Plutonium – radioaktiv, toxisch und waffenfähig
26. Juni 2025
Im Wettlauf mit Nazi-Deutschland um die Entwicklung von Kernwaffen wagt der US-amerikanische Physiker Glenn Seaborg am 14. Dezember 1940 ein folgenreiches Experiment: Am Radiation Laboratory der kalifornischen Berkeley University beschießt er radioaktives Uran-238 mit Deuteronen, mit schwerem Wasserstoff. Bei dem Experiment entsteht durch den Zerfall der Atomkerne die winzige Menge eines silbrig glänzenden, radioaktiven Materials - Plutonium.
Gemeinsam mit seinen Kollegen Kennedy, McMillian und Wahl erkennt Seaborg, dass sie tatsächlich ein neues chemisches Element isolieren konnten. Als Namensgeber für die Entdeckung dient der damals noch als äußerster Planet geltende Pluto, benannt nach dem Gott der Unterwelt. Die Namenswahl – möglichst weit weg und irgendwie unheimlich - lässt erahnen, welches Potential die Atomphysiker dem neuen Element beimessen.
Das gewaltige Potential erkennt auch das Militär sehr schnell: Da die Plutonium-Versuche Teil des "Manhatten-Projects" der USA zur Entwicklung von Kernwaffen war, blieb die Entdeckung bis Kriegsende geheim.
Wie gefährlich ist Plutonium?
Plutonium (Pu) ist ein Schwermetall und wie andere Schwermetalle wie Blei oder Quecksilber auch chemisch giftig. Vor allem aber ist Plutonium radioaktiv und setzt beim Zerfall Alphastrahlung frei. Alphastrahlen können die menschliche Haut nicht durchdringen – im Gegensatz zu Gammastrahlen. Die Strahlung hat zudem keine große Reichweite. Ein Blatt Papier ist ausreichend, um Alphastrahlen zu blockieren.
Gelangt Plutonium allerdings in den Körper, ist die Wirkung fatal. "Am gefährlichsten wirkt Plutonium bei Inhalation, das heißt beim Einatmen", schreibt das Bundesamt für Strahlenschutz. Schon ein staubkorngroßes Teilchen kann sich im Körper an verschiedenen Stellen ablagern und dort schwerste Schäden wie Lungenkrebs, Knochenkrebs, Leberkrebs und Leukämie verursachen.
Zudem hat Plutonium eine sehr lange Halbwertszeit, was bedeutet, dass es über sehr lange Zeiträume radioaktiv und eine Gefahr für die Umwelt bleibt. Das Strahlungsrisiko reduziert sich bei Plutonium durch den natürlichen Zerfallsprozess nur sehr langsam, das Isotop Pu-239 etwa hat eine Halbwertzeit von etwa 24.110 Jahren.
Wie viel Plutonium gibt es?
Plutonium kommt in der Natur nur in winzigen Mengen vor - in Uranmineralien wie Pechblende, Carnotit, Monazit und Fergusonit. Hauptsächlich wird Plutonium künstlich erzeugt - in Kernreaktoren quasi als Nebenprodukt der Energiegewinnung.
Wird das als Brennstoff verwendete Uran-238 in den Brennstäben einem Neutronenfluss ausgesetzt, wandelt sich ein sehr kleiner Teil des Urans in Plutonium um. Bis heute wurden durch die zivile und militärische Nutzung weltweit etwa 1.000 Tonnen Plutonium erzeugt.
Ist Plutonium für die Kernkraft attraktiv?
Plutonium ist spaltbar und besitzt eine hohe Energiedichte, bereits kleine Mengen können also eine große Menge Energie freisetzen.
Theoretisch kann Plutonium auch im Rahmen der Wiederaufbereitung aus abgebrannten Kernbrennstoffen gewonnen und erneut als Brennstoff in Reaktoren eingesetzt werden. Das funktioniert in verschiedenen Reaktortypen - sowohl in Leichtwasserreaktoren als auch in Brutreaktoren, in sogenannten Schnellen Brütern.
Aber seine Wiederaufarbeitung und Verwendung als Brennstoff ist mit zu großen technischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Herausforderungen verbunden. In einigen Kernkraftwerken wird Plutonium noch in Form von MOX-Brennelementen (Mischoxid aus Uran und Plutonium) verwendet.
Wie wurde Plutonium zur tödlichen Waffe?
Im Wettlauf mit den Nazis wurde Plutonium erstmals in größerem Maßstab hergestellt. Das "Manhatten-Project" unter Leitung des Physikers Robert Oppenheimer sollte sicherstellen, dass das NS-Regime in Deutschland nicht vor den USA über eine funktionstüchtige Atombombe verfügt.
Für militärische Zwecke wird hochreines Plutonium-239, sogenanntes waffenfähiges Plutonium, verwendet. Für eine funktionierende Plutoniumbombe muss der Gehalt von Pu-239 bei mindestens 93 Prozent betragen.
Die erste Testbombe, die am 16.07.1945 in der Wüste von New Mexico gezündet wurde, war eine Implosionsbombe mit einem Kern aus Plutonium. Für die weltweit erste militärisch eingesetzte Atombombe von Hiroshima verwendete das US-Militär allerdings Uran-235.
Plutonium kam erst drei Tage später, am 9. August 1945 zum Einsatz. Die über Nagasaki abgeworfene Bombe namens "Fat Man" enthielt 6,4 Kilogramm Plutonium als spaltbares Material. Ihre Sprengkraft entsprach etwa 21 Kilotonnen TNT. Sie tötete rund 60.000 Menschen sofort und zerstörte etwa 80 Prozent der Stadt in Sekunden. Viele Bewohner wurden schwer verstrahlt und starben kurz darauf.
Nach dem zweiten Weltkrieg führten die Spannungen zwischen den USA und der UdSSR zu einem atomaren Wettrüsten. Die Sowjetunion begann bereits 1948 mit der industriellen Plutoniumproduktion. 1949 testete die UdSSR ihren ersten Atomsprengsatz, eine Plutonium-Implosionsbombe.
Hat das dunkle Element eine strahlende Zukunft?
Für den Atomwaffenbau braucht es Plutonium beziehungsweise angereichertes Uran. Auch deshalb wurden im Kalten Krieg und danach Urananreicherungsanlagen sowie vor allem zivile Kernreaktoren gebaut.
Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges besaßen die USA und die Sowjetunion zusammen rund 70.000 Atomsprengköpfe mit einer Sprengkraft von mehr als 800.000 Hiroshima-Bomben.
Als Waffe hat Plutonium heutzutage weitgehend ausgedient, nur noch einige der weltweit über 12.000 Atomwaffen basieren auf Plutonium als Spaltmaterial. Insbesondere hochangereichertes Uran ist für die Herstellung von Atomwaffen leichter verfügbar und weniger gefährlich im Umgang als Plutonium.
Die auch heute immer noch in der Umwelt nachweisbaren Plutonium-Spuren entstammen fast vollständig dem radioaktiven Fallout der oberirdischen Kernwaffentests zwischen 1951 und 1962. Während dieser Zeit wurden rund vier Tonnen Plutonium in der Atmosphäre verteilt, überwiegend in der nördlichen Hemisphäre. Die auch in Lebensmitteln gefundenen Spuren sind laut Bundesamt für Strahlenschutz allerdings so gering, dass sie als unbedenklich gelten.