1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Bildung

PISA 2018: Gut ist nicht gut genug

3. Dezember 2019

Droht eine neue "Bildungskatastrophe"? Noch bescheinigt die neue PISA-Studie Schülern in Deutschland überdurchschnittliche Leistungen. Doch der gravierende Lehrermangel könnte den Erfolgstrend stoppen.

100 Jahre Grundschule |  Lehrerin einer Grundschule
Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

Die gute Nachricht zuerst: Die Leistungen von Schülerinnen und Schülern in Deutschland sind überdurchschnittlich gut. Dies geht aus der jetzt veröffentlichten PISA-Studie 2018 hervor (Program for International Student Assessment). Danach liegt Deutschland in den Bereichen Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften gleichauf mit Ländern in Spitzenpositionen wie Australien, Frankreich, Irland, Neuseeland, Norwegen, Schweden, Großbritannien und den USA (siehe Grafik).

Die schlechte Nachricht: Das Bildungsniveau in Deutschland hat sich nicht verbessert. Im Gegenteil: Die Lesekompetenz ist 2018 auf das Niveau von 2009 zurückgegangen. Ähnlich verlief die Entwicklung in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften. Bei letzteren war die durchschnittliche Punktzahl 2018 geringer als 2006, im Bereich Mathematik lagen die Ergebnisse von PISA 2018 deutlich unter jenen von Pisa 2012.

Deutsch als Fremdsprache

Seit 2001 vergleicht die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit OECD das Bildungsniveau von Industrie- und Schwellenländern. Weil bei der ersten Erhebung vor 18 Jahren die Kenntnisse deutscher Schüler unterhalb des Mittelmaßes lagen, sprachen Experten damals von einer "Bildungskatastrophe".

An der aktuellen PISA-Studie nahmen rund 600.000 Schülerinnen und Schüler im Alter von 15 Jahren teil. Die Ergebnisse sollen den Wissensstand der rund 32 Millionen Gleichaltrigen in den 79 Teilnehmerstaaten widerspiegeln. In Deutschland beteiligten sich insgesamt 5451 Schülerinnen und Schüler in 226 Schulen an den Tests.

Hierzulande wachsen laut PISA mittlerweile mehr als ein Fünftel aller Schüler (22 Prozent) in einem Elternhaus auf, in dem Deutsch Fremdsprache ist. Im Jahr 2009 lag dieser Anteil bei 18 Prozent. Knapp 50 Prozent dieser Schüler sind laut PISA sozial benachteiligt. Die Einschätzung, wie sich die verstärkte Zuwanderung nach Deutschland auf das Bildungsniveau auswirkt, fällt bei Bildungsexperten und Politikern sehr unterschiedlich aus.

"Wenn bei wachsender Heterogenität der Schülerschaft auch nur annähernd ein Status quo gehalten werden kann, ist das keine schlechte Leistung", meint Lernforscher Andreas Gold, Professor für Pädagogische Psychologie an der Goethe-Universität in Frankfurt. In einem Gastbeitrag für die Tageszeitung "Frankfurter Rundschau" fordert Gold mehr Sprachförderung für Kinder im Vorschulalter.

Mehr Chancen für Migranten

Bildungsforscher Rainer Bölling hingegen bemängelt die fehlende Auseinandersetzung mit dem Thema Zuwanderung. Zwar werde eingeräumt, "dass die im Ländervergleich bestehenden Unterschiede auch unter dem Aspekt der Zuwanderungspolitik der Aufnahmeländer sowie der relativen kulturellen und sprachlichen Verwandtschaft der Herkunfts- und Aufnahmeländer betrachtet werden müssen", so Bölling. "Doch eine solche Differenzierung findet tatsächlich nicht statt."

Doch gerade beim Thema Chancengerechtigkeit verzeichnet Deutschland im internationalen Vergleich Fortschritte. Mittlerweile erreichen hier rund 16 Prozent der Schüler mit Migrationshintergrund das oberste Viertel des Leistungsbereichs. Damit liegt Deutschland nur knapp unter dem OECD-Durchschnitt von 17 Prozent. In den Bereichen Naturwissenschaften und Mathematik sieht es ähnlich aus.

Gemeinsam lernen: Schüler aus Marokko, Kenia, Pakistan, Russland und Eritrea einer berufsbildenden Schule in FrankfurtBild: picture-alliance/dpa/F. Rumpenhorst

Gravierender Lehrermangel

Für den Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, widerlegt die Studie damit erneut, dass es um das Thema Bildungsgerechtigkeit in Deutschland schlecht bestellt sei. In den vergangenen Jahren hatte Meidinger allerdings immer wieder davor gewarnt, dass sich dieser Erfolgstrend nicht automatisch fortsetzen werde.

Meidingers Prognose für die künftigen PISA-Tests ist düster. In Zukunft würden Schulen die wachsende Wissenskluft und Heterogenität im Klassenzimmer immer weniger ausgleichen können. "An Deutschlands Schulen fehlen fast 40.000 Pädagogen", erklärte er kürzlich in einem Zeitungsinterview mit der Zeitung "Passauer Neue Presse". "Einen derart dramatischen Lehrermangel hat es seit drei Jahrzehnten nicht mehr gegeben."

Für Bildungsforscherin Kristina Reiss, die den deutschen Teil der PISA-Studie koordiniert hat, sind nicht nur Lehrer für die Wissensvermittlung zuständig. "PISA testet kein Schulwissen", stellt die Dekanin für Lehrerbildung an der Technischen Universität München im Interview mit der Zeitschrift "Der Spiegel" klar. "PISA misst die Kompetenzen von Jugendlichen - ob sie es innerhalb oder außerhalb der Schule gelernt haben, wird nicht untersucht."

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen