Picasso-Geliebte Françoise Gilot mit 101 Jahren gestorben
7. Juni 2023
Sie war Picassos Muse und Geliebte, gebar ihm zwei Kinder - und angeblich war sie die einzige Frau, die sich jemals vom Maler-Genie lossagte. Doch auch sie selbst war eine renommierte Malerin - und sehr bescheiden.
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Wie mehrere US-Medien übereinstimmend berichteten, starb Françoise Gilot im Alter von 101 Jahren in einem New Yorker Krankenhaus. Das bestätigte auch das Picasso-Museum in Paris. Unter Berufung auf ihre Tochter Aurelia Engel hieß es, Gilot habe seit längerem an Problemen mit dem Herzen und der Lunge gelitten.
Muse, Mutter, Rebellin
Als Françoise Gilot den damals schon weltbekannten - und rund 40 Jahre älteren - Maler Pablo Picasso 1943 kennenlernte, war sie gerade mal 22 Jahre alt. Sie wurde schnell zu seiner Muse und zu seiner Geliebten. Über die ersten drei Jahre sagte sie mal in einem Interview mit "Paris Match", es seien "die besten" gewesen, weil sie sich nur zweimal im Monat gesehen hätten.
Das Paar bekam die Kinder Claude und Paloma. Aber Picasso sei immer mehr bestimmend, dominant und launisch gewesen, habe den Menschen um ihn herum das Leben schwer gemacht und sie einschränken wollen, beschrieb Gilot später. 1953 verließ sie den Über-Künstler - sie gilt als einzige Frau, die das jemals getan hat.
Picasso-Buch wird Bestseller
Gilots Mutter war Aquarellmalerin, ihr Vater dagegen ein erfolgreicher und autoritärer Geschäftsmann, der eigentlich gewollt hatte, dass seine Tochter Jura studiert. Trotzdem errichtete sie sich damals schon bei ihrer Großmutter ein Atelier und hatte 1943 eine eigene Ausstellung in Paris. Nachdem sie Picasso verlassen hatte, wollte sie daran anknüpfen und sich selbst als Künstlerin in der Szene etablieren, doch das wurde ihr von ihrem Ex-Partner erschwert, wie sie sagte.
Françoise Gilot: Leben mit und ohne Picasso
Picasso eine Abfuhr zu erteilen, das war gar nicht so einfach. Françoise Gilot ist die Einzige, die den berühmten Maler jemals verlassen hat.
Bild: Getty Images/Keystone
Die junge Frau und der große Maler
"Er war der Meister, sie die Muse. Er hatte sie entdeckt, als sie 22 Jahre alt war, jung und unbeeinflusst, jungfräulich wie eine weiße Leinwand, die zu füllen ihn reizte", schreibt der Autor Malte Herwig über die Begegnung von Picasso und Gilot. In Herwigs Buch "Die Frau, die nein sagt" aus dem Jahr 2015 lässt sich wunderbar über den großen Künstler und seine genauso große Eitelkeit schmunzeln.
Bild: picture-alliance/United Archives/TopFoto
Eine Ikone der Photographie
Robert Capa schießt das Bild von seinem Freund Picasso und dessen Geliebter Françoise Gilot 1948. Sie läuft strahlend am Strand vorweg, er hält ihr den Schirm und blickt schelmisch in die Kamera. In Picassos Schatten stand Françoise Gilot trotzdem nicht. "Die Frau, die nein sagt" erzählt die Geschichte dieser starken Künstlerin, die zehn Jahre lang Picassos Muse war - und ihn dann verließ.
Bild: Imago/ZUMA/Keystone/Archiv Françoise Gilot
Ein großes Ego
"Der berühmteste Maler seiner und vielleicht aller Zeiten war ein begnadeter Selbstdarsteller", stellt Malte Herwig in seinem Buch fest: "Neben ihm selbst und der Kunst gab es nicht viel Platz in Picassos Leben, die Tyrannei des Genies degradierte alle anderen zu Statisten". Allein Françoise Gilot durchbricht diese Logik.
Bild: picture-alliance/Foto: David Douglas Duncan
Kein leichter Start
"Mädchen, die so aussehen, können keine Malerinnen sein", soll Picasso zu Gilot gesagt haben, die selbst künstlerische Ambitionen hatte. Dann aber lud er sie in sein Atelier ein. Zumindest erzählte dies Gilot dem Buchautor in einem der Interviews, die er in ihrem Pariser und New Yorker Atelier führte. Bis heute malt Françoise Gilot jeden Tag. Im Bild: Portrait en noir, Öl auf Leinwand von 1943.
Bild: Archiv Françoise Gilot
Sie ist auch Künstlerin
Gilot hat Zeit ihres Lebens mehr als 5000 Zeichnungen und 1600 Gemälde angefertigt. Ihre Werke sind jedes Jahr in mindestens einer Ausstellung zu sehen. Die meisten ihrer Bilder befinden sich in Privatbesitz, einige in Museen wie dem Metropolitan in New York. Auf diesem Selbstporträt von 1941 schaut sie den Betrachter fragend, mit weit geöffneten Augen an.
Bild: Archiv Françoise Gilot
Gilot als "Sitzende Frau im Kleid"
Und so sieht Françoise Gilot in den Augen des berühmten Malers aus. Das Porträt der "Femme assise en costume" stammt aus dem Jahr 1953 und wurde am 12. Mai 2021 bei Sotheby's in New York für 20,9 Millionen Dollar versteigert. 1986 war es in London zuletzt unter den Hammer gekommen: für vergleichsweise günstige 568.000 Dollar.
Bild: Sotheby’s/dpa/picture alliance
Picasso et moi-même
"Picasso und ich - die Umarmung" heißt dieses Bild von 1948. Da sind die beiden noch ein glückliches Paar. Sie heirateten nie. Der erste Sohn Claude ist im Jahr zuvor geboren, ein Jahr später folgt die zweite gemeinsame Tochter Paloma. Françoise wollte eigentlich keine Kinder, Picasso überredete sie. Ihre Kunst aber, das macht sie auch heute noch deutlich, hätte sie für Picasso nie aufgeben.
Bild: Archiv Françoise Gilot
Eine selbstbewusste Malerin
Picasso war ihre große Liebe, ihre Leidenschaft. Aber es gab Grenzen dessen, was Gilot bereit war zu akzeptieren. Die stolze Haltung ist auch auf dem Foto, das sie beim Malen zeigt, deutlich zu erkennen. "Ne me touchez pas" - "Fassen Sie mich nicht an", heißt dieses Werk von Françoise Gilot. Es wirkt wie ihr Lebensmotto: Schon als Kind ließ sie niemanden zu nah an sich herankommen.
Bild: Archiv Françoise Gilot
Erstes Ölbild mit 17
"Selbst Picasso kannte mich trotz unserer zehn gemeinsamen Jahre nie, denn ich habe mich verschlossen. Ich enthülle mich nie, warum sollte ich das?", erzählte sie dem Autor Malte Herwig "im freundlichsten Tonfall, bis ihr schallendes Lachen das Eis durchbrach". Das Foto zeigt sie im Alter von 15 Jahren, zwei Jahre später malte sie ihr erstes Ölbild.
Bild: Archiv Françoise Gilot
"Keine Frau verlässt einen Mann wie mich" ...
"Das hatte Pablo ihr noch wenige Wochen zuvor erklärt und sie mit seinen dunkel leuchtenden Basiliskenaugen fixiert. Einen Mann, so reich und berühmt, wie er es war, der bekannteste Maler der Welt, ein König der Kunstwelt, ja, eine Art Gott." Malte Herwig beginnt sein Buch über Françoise Gilot herrlich ironisch aus der Perspektive des großen Meisters: "Und sie? Hatte schallend gelacht (...)."
Bild: AFP/Getty Images
Der eitle Meister
"Ihn verlassen? Was gab es da zu lachen! Es war ihm todernst." Dem Buch gelingt es, einen völlig neuen Blick auf den großen Picasso zu werfen, der ihn scheiternd und damit menschlich zeigt. Es ist der warme, nach wie vor liebende Blick der Francoise Gilot. "Françoise lächelte. Was für naives Zeug selbst ein Genie so von sich geben konnte."
Bild: picture-alliance/dpa
Picasso ohne Gilot
Françoise Gilot verlässt Picasso 1953. Kurze Zeit später malt er "Bust of a woman", das zurzeit im Tel Aviv Museum of Art zu sehen ist. Mit der Trennung vollzieht sich auch im Buch ein Bruch. Der Autor wird sichtbar als Interviewer der damals 93-jährigen Dame, die voller Lebensweisheiten steckt.
Bild: Succession Picasso/VG Bild-Kunst, Bonn 2015/Photo Avraham Hay
Picasso und die Frauen
Françoise Gilot ist die einzige Frau, die den großen Meister jemals verlassen hat. Und die ihn überlebte. Picassos letzte Frau Jacqueline Roque beging Selbstmord, Marie-Thérèse Walter erhängte sich. Die Balletttänzerin Olga Khoklova ließ sich von ihm scheiden, nachdem er sie betrogen hatte; die Fotografin Dora Maar (im Bild, gemalt von Picasso) wurde depressiv, als die Liaison zerbrach.
Bild: picture-alliance/dpa/dpaweb
"Reue ist pure Zeitverschwendung"
Gilot hingegen ist das blühende Leben, auch auf diesem Bild, das sie mit 95 zeigt. "Ich wusste, es würde eine Katastrophe werden, aber eine Katastrophe, die zu leben sich lohnen würde", erzählte sie Herwig. Reue sei Zeitverschwendung. "Außerdem ist es viel interessanter, mit einem besonderen Menschen etwas Tragisches zu erleben, als ein wunderbares Leben mit einer mittelmäßigen Person zu führen."
Bild: Ana Lessing, Ankerherz Verlag
Bloß nicht langweilig werden!
"Wenn du wirklich leben willst, musst du etwas Dramatisches riskieren, sonst lohnt sich das Leben nicht", sagt Gilot zurückblickend. "Vor allem wirst du nicht langweilig. Das ist das Allerschlimmste: langweilig werden." Das ist Françoise Gilot bestimmt nicht. Am 26. November wird sie 100 Jahre alt.
Bild: Ana Lessing, Ankerherz Verlag
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Über ihre Beziehung zu Picasso schrieb Gilot in den 60er-Jahren das Buch "Leben mit Picasso". Picasso soll getobt haben, weil er es trotz zahlreicher Anstrengungen nicht verbieten lassen konnte. Das Werk wurde zum Bestseller, begleitet von einem juristischen Kleinkrieg - der auch dazu führte, dass sich zahlreiche Galerien, angeblich unter Druck von Picasso, auf dessen Seite schlugen, was der künstlerischen Karriere von Gilot schadete.
Das Verlassen von Picasso sei einer Majestätsbeleidigung gleichgekommen, sagte die Literaturwissenschaftlerin und Biografin von Gilot, Annie Maïllis, die gemeinsam mit Sylvie Blum den Dokumentarfilm "Pablo Picasso & Françoise Gilot - Die Frau, die Nein sagt" gedreht hat.
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Ehen und künstlerischer Durchbruch
Gilot führte später eine kurze Ehe mit dem Maler Luc Simon, aus der Tochter Aurelia stammt. Danach zog sie nach New York und heiratete 1970 Jonas Salk, den Entdecker des Polio-Impfstoffs gegen Kinderlähmung, mit dem sie bis zu seinem Tod 1995 zusammenblieb.
Aber die Malerin arbeitete bis zu ihrem Lebensende - und schaffte es schließlich auch, in der Kunstwelt Anerkennung zu finden. In den vergangenen Jahren gab es mehrere Ausstellungen ihres Werkes, unter anderem in den New Yorker Museen Metropolitan Museum of Art und MoMA. Zudem wurden einzelne Stücke zu hohen Preise verkauft. Zum 100. Geburtstag feierten die US-Medien sie sogar als "It-Girl". Doch Gilot gab sich immer bescheiden. "Ich werde keine große Sache daraus machen und mich zu mehr machen, als ich bin", sagte sie noch im vergangenen Jahr der "New York Times". "Oder zu weniger."