Plattencover sind eine ganz eigene Kunstform. In Oberhausen beleuchtet eine Schau in der Ludwigsgalerie die perfekte Symbiose zwischen Comic-Kunst und Musik.
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Welcher Musikliebhaber und welche Musikliebhaberin kennt das nicht? Man spaziert in einen Plattenladen und bleibt an einem Cover hängen. Vielleich weil es besonders schön, auffällig oder gar verstörend ist - ein Blickfang eben, der zum Kauf motiviert. Und so landen manchmal Alben in unseren Musiksammlungen, die man sonst vielleicht nicht unbedingt gekauft hätte.
Dass Schallplattencover wahre Kunstwerke sein können, weiß man spätestens seitdem Aubrey Powell und Storm Thorgerson in ihrem legendären britischen Foto-Design-Studio "Hipgnosis" Cover für Bands wie Pink Floyd, The Rolling Stones oder Led Zeppelin entwarfen. Seit 1968 haben die beiden Briten rund 350 Plattencover entworfen, die zum Kultstatus der dazugehörigen Scheiben beigetragen haben.
Zehn Plattencover, die Geschichte geschrieben haben
Vor 50 Jahren gründeten Aubrey Powell und Storm Thorgerson die Design-Agentur Hipgnosis. Mit ihren surrealistischen Plattencovern wurden sie zum wichtigsten Designkollektiv der Popmusikgeschichte.
Bild: Pink Floyd Music Ltd
Peter Gabriel - Scratch (1978)
Hipgnosis hatte schon für Genesis gearbeitet: Ein Meisterwerk ist die Covergestaltung des Doppelalbums "The Lamb Lies Down On Broadway". Nach seinem Ausstieg arbeitete Peter Gabriel auch für seine Soloalben mit Hipgnosis. Eigentlich hatte er den LPs keine Titel gegeben. Die kamen schließlich inoffiziell von Fans und Presse. Warum dieses Album "Scratch" genannt wird, ist klar.
Bild: Hipgnosis
AC/DC - Dirty Deeds Done Dirt Cheap (1976)
Schwarze Balken werden in Boulevard-Zeitungen verwendet, wenn die gezeigten Personen unkenntlich gemacht werden sollen, weil jeder von ihnen irgendetwas zu verbergen hat. Der Titel des Albums, auf deutsch etwa "Krumme Dinger gedreht für'n Spottpreis" lässt darauf schließen, dass die abgebildeten Personen Dreck am Stecken haben. Auch wenn sie alle so bunt und adrett aussehen.
Bild: Hipgnosis
10cc - How Dare You (1976)
10cc waren ähnlich exzentrisch wie die Hipgnosis-Jungs. Auf der Vorderseite ihres Albums sieht man ein am Telefon streitendes Ehepaar, getrennt duch einen diagonalen Schnitt. Mit der Band hat das nichts zu tun, aber mit einem Titel auf der Platte: "Don't Hang Up". Klappt man das Album auf, erscheint das Bild (oben), das, wenn man das heutige Handyzeitalter betrachtet, wie eine Prophezeihung wirkt.
Bild: Hipgnosis
Led Zeppelin - Presence (1976)
Das Bild ist eine Collage aus einem Foto von einer Bootsausstellung mit einer Studiofotografie. Das schwarze Objekt ist aufgemalt, so wirkt es zweidimensional, noch schwärzer und dadurch noch befremdlicher. Vorlage war eine echte Plastik, die dem schwarzen Monolithen aus Stanley Kubricks "2001 - Odyssee im Weltraum" nachempfunden war. Nur wurde sie hier noch in sich verdreht.
Bild: Mythgem Ltd
Pink Floyd - Atom Heart Mother (1970)
Ein herrlicher Spaß war das, als Powell und Thorgerson Pink Floyd vorschlugen, einfach ein paar Kühe als Motiv für die Platte zu nehmen. Waters und Co. waren sofort einverstanden. Die Plattenfirma war entsetzt. Dennoch verkaufte sich die Platte sensationell. Dazu gab es einen geschickten Werbefeldzug: Wochenlang nur Plakate mit der Kuh, erst bei Veröffentlichung wurden Band und Titel enthüllt.
Bild: Pink Floyd Music Ltd
Pink Floyd - The Dark Side Of The Moon (1973)
"Keine Kühe mehr", hieß es, als Pink Floyd über das Cover ihres 8. Studioalbums nachdachten. Durch Zufall entdeckten Powell und Thorgerson den Lichteffekt, der durch das Prisma hervorgerufen wird. Sie blätterten in Physikbüchern und setzten den Prisma-Effekt für das legendäre Albumcover um. Begeisterung bei Band, Plattenfirma und Publikum. Auch die Musik von dem Album ist und bleibt legendär.
Bild: Pink Floyd Music Ltd
Pink Floyd - Wish You Were Here (1975)
1975 gab es noch keine digitale Fotonachbearbeitung. Der Mann auf dem Foto brannte tatsächlich. "Wir setzten ihn bestimmt ein Dutzend Mal in Brand, bis ihn schließlich eine Windböe traf und ihn die Flammen im Gesicht verletzten", erzählt Powell später. Für den Stuntman sei der Tag danach gelaufen gewesen, doch das Foto habe er glücklicherweise im Kasten gehabt.
Bild: Pink Floyd Music Ltd
Pink Floyd - Animals (1977)
Das aufblasbare Gummischwein zwischen den Schornsteinen war echt. Und es sorgte für Aufregung. Während der Fotosession riss die Verankerung, das Schwein flog tatsächlich davon und steuerte den Londoner Flughafen Heathrow an. Zum Glück gab es keine Probleme. Später aber beschwerte sich ein Bauer, ein riesiges rosa Schwein habe seine Kühe in Angst und Schrecken versetzt.
Bild: Pink Floyd Music Ltd
Wishbone Ash - New England (1976)
Das Bild zeigt nur einen Ausschnitt des Covers. Dem Mann gegenüber steht ein weiterer Mann, der zusieht, wie der andere den Speer spitzt. Die sexuelle Konnotation ist kein Zufall. Der Fotograf mochte Männer. Ihn reizten Anspielungen und Doppeldeutigkeiten. Wishbone Ash hatten gerade einen Neuanfang gewagt und fanden dieses mutige Foto passend zu ihrem Vorhaben, sich in neue Abenteuer zu stürzen.
Bild: Hipgnosis
10cc - Bloody Tourists (1978)
Eine Rockgruppe auf Tour: Wie ein Tourist, der reist ohne etwas zu sehen. Der von Flughafen zu Flughafen hetzt und nur Hotelzimmer, Konzertsäle und Garderoben sieht. Der so sehr seine Route im Kopf hat, dass er die Schönheit des Strandes und sogar die hübsche Frau im Wasser nicht wahrnimmt. So fühlte sich die Band - und Hipgnosis hat es auf den Punkt gebracht.
Bild: Hipgnosis
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Die kulturelle Revolution der 1960er spiegelte sich auch in den Designs der Plattencover wider. Eine Verbindung zwischen Comicwelt und (Rock-)Musikwelt war eigentlich nur eine Frage der Zeit: 1965 war die kalifornische Stadt San Francisco nicht nur Sehnsuchtsort vieler Musiker und Hippies, sondern auch Heimat bekannter Undergroundzeichner. Robert Crumb etwa entwarf das detailreiche Cover für "Cheap Thrills" von Janis Joplins Band "Big Brother & the Holding Company".
Crumb soll 1967 nur einen Tag bekommen haben, um das Cover fertigzustellen, schreibt Eckart Sackmann in seinem Ausstellungskatalog "VINYL! Die Comic-Cover". Derzeit kuratiert Sackmann eine gleichnamige Ausstellung in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen. Ursprünglich soll Crumps Werk als Backcover geplant gewesen sein, mit einer Illustration zu jedem Songtitel. "Der Zeichner soll es später bedauert haben, mit einem Pauschalhonorar von 600 Dollar abgefunden worden zu sein. Immerhin war es ihm vertraglich gestattet, Joplins Busen berühren zu dürfen", schreibt Sackmann in seinem Katalog.
Ende der 1960er-Jahre sind Comics ein perfektes Medium, um gegen das Establishment zu rebellieren und sich etwa für mehr sexuelle Freiheit zu setzen. Aber die Künstler lehnen sich mit ihren Illustrationen auch gegen die damalige Politik und den Vietnamkrieg auf und kämpfen für Bürgerrechte. "Es war eine laute, eine offene, eine Aufbruchsstimmungszeit", so Sackmann. Und die zeigte sich sowohl in der Kunst als auch in der Musik.
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Comics und Cover bildeten die perfekte Symbiose
In den 1970er- und 1980er-Jahren setzt sich die Symbiose zwischen Comics und Musik fort. Dabei greifen sowohl berühmte als auch Undergroundbands auf die Dienste von Comic-Künstler zurück. Die dänische Band Gasolin' etwa ist Fan von Tim-und-Schöpfer Hergé. Woraufhin der Belgier ein Cover für ihre 1971 erschiene Scheibe "Gasolin'" entwirft.
Skandalmusiker Frank Zappa lässt das Cover zu seiner LP "The Man from Utopia" vom italienischen Zeichner Tanino Libertore gestalten. Das Cover erzählt eine Geschichte: Es bezieht sich auf eine mehr oder minder katastrophale Tour, die Frank Zappa im Jahr zuvor durch Italien gemacht hatte. Von Problemen mit der Mafia bis hin zu technischen Hürden war alles dabei. Das Cover selbst bezieht sich auf ein Konzert in der Nähe von Mailand, bei dem Zappa und seine Band von Mückenschwärmen angegriffen wurden, die sie stachen und die Musiker fast daran hinderten, weiterzuspielen.
In den 1990er-Jahren wurde die Schallplatte zunehmend von der CD verdrängt. Die kleineren Cover boten weniger Fläche für die großformatige Comic-Kunst. Dennoch hielten manche Musiker trotzdem an den bildstarken Artworks fest. Anfang der 1990er-Jahre ließen Motörhead etwa dieses legendäre Cover für ihr Best-Of-Album gestalten.
Mittlerweile werde ein Großteil der Musik gestreamt, heutige Hörer hätten bei der Musik meist kein Bild mehr vor Augen, meint Kurator und Comicfan Eckart Sackmann. "Früher war das anders: Denken Sie an Sgt. Pepper's (berühmtes Album der Beatles, Anmerk. d. Red.), und sie sehen das Plattencover." Mit seiner Ausstellung in Oberhausen, die vom 16. Januar bis zum 8. Mai läuft, und dem dazugehörigen Katalog hat sich Sackmann einem wenig erforschten Thema gewidmet. "Es gibt ein wenig Literatur in Frankreich, aber in Deutschland gibt es so gut wie keine", meint Sackmann, der selbst sowohl Schallplatten als auch Comics sammelt. Für die Ausstellung "VINYL! Die Comic-Cover" hat er 200 beeindruckende Comic-Schallplatten-Cover zusammengetragen.