt. Letztendlich soll der interne Dialog ja doch eine gewisse Unterstützung für einen sehr, sehr schwierigen Weg ergeben. Ich denke da an Maßnahmen wie die Doppelstaatsbürgerschaft (für die Serben in Nordkosovo) um eine noch engere Verbindung herzustellen - das geht ja zurück auch auf den Dayton-Vertrag, wo ja für Serben und Kroaten die doppelte Staatsbürgerschaft für Bosnier auch eingeführt worden ist. Und so auf dieser Linie sehe ich das. Man muss natürlich den nationalistischen Dampf da heraus nehmen, der von beiden Seiten da ist. Aber ich sehe das eher so als kleine Störmanöver, die aber die Karawane Richtung eines Grundlagenvertrages, beispielsweise orientierend am deutschen Vorbild, nicht mehr aufhalten kann.

Sie hatten das Geheimtreffen in den USA erwähnt. Wir hatten jetzt am vergangenen Freitag das Treffen in Brüssel, wo nach unserem Eindruck kein besonders versöhnlicher Ton herrschte…

Das war wahrscheinlich für die Heimatfront bestimmt, "for home consumption". Aber so viel ich aus Brüssel höre, gibt es da doch ein grundsätzliches Einvernehmen zwischen Belgrad und Prishtina, dass man jetzt wieder verhandelt. Und das bedeutet natürlich vor allem, dass man diese Assoziation der Communities für die serbischen Mehrheitsgemeinden machen will. Da ist ja Prischtina tatsächlich säumig seit 2013. Wenn das gelingt, dann ist da auch eine gewisse psychologische Barriere überwunden. Das Misstrauen muss man ja abbauen, das geht halt bloß schrittweise. Ich sehe aber ingesamt den Prozess in die entscheidende Phase eintreten. Insofern bin ich froh, dass er (Herr Djuric), Anm. d. Red.) freigelassen worden ist. Das hätte natürlich schon zu einem Problem führen können. Gleichzeitig hat das auch die Nervosität zwischen den beiden Seiten gezeigt.

Es wird ja gesagt, dass Serbien im Gegenzug die Aufnahme Kosovos in die UN tolerieren würde. Davon war dann nach dem Treffen in den USA nicht mehr die Rede. Woran liegt das?

Das ist ja sozusagen das Ziel für Prischtina. Und das wird sich sicherlich noch einige Zeit hinziehen, bis Belgrad das akzeptieren kann. Das ist sicher die schwierigste Sache, aber ich glaube, dass hier die Bereitschaft, eine Lösung zu finden, sehr wichtig ist. Nicht unerwähnt bleiben darf dabei die Haltung Russlands. Ohne Sicherheitsrat-Einigung geht da natürlich auch nichts.

Was erwarten Sie jetzt, nach dem jüngsten Zwischenfall, als nächsten Schritt?

Dass man jetzt zurückkommt zur Sacharbeit und dann eine Lösung findet für die Assoziation der serbischen Mehrheitsgemeinden. Ich glaube, das ist jetzt der entscheidende Baublock, den man hier noch anbringen muss. Danach wird man dann überhaupt erst über eine Form der UNO-Mitgliedschaft oder etwas ähnliches für den Kosovo reden können. Da muss man sehen, welche Modelle möglich sind, abgesehen von einem Vollbeitritt, ob es da irgendwelche Zwischenstufen geben kann. Aber dieser Schritt wird sicher der schwierigste für Belgrad sein, indem man in irgendeiner Form die Anerkennung Kosovos durch die UNO gewährt.

Proteste in Mitrovica, im Norden des Kosovo, nach der Verhaftung von DjuricBild: Getty Images/AFP/Stringer

Der innerserbische Dialog, über den wir seit Wochen, Monaten schon, sprechen, hat keine große öffentlichen Wellen geschlagen. Man hat nicht den Eindruck, dass da viel in der serbischen Öffentlichkeit passiert.

Da haben Sie wohl recht. An dem Dialog beteiligen sich vor allem die besonders engagierten Gruppierungen. Ich sehe hier zu wenig Engagement noch von der Zivilgesellschaft, also von den eher liberal und offen eingestellten Nicht-Regierungsorganisationen. Da müsste einfach erkannt werden, dass das ein entscheidender Schritt ist. Der interne Dialog ist die notwendige Vorbereitung. Und das müsste eigentlich eine nationale Kraftanstrengung sein, hier einmal über die Parteien und über den Zwist in der Zivilgesellschaft hinweg, mit der Regierung an einem Strang zu ziehen. Es ist ganz wichtig, dass die verschiedenen Akteure in Serbien einmal als Einheit auftreten.

Das Gespräch führte Adelheid Feilcke.

Der österreichische Diplomat und Sozialdemokrat Wolfgang Petritsch war als österreichischer Botschafter in Belgrad von 1997 bis 1999 EU-Sonderbeauftragter für den Kosovo und EU-Chefunterhändler bei den Kosovo-Friedensverhandlungen von Rambouillet. Später war er von 1999 bis 2002 als Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina zuständig für die zivile Implementierung des Bosnien-Friedenvertrages von Dayton.

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