Laufend die Welt von Müll befreien
24. Juni 2018Wir hören leises Donnergrollen, es regnet aber nicht. Also keine Ausreden: Laufschuhe an die Füße, Handschuh übergestülpt und Tüte in die Hand. Ich will ploggen, das heißt laufen und dabei Müll aufheben. Doch alleine macht das keinen Spaß. Ich frage ein paar Freundinnen, ob sie spontan Lust haben mit mir den neuen Trend Plogging auszuprobieren. "Von anderen Leuten den Müll aufheben?" fragt meine Freundin Petra, nicht wirklich begeistert. Ich erkläre ihr, dass Plogging ein neuer Trend aus Schweden ist. Eine Mischung aus Jogging und dem schwedischen Wort plocke, was so viel heißt wie sammeln. Das Ganze hat ein Ziel: das Schöne mit dem Nützlichen zu verbinden und beim Laufen die Stadt aufzuräumen. Die Idee ist ganz einfach: siehst du beim Laufen oder Walken Müll, hebst du ihn auf und entsorgst ihn.
Begeistert ist Petra zwar immer noch nicht, aber sie will die etwas ungewöhnliche Idee dennoch ausprobieren. Warum nicht, schließlich hat sie sich schon so oft über den herumliegenden Müll in unserem schönen Park geärgert. Eine zweite Freundin, Regina, und meinen Mann kann ich ebenfalls von meinem Plan überzeugt.
Bei meiner neunjährigen Tochter ist das schon schwieriger. Schließlich hebt sie nicht mal Dinge in ihrem eigenen Zimmer auf und jetzt soll sie im öffentlichen Park den Müll anderer Leute aufheben? Auch mein Argument, dass es lustig sei in einer Gruppe zu laufen, kommt nicht wirklich bei ihr an. Als meine andere, 12-jährige Tochter von dem Gedanken erfährt, der hinter Plogging steht - nämlich zu laufen und dabei etwas für die Umwelt zu tun, ist sie gleich mit von der Partie. Das überzeugt auch meine Kleine. Sie zieht ihre Laufschuhe an, nimmt einen Gartenhandschuh und eine Tüte.
Nun kann es losgehen. Treffpunkt ist der Kölner Vorgebirgspark. Auf dem Weg dorthin erkläre ich meinen fünf Mitstreitern, dass Plogging vor zwei Jahren der schwedische Umweltaktivist Erik Ahlström ins Leben gerufen hat. Dank sozialer Medien hat sich die Idee mittlerweile weltweit verbreitet. In Deutschland, Chile, in den USA oder Russland schnappen sich Menschen Laufschuhe und Mülltüten und 'ploggen'. Immer mehr folgen Aufrufen, sich in Parks oder Straßen von Großstädten zu treffen, um auf sportliche Weise die Stadt von Müll zu befreien.
Plogging Cologne
Wir sechs Spontanplogger sind nicht die ersten und auch nicht die einzigen in Köln, die den neuen Trend ausprobieren. Es existiert bereits eine Plogging-Gruppe. Sie heißt Plogging Cologne, wurde von den beiden Journalistinnen und Sportlerinnen Anita Horn und Caro Köhler im Februar ins Leben gerufen und zählt mittlerweile mehr als 350 Mitglieder. Darunter Umweltschutzaktivisten, Hausfrauen, Mütter mit Kindern, Studenten und Rentner. Eine durchmischte Gruppe.
So wie wir auch. Zu sechst laufen wir im Kölner Süden durch den Park. Ein Blick auf den Weg und in die Büsche, der andere zum Himmel. Hält das Wetter oder werden wir für unser Engagement mit Donner, Blitz und Regen belohnt? Wir vertrauen auf unser Glück und laufen. Oberflächlich betrachtet sieht der Rasen aufgeräumt aus, doch in den Büschen liegen Unmengen Müll. Also abstoppen, mit geradem Rücken in die Knie, Müll aufheben und ab in die Tüte. Meine 12-jährige Tochter freut sich über ihren ersten Fund - zwei Pfandflaschen und meint grinsend, bei dem Sport werde sie sogar noch reich. Es dauert nicht lange bis unsere Tüten halbvoll sind mit Kronkorken, Taschentüchern, Beutel mit Hundekot und Kunststoffbehältern.
Als ich einen Tag später mit Caro Köhler von Plogging Cologne spreche, bestätigt sie, dass auch sie mit ihrer Gruppe die unterschiedlichsten Dinge aufsammelt: von Coffee To Go Bechern, leeren Chipstüten, Schokoriegelverpackungen, Plastiktüten bis hin zu alten Zeitungen und vielen leeren Flaschen. Aber auch Babywindeln liegen im Gebüsch,Tüten mit Hundehaufen, ja sogar Bratpfannen, viele Schuhe, Schrottfahrräder oder alte Bürostühle. Die Entsorgung wird bereits im Vorfeld geklärt - die örtlichen Abfallbetriebe sammeln am Ende den Müll ein.
Bei aller grünen Euphorie ist sich Caro Köhler aber bewusst, dass Plogging zurzeit ein Hype ist, dennoch hofft sie, "dass wir mit dem Plogging dazu beitragen, dass Leute manchmal neu über Müll nachdenken".
Das hoffe ich natürlich auch. Und während sich meine kleine spontan ins Leben gerufene Gruppe weiterhin laufend und bückend durch den Park bewegt, merke ich bereits an mir selbst ein kritisches Bewusstsein aufkommen. Ich überlege tatsächlich, was und wo ich demnächst einkaufe, um möglichst wenig Verpackung nach Hause zu bringen. Abgesehen davon freue ich mich über den erzieherischen Effekt, den diese Aktion auf meine Kinder haben wird. Nach einer Stunde im Park laufen und Müll sammeln werden beide sicher keinen Müll mehr auf die Erde werfen. Hoffe ich.
Dank meines mitlaufenden Ehemannes, der Sportwissenschaftler ist, bekam unsere kleine Gruppe auch in sportlicher Hinsicht gute Tipps: "Wenn wir uns bücken", versichert er uns, "werden zahlreiche Rumpfmuskeln bewegt, die beim Joggen generell erst einmal Pause haben." Die Belastung durch das ständige Bücken und Aufheben sei wesentlich größer als beim normalen Laufen oder Walken. Wer sich also unterwegs nach Flaschen, Dosen, Tüten oder anderem Abfall bückt, der tut sich selbst auch noch etwas Gutes.
Wir werden argwöhnisch beäugt
Die Blicke der Passanten reichen von neugierig bis mitleidig. Ist schließlich noch ein ungewohnter Anblick, wenn eine Gruppe Läufer mit Mülltüten ausgestattet in die Büsche prescht. Ein Paar, das sich den Feierabend mit Federballspielen versüßt, wird auf uns neugierig und fragt, wie es sich uns beim nächsten Mal anschließen kann. Sie finden die Idee finden großartig.
Nach etwa einer Stunde sind wir erledigt. Die Beutel sind voll, der Park ist etwas sauberer aber sauber noch lange nicht. Regina freut sich dennoch über eine viel sauberere Grünfläche und Petra findet, dass es so schwierig gar nicht sei, beim nächsten Joggen oder Walken eine kleine Tüte mitzunehmen und sich zwischendurch workoutmäßig zu bücken. Meine 12-jährige Tochter macht sich allerdings Sorgen: "Die Welt soll auch in 100 Jahren erhalten bleiben und mit dem Plastikmüll, der täglich angeschafft wird, sieht das nicht gut für uns Kinder aus."
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Ist Plogging die Lösung?
Letztlich ist Plogging nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und löst keine Umweltprobleme. Dieser Meinung ist auch Alexander Heyd vom Naturschutzbund Deutschland (NABU), der Plogging nur für einen Trend hält, der vergeht. Effektiver wäre es seiner Meinung nach, generell darauf zu achten, weniger Verpackungsmüll zu produzieren. Weniger Plastik zu verbrauchen, dieser Meinung ist auch Britta König, Pressesprecherin der Umweltorganisation WWF. Der DW sagt sie, sie begrüße den Plogging-Trend, denn ganz gleich, ob im Jogging- oder Spaziergangtempo, jeder der Müll aufsammelt, dem gebührt Dank.
Doch ihrer Ansicht nach muss nicht nur der Konsument sein Handeln überdenken, auch die Hersteller soll zur Verantwortung gezogen werden: "Wer Produkte in Plastikverpackungen in Verkehr bringt, muss Verantwortung für seine Produkte übernehmen und sich an Sammlung und Entsorgung, beziehungsweise der Verwertung des Verpackungsmülls finanziell beteiligen".
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Doch auch wenn Plogging bei weitem nicht ausreicht - auch kleine Schritte zählen. Unsere Gruppe ist sich einig: Sport treiben und gleichzeitig die Welt ein kleines bisschen besser machen war noch nie so einfach.