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Den Schwarzen Löchern auf der Spur

6. Oktober 2020

Andrea Ghez (USA), Reinhard Genzel (Deutschland) und Roger Penrose (Großbritannien) haben einige Rätsel Schwarzer Löcher gelöst. Erklärungen und Reaktionen zum diesjährigen Physik-Nobelpreis.

Künstlerische Darstellung Schwarzes Loch
Bild: Reuters/NASA

Was ist ein schwarzes Loch?

02:23

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Der Mathematiker Roger Penrose (geboren 1931 im britischen Colchester) bekommt den Preis für die Entdeckung, dass die Bildung von Schwarzen Löchern  eine robuste Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie ist.

Reinhard Genzel (geboren 1952 in Bad Homburg) und Andrea Ghez  (geboren 1965 in New York City) werden ausgezeichnet für die Entdeckung eines supermassiven kompakten Objekts im Zentrum unserer Galaxie. Das teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm mit. 

Penrose erfand mathematische Methoden

Penrose erfand geniale mathematische Methoden, um Albert Einsteins allgemeine Relativitätstheorie zu erforschen, wie das Nobelkomitee mitteilte. Er habe gezeigt, dass diese Theorie zur Bildung von Schwarzen Löchern führt, jenen Monstern in Zeit und Raum, die alles erfassen, was ihnen nahe kommt.

Für Aufsehen sorgte Penrose in den 1960er Jahren mit seinen Berechnungen zum Kollaps von Sternen. Durch die Umwandlung von Wasserstoff in Helium und andere Elemente produzieren Sterne Energie. Was aber, wenn ein Stern, der viel größer als unsere Sonne ist, seine Energie verfeuert hat? Hält die Schwerkraft ihn trotzdem irgendwie zusammen oder kollabiert er? Penrose konnte mathematisch nachweisen, dass sich die ganze Sternenmaterie zu einem Punkt zusammenzieht. An dieser Singularität führt nach Einsteins Relativitätstheorie kein Weg vorbei. Diese Singularität bekam bald den Namen "schwarzes Loch". 

Genzel und Ghez fanden die Schwarzen Löcher

Genzel und Ghez machten ihre Entdeckungen in den 1990er Jahren unabhängig voneinander. Sie entdeckten, dass ein unsichtbares und extrem schweres Objekt die Umlaufbahnen der Sterne im Zentrum unserer Galaxie beherrscht. Ein supermassives Schwarzes Loch sei dafür die einzige derzeit bekannte Erklärung.Genzel, Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching bei München, konnte mit seinem Team zeigen, dass die Bahn eines Sterns, der um das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße kreist, einer Rosette folgt, wie es von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie vorhergesagt wurde, und nicht in einer Ellipse, wie Newtons Schwerkrafttheorie es vorhersagen würde. 

Was ist ein schwarzes Loch?

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"Dieser berühmte Effekt wurde erstmals bei der Umlaufbahn des Planeten Merkur um die Sonne beobachtet und war der erste Beweis für die Allgemeine Relativitätstheorie", sagte Genzel. "Hundert Jahre später haben wir nun den gleichen Effekt in der Bewegung eines Sterns entdeckt, der die kompakte Radioquelle Sagittarius A* im Zentrum der Milchstraße umkreist". Dies sei ein Durchbruch bei den Beobachtungen des galaktischen Zentrums, so der Astrophysiker. "Das stärkt unsere Überzeugung, dass sich dort ein supermassereiches Schwarzes Loch mit vier Millionen mal der Masse der Sonne befindet", so Reinhard Genzel. 

Ghez hat mit Hilfe von Infrarot-Teleskopie die Umlaufbahnen von Sternen in der Nähe des schwarzen Loches beobachtet. So konnte sie nachweisen, dass die Masse von Sagittarius A* der von etwa 4,1 Millionen Sonnen entspricht. 

"Direkte Strahlung oder die direkten Signale von diesem Schwarzen Loch sind schwer zu verfolgen", erklärt der Astronom Norbert Junke vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie die Herausforderung. "Also taten Genzel und Ghez es mit Sternen, die das Schwarze Loch umkreisen", so Junke im DW-Interview.  

Wie in einem Schwimmbad

Die beiden Forschenden seien dabei in etwa so vorgegangen, wie bei einem Loch auf dem Boden eines Schwimmbeckens. Um herauszufinden, wie groß es ist, können Wissenschaftler mit einer Taucherbrille direkt auf das Loch schauen. Aber was, wenn die Taucherbrille noch nicht erfunden worden ist? Wenn das Wasser in Form eines Strudels nach unten abfließt, lässt sich die Größe des Loches auch über die Geschwindigkeit eines Balls errechnen, der um den Strudel kreist.

In ähnlicher Weise umkreist der Stern S2 das schwarze Loch, und zwar mit enormen Geschwindigkeiten. "Damit hatten Genzel und Ghez Zugang zu den Parametern des Schwarzen Lochs", sagt Junke. "Und mit Beobachtungen im nahen Infrarotbereich konnten sie das aufspüren, es festhalten. Und das war die Hälfte des heute angekündigten Nobelpreises." 

Die höchste Auszeichnung für Physiker ist in diesem Jahr mit insgesamt zehn Millionen Kronen (rund 950 000 Euro) dotiert - eine Million Kronen mehr als im Vorjahr. 

Physik-Nobelpreis ist Männerdomäne

Andrea Ghez ist erst die vierte Frau, die den Nobelpreis in der Kategorie Physik erhält. In einer ersten Reaktion zeigte sie sich begeistert. Dass sie diesem Preis erhalte, bringe für sie auch viel Verantwortung mit sich. Sie hoffe, "andere junge Frauen für das Fachgebiet begeistern zu können". Es gebe noch so viel mehr als Schwarze Löcher zu erforschen. Aber auch diese bergen noch manches Geheimnis: "Wir haben keine Ahnung, was in einem Schwarzen Loch vor sich geht, das ist es, was diese Objekte so exotisch macht," sagte Ghez.  

Der Physik-Nobelpreis ist eine starke Männerdomäne.  Bisher hatten ihn erst drei Frauen verliehen bekommen. Mit der Ehrung von Ghez stieg der Frauenanteil nun von 1,4 auf 1,9 Prozent. 

Ihr Mitpreisträger Reinhard Genzel zeigte sich auf einer Pressekonferenz erfreut überrascht über die Auszeichnung der Nobel-Kommission: "Ich hab's wirklich nicht erwartet", so Genzel. "Es ist ein seltsames Jahr, wie wir wissen. Ich war heute morgen in einer virtuellen Konferenz. Dann klingelt das Telefon und dann sagt da jemand 'This is Stockholm' und ich hab gedacht 'Eieiei, so schlimm ist es jetzt schon mit mir'." 

Schließlich hatte Reinhard Genzel und Andrea Ghez bereits 2012 von der Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften den Crafoord-Preis in Astronomie erhalten. "Dann ist man eigentlich raus aus dem Geschäft", erläuterte der 68-Jährige. Er sei für den Nobelpreis "wahnsinnig dankbar". Für ihn sei die Auszeichnung so schön, weil es auch eine Ehre für die Max-Planck-Gesellschaft sei, "die uns so viel zur Verfügung gestellt hat". Und es sei eine Ehre für das ganze Team, das 30 Jahre geschuftet habe, "um uns immer besser zu machen".

Nach Ansicht von Anton Zensus, Direktor am Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie, sei der Preis an Genzel und Ghez “hoch gerechtfertigt“. Vor allem freute sich Zensus, dass eine Frau den Physik-Nobelpreis erhält: "Ich hoffe, dass das noch viel öfter passieren wird“, so Zensus. "Die Preise zeigen, dass die Gruppe aus den USA und die europäisch-deutsche Gruppe auf Augenhöhe forschen." 

Genzel habe über viele Jahre etwa mit dem Very-Large-Teleskop der Europäischen Südsternwarte das Zentrum unserer Milchstraße und die Bahnen der Sterne beobachtet, um daraus Hinweise auf das Schwarze Loch abzuleiten. "Er hat eine unglaubliche Begeisterung für die Wissenschaft und für sein Feld."

Im vergangenen Jahr hatte James Peebles  (Kanada/USA) für seine grundlegenden Erkenntnisse zur Entwicklung des Universums die eine Hälfte des Physik-Nobelpreises erhalten. Die andere Hälfte ging an die Schweizer Michel Mayor und Didier Queloz, die den ersten Exoplaneten entdeckt hatten, der um einen sonnenähnlichen Stern kreist.  

Mit der Bekanntgabe der Preisträger für Medizin begann am Montag die diesjährige Nobelpreissaison. Ausgezeichnet wurden die US-Forscher Harvey Alter und Charles Rice sowie ihr britischer Kollege Michael Houghton für die Entdeckung des Hepatitis-C-Virus

In den kommenden Tagen folgen der Preis für Chemie und Literatur, am Freitag der Friedensnobelpreis und am Montag die Auszeichnung für Wirtschaftswissenschaften. Wegen der Corona-Pandemie wurde die Preisverleihung im Dezember in Stockholm abgesagt, die Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo findet in kleinerem Rahmen statt. 

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