Die Schau "PHOTO no SHOOTING!" im Museumsberg Flensburg zeigt Arbeiten zweier preisgekrönter Fotografen - des Russen Dmitry Vyshemirsky und des Ukrainers Yuriy Kosin.
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"PHOTO no SHOOTING!": russisch-ukrainische Fotoausstellung
Der Museumsberg Flensburg zeigt Fotos vom Alltag in der Ukraine. Aufgenommen haben sie zwei preisgekrönte Fotografen: der Russe Dmitry Vyshemirsky und der Ukrainer Yuriy Kosin.
Bild: Dmitry Vyshemirsky
Lenin muss gehen
Der Kurator der Ausstellung "PHOTO no SHOOTING!", Michael Fuhr, sagt, dieses Bild von Yuriy Kosin sei sein Lieblingsbild. Es zeigt eine gestürzte Lenin-Statue auf der Ladefläche eines Lastwagens. Die vorbeifahrende Bäuerin kommt gerade von der Ernte: Sie hat eine Hacke bei sich und frisch geerntete Feldfrüchte in ihrer Tasche.
Bild: Yuriy Kosin
Auf den Straßen von Kaliningrad
Dieses Foto von Dmitry Vyshemirsky zeigt Mitglieder einer Marschkapelle, die sich in Kaliningrad auf ihren Auftritt vorbereiten. Die russische Exklave liegt zwischen Polen und Litauen und ist die Heimatstadt des Fotografen.
Bild: Dmitry Vyshemirsky
Geteiltes Erbe
In seiner Serie "Verzeih mir, Kaliningrad", erkundet Vyshemirsky die kulturelle Vielfalt und komplexe Geschichte der Gegend. Vom 17. Jahrhundert bis 1946, als die Stadt zu Deutschland gehörte, hieß sie Königsberg.
Bild: Dmitry Vyshemirsky
Proteste in Berlin
Die russische Invasion in die Ukraine in diesem Jahr zog weltweit Antikriegs-Proteste nach sich. Dieses Foto von Dmitry Vyshemirsky entstand im März in Berlin, wo Demonstrierende mit einer riesigen ukrainischen Flagge ihre Solidarität bekundeten.
Bild: Dmitry Vyshemirsky
Spielende Kinder
Auf diesem Foto hält Dmitry Vyshemirsky spielende Kinder vor einem Haus fest. Vyshemirsky bezeichnet sich selbst als "Ukrainer mit russischem Pass". Seine Familie wurde in Russland geboren, war politischen Repressionen ausgesetzt und wurde vom Regime zwangsumgesiedelt. Schließlich ließen sie sich in Kaliningrad nieder.
Bild: Dmitry Vyshemirsky
Sommer im Wasser
Dieses Bild von Yuriy Kosin, das Jungen beim Planschen in einem Fluss zeigt, zeigt, wie das normale Leben ukrainischer Kinder aussah, ehe die Russen am 24. Februar 2022 in die Ukraine einmarschierten. Kurz nachdem russische Truppen seine Heimatstadt Irpin bei Kriegsbeginn bombardiert hatten, floh Kosin zu Fuß nach Kiew und schließlich weiter nach Krakau.
Bild: Yuriy Kosin
Ein Land im Krieg - seit 2014
Auf seiner Flucht nahm Yuriy Kosin nur das mit, was er tragen konnte, darunter eine Festplatte mit einigen Bildern. Auch wenn dieses Motiv nicht neu ist, so ist es doch repräsentativ für die heutige, vom Krieg gezeichnete Realität in der Ukraine. Weitere Bilder von Kosin und Vyshemirsky zeigt der Museumsberg Flensburg noch bis zum 23. Oktober 2022 in der Ausstellung "PHOTO no SHOOTING!".
Bild: Yuriy Kosin
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In den Sommerausstellungen vieler deutscher Museen geht es um leichtere Themen. Michael Fuhr, Kurator des Museumsbergs Flensburg, entschied sich dagegen, die Augen nicht vom aktuellen Weltgeschehen abzuwenden. "Wir hatten für diesen Sommer eine andere Ausstellung geplant", sagt Fuhr im Gespräch mit der DW.
"Aber nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine hatte ich das Gefühl, dass ich nichts Leichtes ausstellen kann, und ich wollte unbedingt etwas zu diesem Thema machen und möglichst einen Beitrag zum Frieden leisten." Heraus kam die Ausstellung "PHOTO no SHOOTING!", ein Wortspiel mit dem Begriff "Photoshooting", der sich aus den englischen Wörtern für "Foto" und "Schießerei" zusammensetzt.
Ukrainer erzählen vom Leben unter russischer Besatzung
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Im März erhielt Fuhr einen Anruf von dem in Berlin lebenden russischen Fotografen Dmitry Vyshemirsky, der vorschlug, eine Ausstellung zum Ukraine-Russland-Krieg zu organisieren. "Und dann schlug er vor, seinen Freund Yuriy Kosin einzubeziehen, der zu diesem Zeitpunkt aus der Ukraine floh", erzählt Fuhr. Kosin lebte in Irpin, das von den russischen Streitkräften schwer bombardiert wurde. Kosin floh zu Fuß, erst nach Kiew und dann weiter nach Krakau, wo seine Tochter lebt.
"Dmitry erreichte ihn am Telefon. Yuriy erzählte mir später, dass dies ein sehr, sehr wichtiger Moment für ihn war. Er wusste, dass er fliehen musste, aber auf der anderen Seite wartete jemand auf ihn, und dort war ein Projekt in Planung. Das hat ihm Mut gemacht", erinnert sich der Kurator.
Vyshemirsky: "Ukrainer mit russischem Pass"
Es sei sehr ungewöhnlich gewesen, diese Ausstellung zu kuratieren, weil er die Fotografen nicht zur Auswahl der Bilder habe einladen können, sagt Michael Fuhr. Zudem sei es schwierig gewesen, überhaupt Bilder zu bekommen. Yuriy Kosin habe auf seiner Flucht nur mitgenommen, was er tragen konnte.
"Ich musste zuerst einen Laptop für ihn organisieren", erzählt Fuhr. "Ich habe das Geld überwiesen, damit seine Tochter einen kaufen konnte. Und dann hat er mir die Fotos geschickt, die er auf einer Festplatte gespeichert hatte." Schließlich gelang es Fuhr, hochauflösende Bilder zu bekommen, die er für die Ausstellung in Flensburg ausdruckte.
Die Ausstellung ist auch ungewöhnlich, da sie die Arbeiten eines russischen Fotografen mit denen eines ukrainischen Fotografen zusammenbringt. Vyshemirsky sage häufig, er sei ein "Ukrainer mit russischem Pass", so Fuhr. In der Ukraine in eine Familie geboren, die unter dem repressiven Regime der Sowjetunion als "politisch unzuverlässig" galt, wurden die Vyshemirskys von den Behörden mehrmals zwangsumgesiedelt, bis sie sich 1960 schließlich in Kaliningrad niederließen, weshalb der Fotograf einen russischen Pass besitzt.
"Für mich sind Russland und die Ukraine in meinem Herzen vereint. Ich habe zwei Kulturen. Es tut mir Leid, wenn ich höre, dass viele Künstler aus der Ukraine nichts mit ihren russischen Kollegen zu tun haben wollen", sagte Vyshemirsky dem deutschen TV-Sender NDR. Auch Kosin hält die Feindschaft zwischen den Menschen der beiden Länder für reine Propaganda. "Es gibt keinen Konflikt zwischen Russen und Ukrainern", sagte er dem NDR. "Sie sind seit Jahren befreundet."
Vom Krieg bedroht: Die UNESCO-Welterbestätten in der Ukraine
Während Russland seinen zerstörerischen Krieg in der Ukraine fortsetzt, hat die UNESCO dazu aufgerufen, das ukrainische Kulturerbe zu schützen - einschließlich der sieben Welterbestätten.
Bild: Brendan Hoffman/Getty Images
Lwiw: Historisches Zentrum
Die in der West-Ukraine gelegene Stadt Lwiw wurde im späten Mittelalter gegründet und war jahrhundertelang ein wichtiges Zentrum für Verwaltung, Religion und Handel. Das zeigen die Gotteshäuser verschiedener Religionsgemeinschaften. Charakteristisch sind auch die barocken Gebäude - sie zeigen, wie sich damals die osteuropäische Bauart mit deutschen und italienischen Einflüssen vermischte.
Bild: CSP_OleksandrLysenk/imago images
Kiew: Sophienkathedrale und Höhlenkloster Lawra Petschersk
Die Kathedrale aus dem 11. Jahrhundert wurde gebaut, um der Hagia Sophia (im heutigen Istanbul) Konkurrenz zu machen. Ihre Mosaike und Fresken befinden sich in einem beeindruckenden Zustand. Die Sophienkathedrale in Kiew hatte großen Einfluss auf andere Tempelbauten. Gemeinsam mit dem nahe gelegenen Klosterkomplex trug sie bei, dass die Gegend zu einem Zentrum des orthodoxen Glaubens wurde.
Bild: Brendan Hoffman/Getty Images
Czernowitz: Residenz der orthodoxen Metropoliten der Bukowina und Dalmatiens
Die ehemalige Residenz des Metropoliten - also dem geistlichen Vorsteher der orthodoxen Kirche in Bukovina und Dalmatien - zeugt von byzantinischen, gotischen und barocken Einflüssen. Der Bau spiegelt die vielfältige religiöse und kulturelle Identität der österreichisch-ungarischen Monarchie wider. Der Komplex wurde von 1864 bis 1882 vom tschechischen Architekten Josef Hlávka erbaut.
Bild: maxpro/imago images
Staro-Nekrassowka: Struve-Bogen
Der Struve-Bogen erstreckt sich über 2821 Kilometer von der Ukraine bis nach Hammerfest, Norwegen. Entlang dieser Strecke vermaß der Astronom Wilhelm Struve die Erdkugel und leitete daran die genaue Form des Erdkörpers ab - eine grandiose wissenschaftliche Leistung, die als Weltkulturerbe geadelt wurde. Das Foto aus dem Jahr 1985 zeigt das Denkmal des Struve-Bogens in Norwegen.
Bild: The Print Collector/Heritage-Images/picture alliance
Sewastopol: Antike Stadt Chersones und ihre Chora
Die Stadt Chersones wurde im 5. Jahrhundert v. Chr. von dorischen Griechen gegründet. Ihre Ruinen befinden sich bei Sewastopol im Südwesten der Krim, die 2014 illegal von Russland annektiert wurde. Die Stätte umfasst öffentliche Gebäudekomplexe und Wohnviertel, frühchristliche Denkmäler und Überreste von Siedlungen aus der Stein- und Bronzezeit. Besonders gut erhalten sind die Weinbergsparzellen.
Bild: OLGA MALTSEVA/AFP/Getty Images
Oblast Transkarpatien: Holzkirchen der Karpatenregion
Dieses Welterbe besteht aus insgesamt 16 "Tserkvas" oder Kirchen. Sie sind in der Gebirgskette der Karpaten verteilt, die sich über die Ukraine und Polen erstrecken. Die Holzblockbauten wurden zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert von orthodoxen und griechisch-katholischen Gemeinden erbaut. Sie sind ein Beispiel für die Holzbautradition der slawischen Länder. Auch ihre Innenausstattung ist berühmt.
Bild: Serhii Hudak/Ukrinform/imago images
Oblast Transkarpatien: Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten
Ebenfalls im Westen der Ukraine befindet sich das Weltnaturerbe der Buchenwälder und Buchenurwälder. Das gesamte UNESCO-Naturerbe umfasst 94 Gebiete in 18 Ländern. Dieses Foto zeigt den Wald von Uholka-Schyrokyj Luh in der Ukraine. Die Buche breitete sich hier nach der letzten Eiszeit vor 11.000 Jahren aus und ist heute ein wichtiger Bestandteil dieses naturbelassenen und komplexen Ökosystems.
Bild: Serhiy Hudak/Ukrinform/imago images
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Ende der Sowjetunion prägnant eingefangen
Die scharfen blauen Augen eines Soldaten blicken in die Kamera, Kinder verstecken sich hinter einer Mauer, Jungen planschen in einem Bach: Dies sind einige Eindrücke aus der Ukraine, gesehen durch die Augen von Vyshemirsky und Kosin.
"Eines meiner Lieblingsfotos ist von Yuriy Kosin", sagt Michael Fuhr. Das Bild, 2004 während der sogenannten Orangenen Revolution aufgenommen, zeigt eine riesige Lenin-Statue, die von ihrem Sockel gestürzt und auf einen Lastwagen geladen wurde, um abtransportiert zu werden. In diesem Moment fährt eine Bäuerin mit ihrer Ernte auf dem Fahrrad vorbei. "Ich finde dieses Foto so erstaunlich, weil ich mir kein anderes vorstellen kann, das das Ende der Sowjetunion so prägnant einfängt", sagt Fuchs.
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Fotos einer bewegten Geschichte
Die Fotos erzählen die Geschichte der Orangenen Revolution, des Euro-Maidan und der Tschernobyl-Tragödie, sagt der Kurator, der das Ziel der Ausstellung darin sieht, "der Öffentlichkeit in Deutschland zu zeigen, was für ein Land die Ukraine wirklich ist, ihre Geschichte und Kultur. Was sind das für Menschen, die dort leben? Was bewegt sie und was verlieren wir alles in diesem Krieg?"