1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Kunst

Plakataktion in Polen gegen Abtreibungsverbot

David Levitz
21. Dezember 2020

Zehntausende protestieren in Polen gegen eine Verschärfung des Abtreibungsverbots. Dabei spielt auch ein Plakat der US-Künstlerin Barbara Kruger eine Rolle.

Eine Frau geht an einem Plakat vorbei, auf dem auf Polnisch steht: "Dein Körper ist ein Schlachtfeld"
1991 pflasterte dieses Plakat erstmals die Häuserwände Polens - jetzt ist es wieder aktuell Bild: Andrzej Golc

"Dein Körper ist ein Schlachtfeld" steht auf Polnisch auf einem Plakat. Es stammt von der US-Künstlerin Barbara Kruger und entstand bereits im Jahr 1991. Doch das Thema ist aktueller denn je und spricht den Demonstrantinnen aus der Seele. Aus Protest gegen die Verschärfung des Abtreibungsrechts wurde Krugers Arbeit (im Original heißt sie: "Untitled -Your Body is a Battleground") von  einer polnischen Galerie in der Stadt Szczecin (Stettin) auf Häuserwände geklebt, fast drei Jahrzehnte, nachdem das grafische Werk der Künstlerin zum ersten Mal in Polen auftauchte. "In Polen wird erneut versucht, Frauen zu schwächen und auszugrenzen", sagte die US-Künstlerin in einem Interview mit der DW.

Umstrittene Änderung des Abtreibungsgesetzes

Das polnische Abtreibungsrecht gehört ohnehin schon zu den strengsten in Europa. Seit 1993 ist ein Abbruch in Polen nur dann legal, wenn die Schwangerschaft das Leben oder die Gesundheit der Mutter gefährdet, Ergebnis einer Vergewaltigung ist oder wenn das Ungeborene schwere Fehlbildungen aufweist. Letzteres ist der häufigste Grund für eine Abtreibung. Doch das soll nun nicht mehr möglich sein.

Barbara Krugers Plakate hängen in StettinBild: Andrzej Golc

Am 22. Oktober entschied das polnische Verfassungsgericht, dass der Abbruch von Schwangerschaften aufgrund von Fehlbildungen des Fötus verfassungswidrig sei. "Die toxische Partnerschaft von rechter Kirche und Staat arbeitet daran, die Kontrolle über den weiblichen Körper  sicherzustellen, und sie tut dies mit Arroganz und Verachtung", sagt Kruger.

Plakate sollen Frauen Sichtbarkeit verleihen

Das Urteil in Polen hat in dem mehrheitlich katholischen Land zu den größten Protesten seit dem Ende des Kommunismus vor 30 Jahren geführt. In der Zwischenzeit hat sich die rechtsgerichtete Regierung wegen des Vorgehens gegen Abtreibung und der LGBTQ-Rechte auch mit der Europäischen Union zerstritten. "Ich hoffe, dass die Sichtbarkeit (der Plakate) eine visuelle Mahnung daran ist, dass der Kampf andauert. Auch wenn diffuse Ängste offenbar dazu führen, Frauen mit aller Gewalt entmachten zu wollen, hoffe ich, dass der Widerstand dagegen mutig ist und wächst", so Kruger weiter.

US-Künstlerin Barbara Kruger Bild: picture-alliance/dpa/S. Pförtner

Die amerikanische Künstlerin hatte das Plakat ursprünglich 1989 für den Frauenmarsch in Washington geschaffen. Darauf zu sehen ist das Foto einer Frau, das zur Hälfte als Negativ gedruckt ist. Der Protest wurde gegen die Bestrebungen von Abtreibungsgegnern organisiert, die die Entscheidung des Obersten Gerichtshof der USA von Roe gegen Wade aus dem Jahr 1973, mit der die Abtreibung in den Vereinigten Staaten legalisiert wurde, kippen wollten.

Kruger unterstützt Proteste

Im Jahr 1991, als Polen nach dem Fall des Kommunismus begann, die Rechte auf Abtreibungen zu beschränken, hängte das im Warschauer Ujazdowski-Palast beheimatete Zentrum für Zeitgenössische Kunst in der Hauptstadt Hunderte von Krugers Postern in polnische Übersetzung auf.

Erst vor wenigen Wochen erhielt das TRAFO Zentrum für Zeitgenössische Kunst in Szczecin (Stettin) neue Drucke des Plakats, übermittelt von Krugers deutscher Galerievertretung Sprüth Magers in Berlin. TRAFO schreibt auf seiner Website über die Bedeutung des Plakats in Polen, dass das erste Erscheinen in eine Zeit fiel, "in der wir dabei waren, eine moderne Gesellschaft zu formieren". Und weiter heißt es:"Heute, ein Vierteljahrhundert später, ist die Körperpolitik immer noch ein aktuelles Thema. Angesichts der Versuche der Politiker, den weiblichen Körper zu objektivieren, bleibt Krugers Arbeit äußerst relevant und 'gebrauchsfertig'."

Barbara Kruger hat mit ihren Slogans Werbung und Mode beeinflusst: "Ich kaufe ein, also bin ich"Bild: Boris Roessler/dpa/picture-alliance

Barbara Kruger nannte Trump "Loser"

Krugers textbasierte Werke mit kurzen, bissigen Slogans haben inzwischen ikonischen Charakter. Sie wurden vielfach kopiert und fanden Einzug in die Ästhetik von Werbung und Mode.

Die US-Künstlerin greift seit den späten 1970er Jahren auf Plakate zurück, um soziale Themen wie Rassismus und Frauenfeindlichkeit anzuprangern. Für das Cover der Wahlkampf-Ausgabe des "New York Magazine" im Jahr 2016 brachte sie ihre Haltung gegenüber dem damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump mit einem einzigen Wort auf den Punkt: "Loser".

Vier Jahre später, nachdem Trump nun tatsächlich die US-Wahl verloren hat, wartet die Welt auf seinen Abgang aus dem Weißen Haus. Doch Kruger blickt wenig optimistisch in die Zukunft: "Ich glaube, dass noch viel Wahnsinn, Machtmissbrauch und Aufstachelung zur Gewalt auf uns zukommen wird", sagt sie im DW-Interview.

Cover des New York Magazine, 2016, mit eindeutiger Botschaft: "Loser"

"Wann immer ich jemanden sagen höre, er sei 'schockiert' über die gegenwärtige Regierung, macht mich das verrückt. Es ist dieser Mangel an Vorstellungskraft, der uns in diese verrückte, beängstigende Situation gebracht hat. Der Groll eines alten weißen Mannes wie Trump wird ebenso wenig in der Versenkung verschwinden wie seine Gefolgschaft von Betrügern, Gaunern, Lakaien und Mitverschwörern. Sie haben 74 Millionen Dollar im Rücken [...] Seien Sie lieber nicht schockiert."

Ein tödliches neues Zeitalter

Krugers nächstes großes Projekt liegt derzeit wegen der Corona-Pandemie auf Eis. Geplant war eine Wanderausstellung in Chicago, New York und ihrem Wohnort Los Angeles. Aber angesichts der hohen Todeszahlen ist es unwahrscheinlich, dass die Schau in nächster Zeit eröffnet werden kann. "Die Pandemie, die wir gerade durchleben und die viele Menschenleben kostet, ist wie ein chaotischer Feuersturm", erklärt die 75-jährige Künstlerin im DW-Interview.

"Egal wie kaputt und mangelhaft die Zeit 'davor' erschien, die Tage und Nächte, in denen man Besorgungen machte, zur Arbeit ging oder mit Freunden zu Abend aß, fühlen sich heute wie ein Fiebertraum an, wenn man sie mit der Krankheit, dem Grauen und der Isolation vergleicht."

Adaption: Sabine Oelze

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen