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KonflikteÄthiopien

Plünderungen verschärfen Notlage in Äthiopien

Isaac Kaledzi
11. Dezember 2021

Statt notleidenden Menschen helfen zu können, müssen die UN vermelden: Die Kriegsparteien haben sich die Hilfsgüter und sogar Lastwagen unter den Nagel gerissen. Eine neue Untersuchung belastet die TPLF-Milizen schwer.

Tigray Konflikt | Äthiopien Eritrea Flüchtlinge
Diese Mutter und ihre Tochter sind innerhalb der Provinz Tigray geflohenBild: Ben Curtis/AP Photo/picture alliance

Während Regierungstruppen, die Tigrayische Volksbefreiungsfront TPLF und andere Milizen einander erbittert bekämpfen, wächst das enorme Leid der Zivilbevölkerung weiter. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind 9,4 Millionen Menschen im Norden Äthiopiens akut auf Nahrungsmittel-Lieferungen angewiesen. Besonders drastisch ist die Lage in der abtrünnigen Provinz Tigray selbst; alleine dort sind 5,2 Millionen Menschen betroffen. In der angrenzenden Provinz Amhara sind es 3,3 Millionen, in Afar mehr als eine halbe Million Menschen.

Hilfe wird also dringend benötigt - und doch ist nicht absehbar, wann sie eintreffen kann: Das UN-Welternährungsprogramm WFP erklärte am vergangenen Sonntag, vorerst keine Hilfsgüter in der Stadt Kombolcha in Amhara ausgeben zu können. UN-Sprecher Stephane Dujarric sprach von "massiven Plünderungen in Lagerhallen rund um Kombolcha in den vergangenen Tagen, angeblich verübt von Mitgliedern der tigrayischen Kräfte sowie einigen örtlichen Anwohnern." Große Mengen humanitärer Hilfsgüter, inklusive Nahrungsmittel für unterernährte Kinder, seien gestohlen worden. Soldaten der Zentralregierung von Ministerpräsident Abiy Ahmed haben laut WFP wiederum drei Lastwagen der Hilfsorganisation beschlagnahmt.

Gegnerische Kriegsparteien machen Hilfsversuche zunichte

Selbst die größten Anstrengungen der UN, die humanitäre Krise zu lindern, seien in einer derart chaotischen Umgebung nutzlos, sagte der ghanaische Analyst für Außenpolitik und Sicherheit, Adib Saani, der DW. "Die UN und andere Organisationen haben alles getan, was in ihrer Macht stand, aber sie sind unter Beschuss sowohl der Rebellen als auch der Regierung geraten." Die Angriffe in dem andauernden Konflikt machten es den Helfenden "extrem schwer, ihrer Arbeit nachzugehen und die am dringendsten Hilfsbedürftigen zu erreichen".

Die Zentralregierung rief die Bevölkerung zur Unterstützung auf - Ministerpräsident Abiy Ahmed war sogar zeitweilig selbst an der FrontBild: AP Photo/picture alliance

Seit mehr als einem Jahr bekriegen sich die Truppen der Zentralregierung in Addis Abeba und der TPLF und deren Verbündete um die Vorherrschaft im Norden Äthiopiens. Zehntausende Menschen wurden laut UN seit November 2020 getötet, mehr als zwei Millionen vertrieben. Beobachter beschuldigen beide Seiten, Menschenrechtsverstöße und Kriegsverbrechen begangen zu haben.

Zuletzt veröffentlichte die Organisation Human Rights Watch einen Bericht, wonach TPLF-Angehörige im August rund 50 Zivilisten in zwei Städten in Amhara hingerichtet haben sollen. Frauen, Kinder und Männer aus der Zivilbevölkerung sind aus Saanis Sicht die Hauptleidtragenden und zahlen den Preis für den Konflikt.

"In Äthiopien spielt sich gerade eine humanitäre Krise ab", betonte Saani. "Viele Flüchtlinge, die den Kämpfen entkommen sind, harren nun in Notlagern innerhalb und außerhalb des Landes aus, ohne Zugang zu Essen, Gesundheit, Wasser oder gar Toiletten."

Im Oktober forderten medizinische Kräfte in Tigrays Hauptstadt Mekelle, eine Blockade auf medizinische Güter aufzuhebenBild: Million Haileselassie /DW

Globale Anstrengungen für einen Waffenstillstand

Die internationale Gemeinschaft hat die Kampfhandlungen immer wieder verurteilt. So sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, die humanitäre Katastrophe im Norden Äthiopiens bleibe eine "absolute Priorität" für die Vereinigten Staaten. Er wiederholte die Aufrufe an die Kriegsparteien, in den Dialog zu treten und Friedensgespräche zu beginnen. "Wir ermutigen, aber wir halten auch ein paar Druckmittel in der Hand", sagte Price.

Die USA haben bereits Sanktionen gegen Eritrea verhängt, dessen Soldaten an der Seite des äthiopischen Militärs kämpften. Sanktionen gegen die Zentralregierung selbst oder die TPLF wurden schon mehrfach angedroht, aber bislang nicht in Kraft gesetzt.

Die USA und weitere Akteure wie Deutschland müssten beide Seiten stärker unter Druck setzen, um einen Waffenstillstand zu erreichen, sagte Analyst Adib Saani. "Der einzige Ausweg ist eine gemeinsame internationale Initiative, angeführt von den Weltmächten."

Ein Waffenstillstand steht derzeit nicht zur Debatte - dieser TPLF-Kämpfer kommt während seiner Wachschicht dennoch zum LesenBild: Giulia Paravicini/REUTERS

Der Analyst William Davison von der International Crisis Group glaubt jedoch, dass die Kämpfe noch länger andauern werden und mal die eine, mal die andere Seite die Oberhand haben wird. Er sagte im DW-Interview: "Die tigrayischen Kräfte waren seit Juli in Richtung der Hauptstadt vorgerückt, aber seit etwa einer Woche sehen wir deutliche Geländegewinne der Zentralarmee. Es sieht eher nach weiteren Kämpfen aus mit keiner wirklichen Aussicht auf sofortige Verhandlungen."

Für die Versorgung der notleidenden Zivilbevölkerung im Norden des Landes ist somit auch keine Besserung in Sicht. Das Welternährungsprogramm erinnerte nach den Plünderungen in der Region Amhara daran, dass humanitäre Helfer und Hilfsgüter unter dem Schutz internationaler Menschenrechte stehen. Helfer zu belästigen, sei "inakzeptabel und untergräbt die Fähigkeiten der Vereinten Nationen und aller humanitären Partner, Unterstützung zu liefern wenn sie am nötigsten gebraucht wird".

Adaptiert aus dem Englischen von David Ehl.

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