Die internationale Modewelt hat eine ihrer Legenden verloren. Ein Platz im Olymp der Pariser Modeschöpfer ist Pierre Cardin sicher. Mit 98 ist er gestorben.
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Als Modeschöpfer war der Franzose Pierre Cardin eine Legende - kreativ und äußerst elegant bis ins hohe Alter. Noch an seinem 95. Geburtstag konnte der berühmte Couturier zufrieden auf sein Lebenswerk zurückblicken. Nicht nur für seine futuristischen Entwürfe und zahllosen Modetrends war er berühmt, sondern auch für seinen ausgeprägten Geschäftssinn. Beides hatte er immer selbstbewusst und innovativ für sich eingesetzt.
Das Geschäftsimperium der Marke "Pierre Cardin" erstreckt sich rund um den Erdball, auch in Russland, China und ganz Asien gibt es Flagstores und Lizenzproduktionen. Mehr als 800 Fabriken und Lizenzen weltweit waren am Schluss die stolze Bilanz nach fast 75 Jahren kreativer Schaffenszeit als Modemacher. Jetzt starb Pierre Cardin im Alter von 98 Jahren in Paris.
Unter seinem Label gibt es mittlerweile nicht nur exquisite Haute Couture, sondern auch bezahlbare Mode von der Stange, Sonnenbrillen, Bademode, Schokolade, Champagnermarken, edles Porzellan und Cardin-Uhren – die in ihrem Retro-Chic weltweit sehr angesagt sind. Es gibt sogar eine Kette von Nobel-Restaurants. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) nannte Cardin einmal den "Weltmeister des Imagetransfers".
Kreatives Ausnahmetalent
Geboren wurde Cardin als Pietro Cardini am 2. Juli 1922 im norditalienischen San Biagio di Callata, ganz in der Nähe von Venedig. Die Familie wanderte aus geschäftlichen Gründen nach Frankreich aus. Der Vater war Weinhändler und sah dort bessere Verdienstmöglichkeiten. Den Geschäftssinn hatte Pierre, als Jüngster von sieben Geschwistern, offenbar geerbt.
Seine ersten Schritte in der Modebranche machte der junge Pietro in seiner Lehre als Herrenschneider in Vichy, das damals noch von den Nazis besetzt war. Nach der Befreiung durch die Alliierten ging der talentierte junge Mann 1945 voller Pläne und Ideen nach Paris - in die Modemetropole, die ihm ganz andere Inspiration versprach. Im bekannten Modehaus Paquin und später bei Schiaparelli heuerte er als Modezeichner an. Dort lernte er auch die knallharte Geschäftswelt der Modebranche kennen.
Leben in Pariser Künstlerkreisen
Schnell fand Pierre Cardin, wie er sich jetzt nannte, Anschluss an die Pariser Künstler- und Intellektuellen-Szene. Er entwarf avantgardistische Bühnenkostüme, stattete zusammen mit Regisseur Jean Cocteau Filme und Schauspieler aus und machte sich schnell einen Namen als kreatives Ausnahmetalent. Dort lernte er auch den Modeschöpfer Christian Dior kennen. Er wurde dessen engster Mitarbeiter.
Im Hause Dior entwarf Pierre Cardin 1947 den berühmten "New Look": ausgeprägte schmale Taille und runde Schulterpartie. Beides unterstrich die Weiblichkeit und wurde zum stilprägenden Modetrend dieser Zeit. Zahllose Modemacher kopierten den Cardin-Style.
1950 konnte sich Pierre Cardin bereits mit einem eigenen Modehaus selbstständig machen - an einer der feinsten Pariser Adressen natürlich. Das blieb zeit seines Lebens sein Stammhaus und immer sowas wie ein Heimathafen für den umtriebigen Cardin. Von dort aus hat er die Modebranche revolutioniert. Neben Paco Rabanne und André Courrèges galt er als Erfinder der futuristischen Mode.
Er ging auch mit der Zeit und war der erste, der elegante Haute Couture als bezahlbare Mode von der Stange in einem Kaufhaus verkaufte. Und er hatte den Ruf, die besten und elegantesten Herrenanzüge und Schneiderkostüme für die Damenwelt anzufertigen.
Revolutionäre Entwürfe
Kurz nachdem er 1953 seine ersten beiden Modeboutiquen in Paris eröffnete, wurde das Label "Pierre Cardin" zum lukrativen Anziehungspunkt für gut betuchte Modetouristen aus aller Welt. Hollywoodstars, Vertreter des europäischen Hochadels, bekannte Künstler und Schriftsteller, der gesamte Jet Set seiner Zeit, gab sich die Klinke in die Hand. Ein Cardin-Modell bei der Oscarverleihung war Gold wert für den Geschäftsmann Pierre Cardin.
Aber das Angebot, kreativer Nachfolger für den berühmten Couturier Christian Dior zu werden, schlug der erfolgreiche Modeschöpfer aus. Er hatte eigene Pläne. Für seine sprudelnde Kreativität war die Welt der Laufstege und steifen Haute-Couture-Präsentationen viel zu eng.
Er begann visionäre Möbel zu entwerfen, künstlerisches Interieur und sogar Architekturmodelle. Sein Pariser "Ideen-Laboratorium" schien unerschöpflich: vom Plattenspieler bis zum exklusiven Auto-Interieur war dort alles sehen und zu haben, was gut und teuer war.
Pierre Cardin: Großmeister der Avantgarde
Mit seinen futuristischen Entwürfen prägte der französische Modeschöpfer die 1960er und 1970er Jahre. Seine Kreationen sichern ihm einen Platz im Olymp der Pariser Modeschöpfer.
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Erfolgreich: Der Unternehmer Cardin
Als Kind aus reichem Hause legte Pierre Cardin, der als Pietro Cardini am 2. Juli 1922 nördlich von Venedig in Italien geboren wurde, viel Wert auf "Bella Figura". Die Silhouette seiner Entwürfe - gerade in der Männermode - hatte oft die Anmutung von Skulpturen. Cardin war einer der wohlhabendsten Männer Frankreichs. Ihm gehörten rund 800 Fabriken, ein Schloss, ein Museum und ein halbes Dorf.
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Entwürfe aus den Sixties
Ideen und Farbspektrum stammten aus den 1960er Jahren. Schon damals steckte Modeschöpfer Pierre Cardin seine Models in Lackleder, Plastik und hautenge, metallisch glänzende Bodysuits. Diese Kollektion wurde im Januar 2012 während der "Barcelona Fashion Week" in Spanien präsentiert. Durch sein international vernetztes Lizenzgeschäft sind Cardin-Modelle weltweit zu kaufen.
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Futuristische Kreationen
Cardin hatte immer einen Hang zum italienischen Futurismus. Seine abstrakte Formensprache in der Mode war künstlerisch grundiert: Maler und Bildhauer, Architekten und Designer standen Pate bei ihm. Seine verrückten Ideen waren manchmal atemberaubend, aber nicht gerade alltagstauglich. In so einem Outfit "Made by Cardin" auf die Straße zum Einkaufen zu gehen, wäre extrem verwegen.
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Seine Männerwelt
Cardin hat die Mode revolutioniert. Jede seiner Kollektionen war anders, innovativer, sein Einfallsreichtum schien keine Grenzen zu kennen. Und er war der erste Modezar, der seine Entwürfe als bezahlbare Mode von der Stange auf den Markt brachte. Das berühmte Pariser Kaufhaus Galeries Lafayette verkaufte seine Kollektion. Hier die Männermode für den Herbst/Winter 1983/84.
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Äußerst qualitätsbewusst
Als Modeschneider achtete Pierre Cardin immer auf hochwertiges Material, wie ein guter Bildhauer eben. Seine Stoffe wurden extra für seine Kollektionen gewebt und nach seinen Vorstellungen angefertigt. In Farben und Textur war er meistens seiner Zeit voraus. Cardin setzte neue Trends, andere Couturiers zogen dann oft nach. Hier begutachtet er die Wollqualität eines exquisiten Tweedstoffes.
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Mode als Gesamtkunstwerk
Bis zur letzten Sekunde legte Cardin selbst Hand an, bevor seine Models die neuesten Kreationen auf dem Laufsteg präsentierten. Er arrangierte mit sicherem Formgefühl schnell noch wichtige Details: Hüte, Frisuren oder den Faltenwurf seiner Haute-Couture-Modelle. Hier zu sehen: kantige, avantgardistische Mode aus den Sixties, präsentiert auf einer Modenschau in Rom (1960).
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Gesellschaftslöwe Cardin
Berühmte Modeschöpfer umgeben sich gern mit schönen, reichen, prominenten Frauen: am besten Königinnen, weiblichen Mitgliedern des europäischen Hochadels oder Filmstars. Pierre Cardin kalkulierte als knallharter Geschäftsmann mit der Werbewirksamkeit, wenn Hollywoodstars wie Bond-Girl Ursula Andress Mode von ihm in die Glamourwelt des Films trugen.
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Die Marke "Cardin"
Das Geschäftsimperium Pierre Cardin ist inzwischen unüberschaubar. Neben seinem Modehaus, das er 1950 gegründet hat, und das für hochwertige Haute Couture steht, hat der geschäftstüchtige Modeschöpfer mehr als 600 Lizenzen verkauft. Nicht alles, wo Cardin draufsteht, entspricht seiner Qualitätsphilosophie. Hier: sein dezentes Lederlabel an einer hochwertigen Männer-Jeans - Understatement pur.
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Odyssee im Weltraum
Der Großmeister der Inszenierung ließ sich im Laufe seiner Karriere immer wieder etwas Neues, oft sehr Spektakuläres einfallen. Hier flanieren die männlichen und weiblichen Models in Cardins Frühjahr-/Sommer-Kollektion 2008 auf einem Catwalk quer durch die Wüstenlandschaft in Nordwest-China. Ins Reich der Mitte verkaufte er ein Jahr später auch Lizenzen für Mode und Accessoires.
Bild: AFP/Getty Images/P. Parks
Typisch Cardin - extravagant
Zu seinem 70-jährigen Jubiläum in der Modewelt schickte Altmeister Pierre Cardin 2016 seine Models auf den Laufsteg im Institut de France. Bis dato hatte dort noch nie eine Modenschau stattgefunden. Die Farben und Formensprache der dort präsentierten Kleider waren modern und eigenwillig wie eh und je: typisch Cardin.
Bild: picture alliance / AP Photo/C. Ena
Ein Mann der Superlative
Mit seiner Mode und dem Cardin-Imperium ist der Modeschöpfer aus Italien zu einem der reichsten Männer der Welt geworden - und eine Legende unter den Modeschöpfern der alten Schule. Er hat sie alle überlebt: Christian Dior, Coco Chanel, Yves Saint Laurent, Karl Lagerfeld. Fast acht Jahrzehnte prägte der Modezar die Modewelt. Jetzt ist er im Alter von 98 Jahren gestorben.
Bild: picture alliance/dpa/G. Horcajuelo
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Geschäftsimperium ohne Erben
Einen Nachfolger hatte der kinderlose Cardin lange nicht gefunden, die Sorge um seine Nachfolge ließ dem Veteran der Pariser Modebranche bis zuletzt keine Ruhe. Pierre Cardin war einer der reichsten Männer Frankreichs, besaß privat mehrere Villen, ein Schloss und ein halbes Dorf. Jetzt ist der Künstler und berühmte Modeschöpfer im Alter von 98 Jahren in Neuilly bei Paris gestorben.