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Anti-Handy-Spiel

3. Februar 2012

Das Handyspiel "Phone Story" zeigt die unmenschlichen Bedingungen, unter denen Handys produziert werden. Das Geld aus dem Verkauf geht an eine Arbeitsschutzorganisation.

Auf einem Smartphone wird gerade das Spiel 'Phone Story' gespielt (Foto: DW)
Als "Spieler" muss man die Kinder zur Arbeit antreibenBild: DW

In einer Mine irgendwo im Kongo hocken halbnackte Kinder und bauen mit einfachsten Werkzeugen das Erz Coltan ab. Wenn eines der Kinder eine kleine Pause macht, kommen sofort zwei mit Maschinengewehren bewaffnete Wachen und schreien es an. Schließlich muss es schnell gehen, das Coltan wird zur Handy-Herstellung gebraucht. Die ähnlich wie ein Cartoon stilisierte Mine ist das erste Level des Handyspiels "Phone Story". Der Spieler schlüpft in die Rolle der Wachen. Wer die Kinderarbeiter ausreichend angeschrien hat, kommt ein Level weiter.

Das Spiel könnte auch Realität sein. In den afrikanischen Coltan-Minen werden die Arbeiter - häufig Kinder - ausgebeutet. Von den Gewinnen der Minen werden Bürgerkriege finanziert.

Die Geschichte eines Smartphones

"Phone Story" zeigt auf drastische Art und Weise die unmenschlichen Produktionsbedingungen moderner Handys: Der Spieler muss Kinderarbeiter in Afrika quälen oder Arbeiter auffangen, die aus Verzweiflung wegen der schlechten Arbeitsbedingungen vom Fabrikdach springen. Dazu ertönt eine Computerstimme und erklärt die Produktionsbedingungen der Handys: "Wie die meisten elektronischen Geräte wurde auch dieses Handy in China zusammengebaut, in einer Fabrik, so groß wie eine Stadt. Die Menschen, die hier arbeiten, werden immer wieder Opfer von Missbrauch und Diskriminierung. Sie arbeiten unter unmenschlichen Bedingungen und müssen illegale Überstunden leisten. Innerhalb weniger Monate begingen mehr als 20 Arbeiter aus Verzweiflung Selbstmord."

Die Serie von Selbstmorden ereignete sich im Jahr 2010 in Fabriken des taiwanesischen Elektronikherstellers Foxconn. Foxconn baut unter anderem die iPhones und iPads für Apple zusammen.

Spiel aus Apples App Store gelöscht

Die italienische Softwareschmiede "Molleindustria" brachte "Phone Story" im September letzten Jahres auf den Markt. Als "Anti-iPhone-Game für’s iPhone" bezeichneten die Macher von "Phone Story" das Game-App bei der Veröffentlichung. Die Programmierer arbeiteten ehrenamtlich, die Einnahmen durch den Verkauf im App Store von Apple sollten an die in Hongkong ansässige Arbeitsrechtsorganisation "Students and Scholars Against Corporate Misbehavior", kurz SACOM gehen.

Doch der iPhone-Hersteller Apple verstand keinen Spaß. Innerhalb weniger Stunden nach der Veröffentlichung löschte der Computerkonzern das Spiel aus dem App Store. Die Begründung: "Phone Story“ zeige grausame Inhalte, den Missbrauch von Kindern und außerdem müsse eine App, die Spenden sammle, kostenlos sein. Paolo Pedercini von Molleindustria hält diese Begründung allerdings für vorgeschoben. Zwar zeige das Spiel schwarzen Humor und Gewalt, aber auf eine cartoon-artige, stilisierte Art und Weise, so Pedercini schriftlich gegenüber DW-WORLD.DE. "Das Spiel ist milder als manch anderes Spiel im App Store. Was die Darstellungen so verstörend macht, ist vielmehr die Verbindung, die der Spieler zur Situation in der realen Welt knüpft."

Erlös geht an überlebende Suizidopfer

In der kurzen Zeit, in der "Phone Story" im App Store erhältlich war, wurde es über 900 Mal heruntergeladen. Seit der Sperrung durch Apple ist das Spiel nur noch in Googles "Android Market" zu bekommen. Laut Molleindustria wurde es dort rund 4600 Mal heruntergeladen. Rund 6000 Dollar sind seit September 2011 zusammengekommen. In dieser Woche will Molleindustria das Geld an SACOM überweisen.

Chinesinnen bei Foxconn arbeiten unter härtesten BedingungenBild: dapd

Phone Story sei ein beeindruckendes Projekt, sagt Debby Chan von SACOM. "Es ist nicht einfach nur ein Computerspiel, es ist ein Bildungsprogramm, eine Kampagne, um das Bewusstsein der Konsumenten zu schärfen, wenn sie ein Smartphone kaufen." Der Spender möchte, dass SACOM das Geld an die überlebenden Suizidopfer von Foxconn weiterleite, so Chan. "Das machen wir."

"Phone Story" ist nicht das einzige Spiel von Molleindustria. Die Programmierer haben bereits eine ganze Reihe so genannter "Radical Games" kreiert. Allen Spielen gemeinsam ist die Beschäftigung mit einem politischen oder sozialen Missstand: Der Spieler muss Fastfood-Ketten managen, Ölkonzerne leiten oder sexuellen Missbrauch in der Katholischen Kirche vertuschen.

Autor: Christoph Ricking
Redaktion: Ziphora Robina

Der Abbau von Coltan in kongolesischen Minen ist lebensgefährlichBild: dapd