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Politik

Poroschenko: Staatsmann, Reformer, Oligarch

21. April 2019

In den fünf Jahren der Präsidentschaft von Petro Poroschenko hat sich die Ukraine stärker verändert als unter seinen Vorgängern. Doch sein Slogan "Auf neue Weise leben" sei nur ein Slogan geblieben, sagen Kritiker.

Ukraine Kiew - Petro Poroschenko zur geplanten Debatte ohne Kontrahenten Zelenskiy
Bild: picture-alliance/AP Photo/E. Lukatsky

"Niemand will eine Katze im Sack kaufen. Es muss ein wahrer Präsident und Oberbefehlshaber gewählt werde, der unser Land weiter in die EU und NATO führt", sagte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko jüngst vor seinen Anhängern. Dies ist das Leitmotiv seines Wahlkampfes. Poroschenko will für eine zweite Amtszeit wiedergewählt werden und positioniert sich mit aller Kraft als Staatsmann gegen seinen Herausforderer, den politisch unerfahrenen Showman Wolodymyr Selenskyj.

"Der beste Präsident der Ukraine"

Poroschenko ist seit zwei Jahrzehnten in der Politik. Er war in vier Parteien, viermal Abgeordneter, zweimal Minister sowie Chef des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats, erlebte neun Premierminister und drei Präsidenten. Seit fünf Jahren ist er selbst Präsident, der beste in der jüngeren Geschichte der Ukraine, meint der Politologe Andreas Umland. "Er war sehr erfolgreich in der Außenpolitik, sehr sicher und überzeugend in der internationalen Arena, ein guter Diplomat, der gut Englisch spricht", so Umland. Poroschenkos größte Errungenschaften seien die Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens, die Aufhebung der Visumpflicht für den Schengen-Raum sowie die Unabhängigkeit für die Orthodoxe Kirche der Ukraine.

Neben den "patriotischen" Wählern, denen die Verteidigungskraft des Landes und die Abgrenzung von Russland wichtig ist, unterstützen Poroschenko auch viele Unternehmer. Sie werden von den Finanz- und Aufsichtsbehörden weniger unter Druck gesetzt als früher. Hunderte Vorschriften wurden abgeschafft, die seit der Sowjetzeit Unternehmern das Leben schwer machten. Trotz des Krieges im Osten des Landes fließen ausländische Investitionen. Als der russische Absatzmarkt für viele ukrainische Waren wegfiel, wurden weltweit neue erschlossen. Und auch das: In fünf Jahren verbesserte sich die Ukraine im internationalen Doing-Business-Index von Platz 137 auf Platz 71. Dennoch ist die Korruption ein großes Thema des Wahlkampfs gewesen, auch im Zusammenhang mit Poroschenko.

Reformen nur unter Druck?

Doch wodurch wurden die Reformen tatsächlich angetrieben? War es politischer Wille der Staatsführung oder Druck des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU, die das Land im Gegenzug für Reformen vor dem Bankrott bewahrt haben? Hier gehen die Meinungen von Poroschenkos Anhängern und Kritikern auseinander. Das Ergebnis von Poroschenkos fünfjähriger Amtszeit - 16 Prozent der Stimmen in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen - spiegeln zumindest die große Skepsis. Der Komiker Wolodymyr Selenskyj erreichte hingegen ohne ein Team und ohne ein klares politisches Programm fast doppelt so viele Stimmen.

Wolodymyr Selenskyj nach seinem Sieg in der ersten WahlrundeBild: Getty Images/B. Hoffman

Angesichts der vom IWF verlangten unpopulären Reformen, darunter die Erhöhung der Gaspreise um ein Vielfaches, fiel Poroschenkos Wahlergebnis noch ganz ansehnlich aus. Vor allem im Vergleich zu seinen Vorgängern: Viktor Janukowitsch musste nach Russland fliehen und Viktor Juschtschenko wurde mit nur fünf Prozent der Stimmen abgewählt. Besser zu sein als seine Vorgänger, garantiert aber noch keine Wiederwahl. Laut Umfragen wollen in der Stichwahl weniger als 30 Prozent für Poroschenko stimmen.

Neuer Kurs, aber alte Methoden

Andreas Umland findet, dass Poroschenko seinen Slogan "Auf neue Weise leben" nicht ganz umgesetzt hat. "Er ist infolge eines anti-oligarchischen Aufstands an die Macht gekommen, wobei er selbst ein Oligarch ist. Er konnte diesen Widerspruch nicht überwinden und setzte die Herrschaft der oligarchischen Ordnung weitgehend fort", so der Politologe. Die breite pro-europäische Koalition, die 2014 ein halbes Jahr nach Poroschenkos Wahl im Parlament gebildet wurde, löste sich Anfang 2016 auf. Seitdem regiert Premier Wolodymyr Hrojsman, ein Vertrauter des Präsidenten, ohne eigene Parlamentsmehrheit. Kritikern zufolge ist die Staatsmacht hinter den Kulissen auf situative Kompromisse mit einzelnen Abgeordneten und Gruppen angewiesen, auf die das Big Business Einfluss nimmt.

Oleh Rybatschuk, als Ex-Vizepremier zuständig für europäische Integration, meint, Poroschenko habe einen neuen pro-europäischen Kurs verfolgen wollen, aber an alten oligarchischen Mustern festgehalten. Er habe die Sehnsucht der Menschen nach anderen Machtverhältnissen nicht erfüllt. Dem Gründer der gesellschaftlichen Bewegung "Tschesno" (Ehrlich) zufolge konnte Poroschenko - selbst Milliardär und Besitzer eines TV-Kanals sowie eines großen Süßwarenkonzerns - wie seine Vorgänger der Versuchung nicht widerstehen, sich in Dinge einzumischen, die nicht Sache des Präsidenten sind. "Der Sicherheitsdienst der Ukraine kümmert sich nicht um die Spionageabwehr, sondern greift ständig in Politik und Wirtschaft ein. Die Gerichte sind immer noch nicht unabhängig und Entscheidungen hängen oft vom Präsidialamt ab. Er ist umgeben von offen korrupten Personen und verschließt davor die Augen", kritisiert Rybatschuk.

Mit Freunden der Niederlage entgegen?

Zur "grauen Eminenz" in Poroschenkos Machtsystem zählen Beobachtern zufolge langjährige Geschäftspartner wie Oleh Hladkowskyj, der vor kurzem noch stellvertretender Chef des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates war, und Ihor Kononenko, der stellvertretende Chef von Poroschenkos Fraktion im Parlament. Sie stehen im Mittelpunkt von Skandalen, bei denen es um Korruption und Unterschlagung staatlicher Mittel geht. Poroschenko will davon nichts gewusst haben.

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