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Piratenpartei will menschliche Wirtschaftspolitik

Wolfgang Dick24. November 2012

Die deutsche Piratenpartei hat sich auf ihrem Parteitag in Bochum ein Wirtschaftsprogramm gegeben. Beobachter ausländischer Piratenparteien konnten dabei die Langsamkeit von Basisdemokratie erleben.

Parteimitglieder der Piratenpartei stimmen auf dem Bundesparteitag (24-25.11.2012) ab (Foto: Wolfgang Dick)
Bundesparteitag der Piratenpartei in BochumBild: DW/W.Dick

Fast den ganzen Samstag (24.11.2012) und stundenlange Diskussionen dauerte es, bis sich die rund 1800 zum Parteitag angereisten Piratenmitglieder wenigstens auf ein paar Grundsätze eines Wirtschaftsprogramms einigen konnten. Die Piraten wollen einen Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde, lehnen Vollbeschäftigung aber ab, weil sie "weder zeitgemäß noch sozial wünschenswert" sei. Stattdessen wird ein bedingungsloses Grundeinkommen vom Staat gefordert.

Darüber hinaus will die Piratenpartei Deutschlands auch die wirtschaftliche Nutzung natürlicher Ressourcen so weit verteuern, dass sich eine Ausbeutung "auf Kosten der Allgemeinheit" nicht mehr lohnt. An diesem Punkt hört die Zustimmung der Parteimitglieder allerdings auf. Klare Aussagen zur Rolle des Staates in der Eurokrise oder zur künftigen Steuerpolitik fanden in den Abstimmungen keine Mehrheit.

Ende der Einigkeit

Bernd Schlömer, Vorsitzender der PiratenparteiBild: DW/W.Dick

Dabei waren unter den rund 800 Anträgen zum Parteitag noch spannende Ideen zur Finanzpolitik zu finden. Bürger sollten bestimmen dürfen, für welche Zwecke ein Teil ihrer Steuergelder verwendet wird. Das sollte mehr Verständnis für das ungeliebte Steuerzahlen schaffen.

Die Rettungsprogramme zum Euro sollten stark beschnitten werden und Banken pleite gehen dürfen. Dazu sollte das Insolvenzrecht geändert werden. "Schade", meinte Parteichef Bernd Schlömer und bedauerte, dass es seine Partei nicht geschafft habe, ein eigenes Wirtschaftsprofil zu finden, mit dem man sich gegenüber anderen Parteien noch stärker hätte profilieren können.

Piraten aus aller Welt dabei

Welche politische Zielen die Piratenpartei in Deutschland auf ihrem Parteitag noch verabschieden würde, wollten Mitglieder wissen, die von Piratenparteien aus dem Ausland nach Bochum gereist waren. Darunter Lola Voronina, die aus Tschechien für den Aufbau der Piratenpartei in Russland arbeitet. Jerry Weyer, der sich nach einem Jurastudium für die Piratenpartei Luxemburg engagiert, und Giorgio Mariotti, der mithalf, die Piraten als Partei in Griechenland zu etablieren.

Jerry Weyer, Piratenpartei Luxembourg, und Lola Voronina, Piratenpartei RusslandBild: DW/W.Dick

Seit Januar 2012 war die Partei bereits bei zwei Nationalwahlen zum griechischen Parlament angetreten und hat sich dabei von 0,52 Prozent auf fast zwei Prozent der Wählerstimmen vorgearbeitet. Übrigens mit positiver Stimmung für die Deutschen, die von den Griechen harte Sparmaßnahmen erwarten. In über 60 Ländern ist die Piratenpartei bereits vertreten. Eine richtige Bewegung ist entstanden. Aber ihre Bewährungsprobe hat sie aber noch vor sich, erklärt Giorgio.

Verwunderte Gäste

Erstaunt waren Lola und Jerry darüber, dass viele Streitpunkte in der deutschen Piratenpartei einfach im Vorfeld des Parteitages im kleinen Kreis geklärt wurden. Personalquerelen zum Beispiel. "Ich dachte, genau diese Hinterzimmer-Geschichten sollten nicht vorkommen", wundert sich Jerry. Auch liefen nicht alle Abstimmungen basisdemokratisch ab.

Giorgio Mariotti, Piratenpartei GriechenlandBild: DW/W.Dick

Irgendwann wurde vielen der versammelten Mitglieder die Regel "Jeder darf sich zu Wort melden" zu viel. Die Wortmeldungen wurden abgebrochen und Abstimmungen mit mehr Tempo durchgepeitscht. Darauf reagierte Lola Voronina irritiert. "Gerade in Russland treibt jede Form von Zensur und Unfreiheit der Rede den Piraten neue Anhänger zu".

Internationale Kooperation gesucht

Während im Saal des Bochumer Kongresszentrums heftig um das künftige Wahlprogramm gestritten wurde, hatten sich die Vertreter der internationalen Piratenparteien mit ihren Freunden der deutschen Piratenpartei getroffen, um sich darüber auszutauschen, wie man erfolgreich Wahlkampf machen kann.

Schnell wurde klar, dass es dabei kaum eine einheitliche Richtung geben wird. Deutsche Piraten setzen zum Beispiel auf Wahlplakate, die bekannte deutsche Werbeslogans verulken. Lola Voronina macht deutlich, dass dies in Russland kaum funktionieren würde. "Bei uns entscheiden Personen, nicht so sehr politische Ideen. Politik braucht Gesichter". Genau diese Diskussion steht bei den deutschen Piraten noch aus. Etliche Mitglieder des Parteivorstands sind schon dafür, sich für bestimmte Politikziele auch gleichbleibende Ansprechpartner für die Öffentlichkeit auszusuchen.

Köpfe statt Inhalt?

Großer Andrang bei den WortmeldungenBild: DW/W.Dick

"Wer steht zum Beispiel für eure außenpolitischen Ziele?" möchte Jerry Weyer von den deutschen Piraten wissen. Immerhin heißt es in einem Antrag zum Parteitag, dass die deutsche Entwicklungspolitik als "postkoloniale Einmischung" beendet werden und auf Afrika konzentriert werden soll. Nach den Plänen der deutschen Piratenpartei soll es dafür eine stärkere Beteiligung an UNO und UNESCO Projekten mit einer viel strengeren Erfolgskontrolle geben.

"Welche Positionen vertretet ihr in Sachen Waffenlieferungen und Naher Osten?" wollen dann Mitglieder der deutschen Piratenpartei von Lola Voronina wissen. Die russischen Piraten sind derzeit noch mit anderen Dingen beschäftigt, erfährt die Runde. Die deutsche Piratenpartei jedenfalls will ein generelles Rüstungsexportverbot ins Grundgesetz aufnehmen. Ein Existenzrecht wird Israel wie Palästina zugesprochen.

Bis zu einer friedlichen Lösung will die Partei sich aber mit weiteren Kommentaren zurückhalten, ist im Grundsatzprogramm nachzulesen. Am Sonntag, dem zweiten Tag der Parteiversammlung, soll es um Festlegungen bei der Europa- und Bildungspolitik gehen. Lola, Jerry und Giorgio werden das aufmerksam verfolgen.

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