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Pharmariesen streben nach Wachstum

Kay-Alexander Scholz5. Februar 2004

Fusionen sind wieder ein Thema: Derzeit sorgt die geplante Übernahme des französisch-deutschen Pharmakonzerns Aventis für Schlagzeilen. Das könnte der Auftakt zu einer neuen Fusionswelle sein.

Sanofi-Synthelabo will wachsen - und Aventis kaufenBild: AP

Im internationalen Vergleich hat die Pharmaindustrie in Deutschland den Anschluss an die Weltspitze verpasst, beklagt nicht nur der deutsche Verband Forschender Arzneimittelhersteller. Deutschland ist zwar europaweit der größte und weltweit der drittgrößte Markt für die pharmazeutische Industrie, doch die "Apotheke der Welt" wie noch in den 1980er-Jahren, das ist Deutschland nicht mehr.

Heute dominieren US-amerikanische und britische Konzerne den globalen Pharmamarkt. Umsatzführer waren 2002 Pfizer (USA 40,3 Mrd. Dollar), GlaxoSmithKline (Großbritannien 27 Mrd.) und Merck & Co. (USA 21,6 Mrd). Das erste Unternehmen mit deutscher Beteiligung (Aventis 16,6 Mrd.) findet sich an Position 6. Bekanntheitsprimus Bayer belegt mit 4,3 Mrd. gerade mal Platz 18 (siehe Tabelle unten).

Der Pillenknick

Für Branchenkenner Professor Klaus Pohle, früherer Schering-Finanzvorstand und jetziges Aufsichtsratsmitglied der LION BioScience AG, spielen deutsche Pharmaunternehmen inzwischen nur noch in der "Bezirksklasse". Schuld daran sei eine innovationsfeindliche Mischung aus Bürokratie und falscher Forschungspolitik. "Dadurch hat Deutschland zehn Jahre verloren", sagt Pohle im Gespräch mit DW-WORLD.

Dennoch sei das, was in Deutschland passiert, maßgebend für die Pharmaindustrie in ganz Europa, erklärt Pohle. Andere Staaten nehmen sich Europas Wirtschaftskraft Nummer eins zum Vorbild und wenn Deutschland die Preise senkt, dann muss man nachziehen.

Der Renditedruck

Im Zuge der jetzt diskutierten Übernahme von Aventis durch das französische Unternehmen Sanofi-Syntelabo betonen Analysten immer wieder einen Zwang zur Größe, der internationale Pharmakonzerne in neue Fusionen treibe. Für Pohle ist das eher ein Zwang zur Innovation.

Die Entwicklung, Erprobung und Zulassung eines neuen Medikament dauert derzeit durchschnittlich 12 Jahre. Wenn es dann auf dem Markt ist, bleiben sechs bis neun Jahre, um damit "großes Geld zu verdienen". Danach läuft der Patentschutz ab und so genannte Generika drängen auf den Markt. Wegen dieser Nachahmerpräparate kann das Originalmedikament enorm an Marktanteilen verlieren. In den USA zum Beispiel falle der Marktpreis dann auf 40 Prozent, erläutert Pohle.

Ein Mitarbeiter der Bayer AGBild: AP

Die Marktstabilität eines Pharmaunternehmens hängt wesentlich davon ab, wie viele künftige Medikamente in der "Pipeline" sind. Haben Unternehmen nicht genügend neue Produkte entwickelt, bleibt nur die Übernahme von Konkurrenten mit lukrativeren Forschungsergebnissen. Je größer ein Pharmaunternehmen, umso mehr Geld kann es in die Forschung investieren und umso unempfindlicher ist es, wenn ein hoffnungsvolles Projekt ausfällt.

Zudem würden die Finanzmärkte immer höhere Renditen von den Unternehmen erwarten, sagt Merck Finck-Analystin Sabine Eberhardt. Diese könnten nur mit umsatzstarken Blockbuster-Medikamenten erzielt werden. Doch solche Megaseller sind bei der Markteinführung mit extrem hohen Marketing-Kosten verbunden. Dadurch würden die Ausgaben der Pharmabranche regelrecht "explodieren".

Die Hilfsmaßnahmen

Bild: Bayer

Es bleibt der Rückzug in eine Nische, wie das die deutsche Schering AG erfolgreich auf dem Markt der Empfängnisverhütung getan hat. Aber hier ist nur ein Bruchteil von dem zu verdienen, was auf dem lukrativeren Markt der Herz- Kreislaufprodukte zu erwirtschaften ist - der entsprechend von den Branchenriesen besetzt ist. Kleine, breit aufgestellte Unternehmen wie Bayer drohen auf der Strecke zu bleiben. "Bayer ist zu klein, um weltweit bestehen zu können," meint Analystin Eberhardt.

"Am Ende werden deutlich weniger als zehn große, weltweit aktive Unternehmen übrig bleiben", sagt Fusions-Experte Thomas Kautzsch von der Unternehmensberatung Mercer. Auch die derzeitigen Branchenführer sind durch Übernahmen gewachsen. Pfizer schluckte 2002 den Konkurrenten Pharmacia. Bei GlaxoSmithKline zeugt schon der Name von der Fusionsgeschichte. Auch Aventis wurde aus der französischen Rhône-Poulenc und der deutschen Hoechst AG geschmiedet und gilt als erfolgreiches Beispiel für eine Fusion.

Experten rechnen nicht mit einer Zunahme feindlicher Übernahmen und berufen sich hierbei auf die Zusammenschlüsse der letzten 20 Jahre. Mit Ausnahmen der Übernahme der Warner-Lambert Co. durch den US-Pharmariesen Pfizer im Jahr 2000 kam es in der Regel zu "freundlichen" Übernahmen. Auch die menschliche Komponente spiele bei der Frage der Übernahme eine Rolle, so Pohle. "Die Basis eines erfolgreichen Pharmaunternehmens sind leistungsstarke Forscher und bei unfreundlichen Übernahmen begeistern sie die Mitarbeiter nun mal nicht."