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Planet Erde: Sieben der neun Belastungsgrenzen überschritten

24. September 2025

Wie gesund ist unser Planet? Das misst das wissenschaftliche Modell der Planetaren Belastungsgrenzen. Neun gibt es, sieben haben wir schon überschritten, etwa Klimawandel und Ozeanversauerung.

Blick auf die Erde aus dem Weltraum
Blick auf die Erde aus dem Weltraum (Computergraphik)Bild: M. Gann/blickwinkel/McPHOTO/picture alliance

Wäre unsere Erde eine Patientin im Krankenhaus, läge sie wohl auf der Intensivstation – so liest sich der aktuelle Planetare Gesundheitscheck, der Planetary Health Check 2025, den das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) veröffentlicht hat. Verfasst wurde er von einer internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft.

Den Bewertungsmaßstab dafür haben Forschende 2009 entwickelt: Das Konzept der Planetaren Grenzen. Es zeigt, was wir beachten müssen, um unseren Planeten nicht zu überlasten. Werden die Grenzwerte überschritten, gerät das lebenserhaltende System auf der Erde in Gefahr – und damit unsere eigene Lebensgrundlage.

Boris Sakschewski ist am PIK zuständig für den Bereich der Erdsystem-Analyse und einer der Hauptautoren des Berichts. Er erklärt die Planetaren Grenzen mit dem Bild eines Bluttests. 

"Im Moment ist die Situation so, dass viele Parameter außerhalb des Schwankungsbereichs liegen, also als schlecht einzustufen sind. Das könnte man gleichsetzen mit: Man hat zu hohe Entzündungswerte, zu hohe Cholesterinwerte, die Leberwerte sind schlecht, man hat schlechte Lungenwerte – dass also verschiedene Dinge gleichzeitig falsch laufen. Jedes allein genommen ist bereits gefährlich, aber sie können sich auch noch gegenseitig verstärken."

Insgesamt neun Grenzen haben die Forschenden definiert: Biosphäre, biogeochemische Abläufe, neue Substanzen, Klimawandel, Süßwasser, Landnutzung, Ozeanversauerung, Luftverschmutzung und Ozonschicht. Im Jahr 2009 wurden drei Grenzwerte überschritten, 2015 waren es vier und 2023 schon sechs. Aktuell haben wir sogar sieben der neun Planetaren Grenzen überschritten.

Der grüne Kreis in der Grafik stellt den sicheren Bereich dar. Wenn eine Grenze überschritten ist, wird der Bereich orange (zunehmendes Risiko) und danach rot (gravierende Folgen)

Biosphäre: Alarmstufe rot

Die Biosphäre umfasst alle Schichten der Erde, die mit Lebewesen besiedelt sind, an Land oder im Wasser. Wie intakt sie ist, messen Forschende anhand von zwei Größen: der Artenvielfalt sowie ihrer Produktivität und dem, was nach der Ausbeutung durch den Menschen noch übrigbleibt.

Und hier sieht es sogar noch schlechter aus als beim Klima: Das Aussterben von Arten und der Verlust der natürlichen Ökosysteme liegen weit über dem Sicherheitsbereich, den wir fürs Überleben brauchen - und derzeit gibt es keine Anzeichen für eine Verbesserung.

Schlechte Chancen für den Orang-Utan: Die Menschenaffen sind vom Aussterben bedroht - insgesamt ist ein Fünftel aller Säugetierarten laut der Roten Liste der IUCN gefährdet Bild: Hotli Simanjuntak/EPA/dpa/picture alliance

Übermaß an Stickstoff und Phosphor stört biogeochemische Kreisläufe

In den vergangenen hundert Jahren hat die Menschheit durch Gülle aus intensiver Tierhaltung und Kunstdünger, aber auch aus der Verbrennung in Industrie und im Verkehr die Menge an verfügbarem Stickstoff  in der Natur in etwa verdoppelt.

Stickstoff ist ein wichtiger Nährstoff, doch die extreme Überdüngung hat viele negative Folgen. Oft können Pflanzen so viel Stickstoff gar nicht aufnehmen. Er sickert ins Grundwasser, wird ausgewaschen und belastet Flüsse und Seen sowie die Küstenzonen der Meere. Dort fördert er das Wachstum bestimmter Algen, das führt zu Sauerstoffmangel und im schlimmsten Fall zum Tod allen Lebens dort. Auch an Land überwuchern schnell wachsende Pflanzen solche, die eigentlich an nährstoffärmere Bedingungen angepasst sind.

Auch Phosphorverbindungen werden als Düngemittel ausgebracht – mit denselben negativen Folgen: ganze Ökosysteme geraten aus ihrem Gleichgewicht. Daher ist diese Belastungsgrenze weit überschritten. Für diesen Gesundheitswert unserer Erde gilt also: Alarmstufe rot.

Die Erfindung des Kunstdüngers hat reiche Ernten gebracht - doch mittlerweile gibt es viel zu viel Stickstoff im Nährstoffkreislauf unserer Erde Bild: FRP/Countrypixel/picture alliance

Überladung mit neuen Substanzen: unvorhergesehene Langzeitfolgen

Die Menschheit produziert und verbreitet fast 350.000 Substanzen, die die natürlichen Prozesse auf unserer Erde verändern und Lebensräume gefährden können. Zum Vergleich: Organisches Leben - egal ob Blauwal oder Bakterium - besteht größtenteils nur aus sechs Bausteinen:  Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Phosphor und Schwefel.

Die neuen Substanzen gelangen in alle Bereiche des Erdsystems und entfalten ungeahnte Wirkung. So findet sich Mikroplastik im Trinkwasser, das Insektengift DDT in Fischen und im Meeresschaum an der Nord- und Ostseeküste wurden beispielsweise PFAS gefunden – Substanzen, die den Hormonhaushalt von Menschen und Tieren beeinflussen.

"Es reicht ein Stoff aus, um ein globales Problem zu schaffen", so Sakschewski. Und jetzt sind wir in der Situation, dass tausende Stoffe ungetestet in die Umwelt entlassen werden und jedes Jahr kommen neue dazu. Hier besteht ein großer Handlungsbedarf und es braucht internationale Regeln."

Idyllische Landschaft der Ostsee - doch mancherorts ist das Wasser mit PFAS-Schadstoffen kontaminiert, die den Hormonhaushalt beeinträchtigenBild: Frank Drechsler/IMAGO

Klimawandel: Die Erde wird immer wärmer

Auch das Klima der Erde befindet sich in der Gefahrenzone: Die Treibhausgaskonzentrationen haben Rekordwerte erreicht und liegen weit über dem Referenzwert der vorindustriellen Zeit. Vor allem beschleunigt sich die Erderwärmung. Das zeigt der sogenannte Strahlungsantrieb. Er beschreibt, wieviel zusätzliche Wärme in die Erdatmosphäre gelangt. Hier haben wir sogar die Grenze zum Hochrisikobereich überschritten.

Die Erwärmung ist vor allem auf den menschlichen Ausstoß von Treibhausgasen zurückzuführen - allen voran auf Kohlendioxid (CO2).

Alarmstufe orange bei Süßwasser-Ressourcen, …

Der Einfluss der Menschen auf Gewässer und Bodenfeuchtigkeit nimmt zu – durch Bewässerung in der Landwirtschaft, industrielle Wassernutzung, häuslichen Wasserverbrauch, aber auch durch den menschengemachten Klimawandel.

Das beeinträchtigt die Stabilität der Wassersysteme weiter und das Risiko von Dürren und Überschwemmungen steigt. In mehr als einem Fünftel der weltweiten Landfläche gibt es mittlerweile erhebliche Abweichungen bei Trockenheit, Wasserabfluss und der Bodenfeuchtigkeit.

Ausgetrocknete Weide im August 2025 in Großbritannien: Dürren wie auch Überschwemmungen sind Folgen des Klimawandels und der immer instabileren SüßwassersystemeBild: Toby Melville/REUTERS

bei der Landnutzung...

Noch deutlicher ist die Belastbarkeit der Erde bei der Landnutzung überschritten. Hier greift der Mensch durch Landwirtschaft, Holzgewinnung, Siedlungen und Infrastruktur stark in die natürlichen Systeme ein. Auch der Klimawandel, Veränderungen beim Süßwasser und in der Biosphäre machen sich hier bemerkbar.

Zwar hat sich das Tempo des Waldverlusts verlangsamt, insgesamt aber gibt es weltweit immer weniger Wald. Aktuell ist die Waldbedeckung auf knapp unter 60 Prozent gesunken – das liegt weit unter dem sicheren Mindestwert von 75 Prozent. Schrumpfen die Wälder der Erde auf unter 54 Prozent, nähren wir uns auch hier dem Hochrisikobereich.

und bei unseren Ozeanen

Die Weltmeere nehmen mehr als ein Viertel des CO2 auf, das wir Menschen ausstoßen. Im Meer kann das Kohlendioxid zwar das Klima nicht mehr erwärmen. Aber: Dort wird CO2 zu Kohlensäure und senkt den pH-Wert, die Ozeane versauern. Je saurer das Wasser, desto schlechter können Korallen und Muscheln ihre Schalen und Skelette aus Kalk bilden.

Am Beispiel der Ozeane zeige sich, wie eng die einzelnen Belastungsgrenzen zusammenwirkten, sagt Boris Sakschewski. So führten hohe Meerestemperaturen, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind, gemeinsam mit Stickstoff- und Phosphoreinträgen zu sogenannten Todeszonen fast ohne Sauerstoff. Das störe wiederum die Nahrungsnetze, also die Biosphäre. Und ins Meer gelangten viele der neuartigen Stoffe, wie etwa Plastik.

Nur ein winziger Bruchteil des Mülls, der in unseren Ozeanen schwimmt - eingesammelt 2023 von der Umweltorganisation The Ocean CleanupBild: Cover-Images/IMAGO

Die gute Nachricht: zwei Belastungsgrenzen im grünen Bereich

Immerhin: In zwei Bereichen bleiben die Werte im sicheren Bereich. Die Luftverschmutzung geht weiter zurück und die Ozonschicht, die uns vor radioaktiver Strahlung aus dem All schützt, erholt sich langsam, aber stetig.

Das Beispiel Ozonschicht zeigt, dass sich schlechte Zustände durch entschlossenes Handeln auch wieder verbessern lassen. Nachdem klar wurde, dass Chemikalien aus der Gruppe der Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) zum Abbau der Ozonschicht führten, verbot die Weltgemeinschaft mit dem globalen Montreal-Protokoll deren Nutzung.

Gesunde Wälder nehmen als Kohlestoffsenken CO2 aus der Luft auf, sind sie geschädigt, werden sie selbst zu CO2-Emittenten - so wie in DeutschlandBild: Jürgen Vogt/Zoonar/picture alliance

Damals handelte es sich allerdings nur um einen einzigen Stoff, für den man rasch Ersatz fand, erläutert Sakschewski. Bei den aktuellen Bedrohungen sei die Lage komplizierter. Dennoch böten die engen Wechselwirkungen zwischen den Planetaren Grenzen auch Chancen: Wenn man an einer Stelle etwas verbessere, wirke das auch an anderer Stelle positiv.

"Wenn man etwa Kohlenstoffsenken schützt, also etwa Regenwälder, schützt man die Bodenfeuchte, den Frischwasserhaushalt, man schützt das Klima und man schützt die Biosphäre."

Jeannette Cwienk Autorin und Redakteurin, Fokus unter anderem: Klima, Umwelt und Wissenschaft