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Pilotprojekt Republik Kongo

Klaus Dahmann / Klaudia Prevezanos17. Juli 2003

Der Internationale Strafgerichtshof beginnt seine Arbeit im Bürgerkriegsland Kongo. Die Entscheidung, nicht mit dem Irak anzufangen, soll auch weiteren Ärger mit dem Gerichtsgegner USA vermeiden.

Helfer des Internationalen Roten Kreuzes in BuniaBild: AP

Ein Paukenschlag gleich zu Beginn - das hatten viele Befürworter dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) gewünscht. Einen Prestigefall, einen berüchtigten Übeltäter vom Kaliber des Ex-Serbenpräsidenten Slobodan Milosevic auf der Anklagebank. Damit könne man auch Staaten wie Russland, China oder gar den aggressivsten Gegner des Weltgerichts, die USA, von Sinn des Gerichtshofs überzeugen, so die Hoffnung in Den Haag.

Insgesamt gingen beim Gerichtshof aus 66 Staaten Klagen ein, die von Nichtregierungsorganisationen, Volksvertretern und Einzelpersonen eingereicht wurden. Deutschland lag mit 93 Beschwerden an der Spitze, dahinter folgten die USA mit 70 und Frankreich mit 58 Beschwerden. Der IStGH hat die Aufgabe, Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu ahnden.

Besondere Dringlichkeit

Die Wahl des Gerichts für das "Pilotprojekt" fiel auf die Demokratische Republik Kongo. Das kündigte am Mittwoch (16. Juli 2003) Chefankläger Luis Moreno Ocampo in Den Haag an. Bisher seien rund 500 Anklageschreiben aus aller Welt eingegangen. Die Entscheidung sei wegen besonderer Dringlichkeit für den Kongo gefallen, so Ocampo. Zudem sei der im Juli 2002 eingerichtete Strafgerichtshof zuversichtlich, in dem zentralafrikanischen Bürgerkriegsland etwas erreichen zu können.

Luis Moreno OcampoBild: AP

An Anregungen, welchen Fall der Chefankläger als erstes untersuchen solle, mangelte es nicht - auch wenn Ocampo nur rund ein Sechstel der Zuschriften als Klagen über mutmaßliche Gräueltaten bezeichnen will. Bei dem Rest handele es sich eher um allgemeine Proteste und Beschwerden.

Irak: Keine stichhaltigen Informationen

Dass das Thema Irak insgesamt am häufigsten genannt wurde, ist nicht verwunderlich: Zu frisch sind die Erinnerungen an die Verbrechen des Ex-Diktators Saddam Hussein an der eigenen Bevölkerung. Aber auch die Erinnerungen an den Krieg, den die USA und ihre Verbündeten gegen den Willen der Vereinten Nationen über das Land gebracht haben. Insgesamt gingen laut Ocampo 16 Beschwerden über das Verhalten von US-Soldaten im Irak ein. Dazu habe es aber keine "stichhaltigen Informationen" gegeben. Andere Beschwerden gegen die US-britische Koalition seien nicht "detailliert" genug gewesen.

Vor allem aber fallen diese mutmaßlichen Vergehen nicht in die Zuständigkeit der Richter des Internationalen Strafgerichtshofes. Denn weder der Irak noch die USA haben das Statut des Gerichtshofs anerkannt. Doch darüber scheint man im Moment in Den Haag eher erleichtert zu sein. Denn eine Anklage gegen amerikanische Militärangehörige - oder gar gegen US-Präsident George W. Bush - würde die transatlantischen Beziehungen erneut belasten und die Ablehnung der US-Regierung gegen das Gericht vergrößern.

Ethnische Massaker

Massengrab in der Kongo-Provinz IturiBild: AP

Stattdessen hat sich die Anwaltschaft um Chefankläger Ocampo für die jüngsten Massaker im kongolesischen Ituri entschieden. Über diese Region im Nordosten des Landes gebe es Berichte über Massenvergewaltigungen, Verstümmelungen, Hinrichtungen, Folter und Kannibalismus, sagte Ocampo. Demnach würden unbewaffnete Zivilisten massakriert, häufig allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Diesen Vorwürfen werde das Gericht nachgehen. Wann die Ermittlungen beginnen sollen, sagte der oberste Ankläger nicht.

Der Kongo als erster Fall des IStGH ist in vielerlei Hinsicht günstig: Zum einen hat das Land das Statut des Gerichtshofs ratifiziert. Zudem ist Staatschef Joseph Kabila gewillt zu kooperieren, weil er seit langem die Kontrolle über die östlichen Gebiete verloren hat. Wenn er mit Den Haag zusammenarbeitet, hat er nicht nur gute Chancen, den scheinbar nicht enden wollenden Bürgerkrieg im Land zu stoppen, sondern auch bei den Europäern sein Image aufzupolieren. Und das bedeutet letztlich: finanzielle und politische Unterstützung.

Zum zweiten sind mit der europäischen Friedensmission in der kongolesischen Stadt Bunia französische Soldaten vor Ort. Sie dürfen auch mit Waffengewalt eingreifen, was wohl notwendig sein wird, um mutmaßliche Kriegsverbrecher festzunehmen. Drittens sind die USA im Kongo nicht beteiligt und können somit auch nicht angeklagt werden. Dies lässt die Europäer weiter hoffen, dass die USA doch irgendwann den Gerichtshof anerkennen. Die USA lehnen derzeit das Gericht ab, weil sie politisch motivierte Verfahren gegen US-Bürger und -Soldaten im Ausland befürchten.

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