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Pilgern als Sinnsuche

13. Oktober 2016

Das Leben neu entdecken oder den Glauben stärken. Es gibt viele Gründe, warum aus Menschen Pilger werden. Eine Ausstellung in Köln untersucht, warum weltweit das Pilgern boomt. Macht es glücklich?

Bildergalerie Pilgern
Bild: cc-by:Luis Miguel Bugallo Sánchez-sa

Nicht überall ist pilgern drin, wo pilgern drauf steht. Zu Elvis' Todestag "pilgern" jährlich tausende Fans zu seinem Grab. Fußballstadien sind genauso zu modernen Pilgerstätten geworden wie High Tech-Warenhäuser zum "Mekka" von Computerfans. Mit dem "Beten mit den Füßen", wie die Theologen das Pilgern verstehen, hat das nicht viel zu tun. Und doch gibt es immer mehr Menschen, die das Pilgern wieder ernst nehmen und es als Sinnsuche, als Weg zu sich selbst, begreifen. 39 der bedeutendsten Pilgerorte aller bedeutenden Weltreligionen stellt die Ausstellung "Pilgern. Sehnsucht nach Glück?" im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln in den Mittelpunkt.    

Pilgern boomt weltweit

Jeder Kontinent (bis auf Australien) ist vertreten: von Santiago de Compostela und Köln in Europa über Kerbela im Irak bis hin zu Kailash in Tibet, wo vier Religionen den Heiligen Berg Kang Rinpoche aufsuchen, um sich dort ihren Segen abzuholen. Aus ganz Asien machen sie sich auf die Reise. Tage, Monate, manchmal sogar Jahre. Videoaufnahmen dokumentieren den Aufstieg über Geröll und Schnee hoch auf 5200 Meter, wo die Luft zum Atmen eigentlich schon viel zu dünn ist. Kein Extrem, das es nicht gibt beim Pilgern. Ob das Niederwerfen der Pilger wie beim Aufstieg der Buddhisten am Kang Rinpoche, ob Askese oder Völlerei - wer pilgert, muss auf jeden Fall Entbehrungen in Kauf nehmen können. Manchmal wartet aber auch eine Belohnung für die Strapazen. In Ajmer in Indien verspeisen zehntausende Pilger täglich 7000 Kilo süßen Safranreis, der in riesigen Kochtöpfen serviert wird. Jeder Sufi, jeder Hindi, der sich aufmacht, den Schrein von Sheikh Moinuddin Chishti zu besuchen, soll satt werden. Allein die Versorgung ist eine logistische Meisterleistung, um die sich 4000 Angehörige des Schrein-Personals täglich kümmern.

Schrein von Sheikh Moinuddin ChishtiBild: DW/S. Oelze

Pilgern erfordert Organisationsvermögen

Gerade das macht die Ausstellung interessant: Sie stellt die logistischen, ökonomischen und politischen Dimensionen des Pilgerns vor. Innerhalb weniger Tage müssen Millionen von Gläubigern verteilt, beherbergt, verköstigt sowie hygienisch oder medizinisch versorgt werden. Auch die Sicherheit muss gewährleistet werden. Neue Geschäftszweige wie Pilgerobjekte "Made in China", wie sie etwa zuhauf von der Jungfrau von Guadelupe in Mexiko Stadt am Straßenrand verkauft werden, haben einen eigenen Industriezweig hervorgebracht. Am 11. Und 12. Dezember besuchen sechs bis acht Millionen Pilger die Basilika, die aus allen Nähten platzen würde, gäbe es nicht die vier Laufbänder, auf denen die Besucher am Gnadenbild gleichsam vorbeigleiten. Taghelle Scheinwerfer verhindern zwar ein mystisches Erlebnis, aber sie garantieren die Sicherheit.  Das Pilgern hat die Orte zu eigenen wirtschaftlichen Standorten gemacht. So viel ist klar: Pilger müssen über einen gewissen materiellen Wohlstand verfügen, um sich auf den meist sehr langen Weg machen zu können. Das beweist der relativ junge Boom des Pilgerns in Afrika.

In Touba – kein Hotel weit und breit für die Pilger

Er setzte vor gut zwei Jahrzehnten ein, als eine neue Mittelschicht zu Geld kam und Pilgern zu ihrem Status Quo erhob.

In die heilige Stadt Touba im westafrikanischen Senegal pilgern jedes Jahr zwischen zwei und fünf Millionen Mitglieder der senegalesischen Sufi-Gemeinschaft. Es zieht sie in die Große Moschee mit dem Mausoleum des Sheikhs Amadou Bamba, der von 1853 bis 1927 gelebt hat und einer der großen Mystiker Westafrikas war. Dieses Mega-Event findet alljährlich statt und das, obwohl Touba kein einziges Hotel für die Pilger zur Verfügung stellen kann. Jeder Gläubige findet trotzdem ein Bett, in einem privaten Wohnhaus, wo bis zu 40 Menschen in einem Zimmer nächtigen.

Der Heilige Jakobus öffnet seinen Mantel für die PilgerBild: DW/S. Oelze

Die Europäer pilgern nach Santiago de Compostela und Köln

Da erscheint es vergleichsweise komfortabel, die insgesamt 42.000 europäischen Wegkilometer ins nordspanische Santiago de Compostela auf sich zu nehmen, wo entlang des Weges hunderte kleine Herbergen das Pilgerleben erträglich machen. Auch Köln erscheint da geradezu als Luxusvariante. Rund 10.000 Menschen besuchen täglich den Goldschrein, in dem die Gebeine der Heiligen Drei König im Dom aufgebahrt werden. Über mangelnden Komfort bei Verpflegung und Übernachtung müssen sich die Pilger jedenfalls keine Sorgen machen. Die Ausstellung "Pilgern. Sehnsucht nach Glück?" in Köln ist selbst wie eine Pilgerreise in Stationen unterteilt, so dass der Besucher von einem fernen Pilgerort zum nächsten wandelt, und alle Weltregionen, kulturelle Eigenheiten und Kuriositäten kennenlernen.