Pfarrer als Krimi-Schreiber
12. Mai 2006Steffen Hunder ist evangelischer Gemeindepfarrer an der Kreuzkirche in Essen. Er ist zugleich Krimi-Autor. Die Krimis und die Kirche, das liegt für den 48-Jährigen ganz eng beieinander. Er sieht in der Bibel permanent Geschichten, wo Menschen Grenzen überschreiten. "Da können sie im Paradies anfangen, wo Adam und Eva vom Erkenntnis essen, um zu wissen, wie man Gut und Böse unterscheidet." Für Hunder zieht sich das wie ein roter Faden durch die Bibel. "Immer taucht die Frage auf: Wie gehen Menschen damit um, wenn sie Grenzen überschreiten, wie geht Gott mit ihnen um, wenn sie diese Grenzen überschreiten?"
Eindeutige Grenzüberschreitungen hat Hunder auch in seinen Krimis thematisiert. Interessanterweise hat es dem evangelische Pfarrer vor allem die katholische Beichte angetan. So lässt er im "Pilgermord in Kevelaer" den Priester im Beichtstuhl ermorden, weil der als Beichtvater Dinge erfahren hat, die andere schwer belasten würden.
Die besseren Detektive von Haus aus?
Der Pastor als Seelsorger, als Beichtvater, das ist ein Motiv, das in vielen Krimis immer wieder auftaucht. Margot Käßmann, Bischöfin der hannoverschen Landeskirche, ist bekennende Krimi-Liebhaberin und kennt viele Krimis - auch klassische wie die mit Pater Brown -, in denen der Pfarrer detektivisch tätig wird: "Das hängt vielleicht schon damit zusammen, dass Pfarrer im besten Sinne im Dorf vieles wissen, was öffentlich gar nicht so klar ist", sagt Käßmann. "Weil sie in viele Häuser hinein kommen und wenn sie gerade lange in einem Dorf oder in einer Kleinstadt sind, doch sehr viel Hintergrund kennen. Und das macht es vielleicht so spannend zu sagen, wenn der jetzt ermitteln würde, der würde viel schneller Zusammenhänge erkennen, die andere auf den ersten Blick so gar nicht sehen."
Message inklusive
Pfarrer Wolfgang Seehaber geht es in seinen Büchern nicht nur um den spannenden Plot. Er versucht in den Krimis wie "Lauras Vermächtnis", "Sündflut" oder "Das kosmische Kind" auch seine eigene Theologie unterzubringen. Zum Beispiel, wenn Menschen bei Trauerfeiern fassungslos da stehen und fragen: Warum hat Gott diesen Menschen sterben lassen? "Eine Frage, die kein Pastor beantworten kann. Und da habe ich einen Pastor beschrieben, der diese Fragen und diese Trauer nur ertragen kann, indem er sich selbst vorstellt, dass Gott auch weint, mittrauert, furchtbar darum trauert, dass Menschen so was tun."
Nicht immer brav und lieb sein
In den vergangenen Jahren haben rund 20 deutsche Pfarrerinnen und Pfarrer in die Tasten gegriffen, um Krimis zu schreiben. Der Kieler Pfarrer Wolfgang Seehaber meint den Grund zu kennen: "Vielleicht brauchen auch Pastoren mal diesen Ausgleich, dass man mal in kriminelle Ecken marschieren darf, nicht immer so brav und lieb auf der geraden Straße marschiert, sondern mal sagt: Ich gehe mal diese dunklen Seitenwege und in die Finsternis eines Mörders. Das kann ganz entspannend sein, wenn man an der Maschine sitzt und denkt: den bringe ich jetzt um. Das baut zwar keine eigenen Wut ab, die habe ich beim Schreiben auch nie, sondern es ist einfach schön: Man ist nicht immer dieser brave liebe Pastor, der Vorbild ist für alle, sondern ist so ein finsterer Komplottschmied, das kann man auch genießen."
Und die Leser genießen die Kirchenkrimis manchmal auf ihre Art, wie die Dortmunder Pastorin und Krimiautorin Anne-Katrin Koppetsch erfahren hat: "Eine besonders nette Reaktion habe ich mal bekommen von einem pensionierten Kollegen, der gesagt hat: Das war ja so ein nettes Buch, das hab ich erst mal allen geschickt, die ich nicht leiden
konnte, vor allen Dingen dem Superintendenten."