Picasso gilt als Titan der Kunst. Doch Ost und West nahmen den Spanier durch eine komplett andere ideologische Brille wahr. Das zeigt eine Ausstellung in Köln.
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Picasso - zerrissen im Kalten Krieg
Als Künstlergenie und erklärter Kommunist war Picasso ein Wanderer zwischen den Welten. Wie Ost und West auf den Maler blickten, zeigt eine Kölner Schau.
Bild: Imago Images/Zuma/Keystone
Die Friedenstaube als Symbol
Schon als Kind hatte Picasso die Tauben seines Vaters gezeichnet. In der sozialistischen DDR war seine Taube besonders beliebt, sie fand Platz auf vielen Plakaten der Friedensbewegung und in Schulbüchern. Und so war das vielfach variierte Friedenssymbol dort populärer und weiter verbreitet als die staatlichen Symbole Hammer und Zirkel im Ährenkranz.
Bild: Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Weltkarriere der Friedenstaube
Immer wieder variierte Picasso die Taube als Friedenssymbol, hier auf einem Plakat für den Weltkongress für allgemeine Abrüstung und Frieden in Moskau 1962. Das Motiv hatte Picassos Freund, der Dichter Louis Aragon, zufällig aus einem Stapel von Bildern in Picassos Atelier ausgewählt. Danach wurde die Friedenstaube zunächst im Osten, ab den Siebzigern auch im Westen weltberühmt.
Bild: Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Umstrittene Kunst des gefeierten Aktivisten
Es gab an die 60 Picasso-Ausstellungen in der DDR. Die Gemälde des Spaniers waren in der Nachkriegszeit bereits sehr teuer. Dennoch tourten Picassos Graphiken und Gemälde-Reproduktionen durch den Osten, wo er als Kommunist als vorbildlicher Aktivist galt. Allerdings erregten seine Bilder auch Unmut - wegen der nicht-realistischen, Malweise. Dieses Foto entstand 1966 in einem Dresdner Jugendclub.
Bild: Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Künstlergenie mit Casanova-Allüren
Ein Bild mit Seltenheitswert - jedenfalls im Westen: Picasso signiert auf dem Internationalen Jugendkongress in Nizza 1950 Tücher von Angehörigen der DDR-Jugendorganisation FDJ. Während er sich im Osten als kommunistischer Aktivist feiern ließ, blendete die westliche Kunstwelt den "politischen Picasso" komplett aus. Hier galt der Spanier als Künstlergenie mit Casanova-Allüren.
Bild: Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2021
"Tempel des Friedens" in Vallauris
Mit seinem Doppelgemälde "Krieg und Frieden" wollte Picasso die Schlosskapelle im südfranzösischen Vallauris in einen "Tempel des Friedens" verwandeln, indem er die Gräuel des Krieges malte. Häufig führte Picasso Aufträge aus, die Parteigenossen an ihn herantrugen. Sogar Stalin porträtierte er zu dessen Geburtstag oder zeichnete den sowjetischen Kosmonauten Yuri Gagarin.
Bild: Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2021
"Lesende Frau"
Wie bei diesem Frauenporträt verzerrte Picasso seine Motive häufig perspektivisch, löste sie in ihre Bestandteile auf und komponierte sie am Ende neu. Im Westen feierte die Kunstwelt den "Erneuerer der Kunst", während sie den politischen Picasso unterschlug. Der sozialistische Osten hingegen vereinnahmte Picasso als vorbildlichen kommunistischen Aktivisten. Picasso gefiel beides.
Bild: Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Politische Kunst des Malerstars
Picasso schuf viele politische Werke, darunter dieses "Massaker in Korea" über ein US-amerikanisches Kriegsverbrechen. Berühmt auch seine Anti-Kriegsgemälde "Guernica" oder "Das Leichenhaus", sowie sein Doppelgemälde "Krieg und Frieden" in der Kapelle von Vallauris. Was man im Westen nicht so gerne sah: Picasso war Kommunist und ein politischer Künstler
Bild: Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2021
"Der hätte hier nicht studieren dürfen"
Picasso war seit 1944 KP-Mitglied. "Mein Beitritt zur kommunistischen Partei ist die logische Folge meines ganzen Lebens und meines ganzen Schaffens", schrieb er einmal. Aus Protest gegen den "Radikalenerlass", der in den 1970-er Jahren die Beschäftigung linker "Verfassungsfeinde" im westdeutschen Staatsdienst verhindern sollte, nutzte ein anonymer Plakatkünstler dieses Bekenntnis Picassos.
Bild: Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2021
Zwischen Ost und West: Der geteilte Picasso
Picasso reiste zu Friedenskongressen in den Osten, für die er Plakate oder dieses Tuch der französischen Delegation bei den Weltjugendfestspielen in Ost-Berlin 1951 gestaltete. Ost und West nahmen Picasso und seine Werke ganz unterschiedlich wahr, wie die Ausstellung "Der geteilte Picasso" im Kölner Museum Ludwig auf eindrucksvolle Weise zeigt.
Bild: Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2021
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Ein gefragter Künstler ist Pablo Picasso (1881-1973) auch heute noch - 48 Jahre nach seinem Tod. Erst im Mai 2021 ersteigerte ein Kunstsammler bei Christie's in New York ein Picasso-Werk für 103,4 Millionen Dollar. 2015 wechselte das bis dahin teuerste Gemälde, "Die Frauen von Algier", für 179,4 Millionen Dollar den Besitzer. Seine Werke bleiben gefragt. Doch wer war Picasso, der mit vollem Namen übrigens "Pablo Diego José Francisco de Paula Juan Nepomuceno María de los Remedios Cipriano de la Santísima Trinidad Ruiz y Picasso" hieß?
Fast alles scheint über den aus Malaga stammenden Maler, Bildhauer und Graphiker gesagt und geschrieben worden zu sein. Etwa, dass er einer der einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts war, ein arbeitswütiges Genie, das sich künstlerisch immer wieder neu erfand. Dass er seine Werke mit dem Mädchennamen seiner Mutter - Picasso - signierte. Dass er die Frauen betörte. Dass er der Nachwelt ein riesiges Gesamtwerk hinterließ - und den Streit darum.
Verschiedene Sicht auf Picasso
Was neu ist und nun herausgearbeitet wurde von einer Ausstellung im Kölner Museum Ludwig unter dem Titel: "Der geteilte Picasso" ist seine Rezeption im Osten und im Westen, die erstaunlich unterschiedlich ausfiel. Das hatte viele Gründe, wie - neben Gemälden - auch Briefe, Zeitungsausschnitte und Plakate ausführlich belegen. Schuld war vor allem, wie der Rückblick zeigt, der Eiserne Vorhang, der die Welt mehr als vier Jahrzehnte lang in unversöhnliche politische Blöcke, in Sozialismus und Kapitalismus, aufteilte.
Picasso war nämlich, was nur Wenige wissen, Kommunist. Noch 1944 trat er der Kommunistischen Partei Frankreichs bei. Er nannte das "einen logischen Schritt in meinem Leben, in meinem Werk." Er beteiligte sich an Kampagnen, reiste zu Friedenskongressen, für die er auch Plakate entwarf. Er schuf politische Werke wie "Das Leichenhaus", das NS-Gräuel darstellte, oder das "Massaker in Korea" über ein US-amerikanisches Kriegsverbrechen und natürlich das Antikriegsbild "Guernica", das an den Angriff deutscher Bomber auf die gleichnamige spanische Baskenstadt erinnern sollte. Sein Doppelgemälde "Krieg und Frieden" sollte die Schlosskapelle im südfranzösischen Vallauris in einen "Tempel des Friedens" verwandeln. Auch führte Picasso Aufträge aus, die man an ihn herantrug. So porträtierte er Josef Stalin zu dessen Geburtstag oder zeichnete den sowjetischen Kosmonauten Yuri Gagarin.
Friedenstaube und Stalin
Doch vertrug sich ein Stalin-Porträt mit einem Tempel des Friedens? "In der Nachkriegswelt schon", sagt die Kölner Kuratorin Julia Friedrich, "jedenfalls für Picasso und andere Kommunisten". Der Künstler identifizierte sich in jenen Jahren mit der sozialistischen Friedensbewegung, für die er das Symbol schlechthin schuf-– die Friedenstaube. Das Motiv hatte Picassos Freund, der Dichter Louis Aragon 1944 ausgewählt. Der Künstler griff es auf und variierte es fortan bei jeder Gelegenheit.
Schon als Kind hatte Picasso die Tauben im Verschlag seines Vaters gezeichnet. In der sozialistischen DDR war seine Taube besonders beliebt, fand sogar Platz auf Plakaten und in Schulbüchern. Und wurde so, wie Kuratorin Friedrich mutmaßt, "gewiss populärer und vielleicht weiter verbreitet als die offiziellen Symbole Hammer und Zirkel im Ährenkranz". Zwar galt Picasso in der DDR, wo es anfangs kaum Picasso-Ausstellungen gab, als vorbildlicher kommunistischer Aktivist. Doch zugleich stieß seine anti-realistische Malweise auf Ablehnung: Das Volk sollte sich in der Kunst wiedererkennen können.
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"Der politische Picasso - unterschlagen"
Ganz anders im Westen. Zwar erlangte Picasso auch in Westdeutschland große Bedeutung, doch war seine Kunst hier allgegenwärtig: Etliche Ausstellungen präsentierten den Erneuerer der Malerei, verehrten den Künstler einzig als Genie mit Casanova-Allüren. Als etwa 1955 das Monumentalgemälde "Guernica" im Münchener Haus der Kunst gezeigt werden sollte, warnte das Auswärtige Amt in Berlin die Kuratoren vor "politischen Tendenzen". "Der politische Picasso", sagt Kölns Ausstellungsmacherin Friedrich, wurde einfach unterschlagen. Im Westen hatte Kunst unpolitisch zu sein.
So schlägt die sorgsam recherchierte Schau "Der geteilte Picasso" ein bisher unbekanntes Kapitel der Kunstwahrnehmung auf. Es rekonstruiert und vervollständigt das Bild des weltberühmten Künstlers, der zwar von beiden politischen Systemen eingespannt wurde, der jedoch sehr wohl wusste, was er tat.
Die Ausstellung im Kölner Museum Ludwig ist bis zum 30. Januar 2022 zu sehen.