"Pogromstimmung" nach Anschlag von Kayseri
18. Dezember 2016Ziel der Überfälle waren die Büros der prokurdischen "Demokratischen Partei der Völker" (HDP) in Kayseri, Istanbul, Ankara, Darica, Erzincan, Canakkale und anderen türkischen Städten. Auch in der Nacht wurden Einrichtungen der HDP in Großstädten mit Steinen beworfen. Die HDP sprach von "Vandalen" und "Mob", der versucht habe, die Büros zu stürmen. In der Bezirkszentrale in Yenimahalle in Ankara habe eine Gruppe von 25 bis 30 Menschen die Einrichtung nach draußen geschafft und dort in Brand gesetzt.
In den sogenannten Sozialen Medien kursierten zudem Mordaufrufe gegen Abgeordnete und Parteifunktionäre.
Der deutsch-türkische HDP-Parlamentarier Ziya Pir sagte der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul: "Es war schon eine Pogromstimmung." Der Abgeordnete Mustafa Yeneroglu von der Regierungspartei AKP rief dazu auf, Angreifer anzuzeigen. Auf Twitter teilte der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Parlament in Ankara mit: "Im Rechtsstaat gibt es keine Selbstjustiz."
Durch eine Autobombe waren am Samstag in der zentraltürkischen Industriestadt Kayseri 14 Soldaten getötet worden, mindestens 55 Personen wurden verletzt. 15 Verdächtige seien festgenommen worden, teilten die Behörden mit. Verdächtigt wurde wieder die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK.
Die TAK, eine radikale Splittergruppe der PKK, hatte sich zu dem jüngsten Doppelanschlag in Istanbul bekannt. Staatschef Recep Tayyip Erdogan hält die HDP für den verlängerten Arm der PKK. Die HDP - die den Anschlag von Kayseri "auf das Schärfste" verurteilt hat - weist das zurück.
Die Friedensgespräche und ein Waffenstillstand zwischen dem türkischen Staat und den kurdischen Aufständischen waren im vergangenen Jahr zusammengebrochen. In den Kurdengebieten war daraufhin die Lage wieder eskaliert bis hin zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen in einigen Städten. Die HDP war im Parlament lange Zeit eine der demokratischen Oppositionskräfte und Erdogan bei seinen Plänen zu mehr Machtbefugnissen ein Dorn im Auge.
Bei den landesweiten Razzien nach dem Anschlag von Istanbul wurden hunderte Menschen wegen angeblicher Verbindungen zur PKK hinter Gitter gebracht, darunter auch etwa 200 HDP-Politiker. Mehrere HDP-Parlamentarier, -Berater und -Unterstützer wurden verhaftet.
SC/fab (dpa, afp)