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Film

Beim César: Polanski-Ehrung ohne Polanski

29. Februar 2020

Bei der Verleihung der "französischen Oscars" gewann Roman Polanski für seinen Film "Intrige" den César für die beste Regie. Der umstrittene Regisseur selbst blieb der Preisverleihung jedoch fern.

Roman Polanski
Bild: Getty Images/A. Rentz

Die Stimmung in Paris war angespannt. Die Verleihung der Césars, der größten Auszeichnung im französischen Kino, fand inmitten einer gereizten Atmosphäre statt. Der Grund: die Querelen um den Regisseur des Films "Intrige", Roman Polanski. "J'accuse", wie der Film im Original heißt, war bei den 45. Césars in insgesamt zwölf von 22 Kategorien im Rennen. Für die "Beste Regie", das "Beste adaptierte Drehbuch" und die "Besten Kostüme" erhielt er schließlich den französischen Filmpreis.

Die meisten Auszeichnungen bekam 2020 allerdings ein anderer Film: Das Sozialdrama "Die Wütenden" von Regisseur Ladj Ly erhielt neben dem César in der Kategorie "Bester Film" Auszeichnungen in drei weiteren Kategorien. Es erzählt vom Alltag aus Gewalt und Rassismus in einem Pariser Vorort. Den César in der Kategorie "Bester Auslandsfilm" bekam die bereits mit vier Oscars prämierte Gesellschaftssatire «Parasite» des südkoranischen Regisseurs Bong Joon Ho. Der Film dreht sich um eine Familie aus der koreanischen Unterschicht, die sich in eine reichere Familie einschleicht. Parasite hatte außerdem 2019 bereits die "Goldene Palme" - die Auszeichnung für den besten Langfilm im offiziellen Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele von Cannes - gewonnen.

#MeToo und Diversität - wichtige Themen bei der Verleihung

Sexistische Gewalt und fehlende Diversität, das sind die gesellschaftlichen Themen, die im Zuge der Preisverleihung im Mittelpunkt standen. Dass es in Frankreich an Vielfalt in der Filmwelt mangele, war die Botschaft der senegalesisch-französischen Schauspielerin Aissa Maiga. Sie nutzte die Gelegenheit, den Preis für den besten Newcomer verkünden zu dürfen, zu dieser Aussage. 

Bereits im Vorfeld hatte die Nominierung von Polanskis Film, der von Alfred Dreyfus handelt - jenem französischen Offizier, der 1894 zu Unrecht des Hochverrats beschuldigt wurde - in Frankreich eine Debatte ausgelöst. Schließlich war wegen der Angelegenheit Polanski zwei Wochen vor der Preisverleihung sogar die Jury des Césars geschlossen zurückgetreten. Der Streit drehte sich dabei weniger um das Historiendrama mit Jean Dujardin und Louis Garrel in den Hauptrollen als vielmehr um die Person des Regisseurs. Dass die im Film erzählte Geschichte für den Mut steht, öffentlich seine Meinung zu sagen und sich gegen Machtmissbrauch zu engagieren, bekommt allerdings im Schatten der Vergewaltigungsvorwürfe gegen Polanski einen unangenehmen Beigeschmack.

Vergewaltigungsvorwürfe gegen Polanski

"Ein absolut fantastisches Bild", schreibt die "Daily Mail" über das Geschichtsdrama. Auch andere Kritiker sind der Meinung, der Film sei ein Meisterwerk. Doch bereits seit Monaten braut sich erheblicher Protest zusammen - weniger wegen des Films als vielmehr wegen Roman Polanski selbst. Vor der Verleihung waren neue Vergewaltigungsvorwürfe gegen den Regisseur öffentlich geworden. Die Fotografin und Schauspielerin Valentine Monnier beschuldigte ihn, sie 1975 sexuell missbraucht zu haben. Monnier, damals ein 18-jähriges Model und Schauspielerin, sagte, Polanski habe versucht, ihr eine Pille zu geben und sie dabei geschlagen. Der Regisseur bestreitet diese Vorwürfe.

Proteste gegen Polanski vor der Filmschule in LodzBild: picture-alliance/dpa/NurPhoto/B. Zawrzel

Die französische Schauspielerin Adèle Haenel, die als beste Darstellerin für das "Portrait of a Lady on Fire" ("Porträt einer jungen Frau in Flammen") nominiert war, zeigte sich im Vorfeld über die vielen Nominierungen für Polanski verärgert: "Polanski zu würdigen bedeutet, allen Opfern ins Gesicht zu spucken", sagte die Schauspielerin, die im vergangenen Jahr den Regisseur ihres ersten Films, Christophe Ruggia, beschuldigte, sie mit zwölf Jahren sexuell belästigt zu haben. Als Polanskis Name für den Regiepreis fiel, verließ sie gemeinsam mit anderen Zuschauern den Saal. Die Trophäe als beste Darstellerin ging im Übrigen nicht an die 31-Jährige Haenel, sondern an die ein Jahr ältere Anaïs Demoustier für «Alice et le Maire» von Nicolas Pariser mit Fabrice Luchini.

Die Moderatorin der Gala, Florence Foresti, hat ihre Meinung zu Polanski bereits deutlich gemacht, als sie am Tag der Bekanntgabe der Nominierungen über den französischen Titel seines Films "J'accuse" (auf Deutsch: "Ich klage an") stolperte. Zu Beginn der Verleihung kündigte sie an, den Namen Polanskis nicht nennen zu wollen.

Ein kreatives Protest-Plakat klagt Polanski als mehrfach rückfälligen Sexualstraftäter anBild: picture-alliance/Zuma/J. Mattia

Der 86-jährige Polanski sagte der Nachrichtenagentur AFP, er bleibe der Preisverleihung fern, um seine Familie und sein Team zu schützen, zudem befürchte er "Lynchjustiz". "Wir wissen doch, wie dieser Abend verlaufen wird", so der französisch-polnische Regisseur, Produzent, Drehbuchautor und Schauspieler. "Aktivisten drohen mir bereits mit einem öffentlichen Lynchprozess, und einige sagen, dass sie draußen protestieren werden. Welchen Platz kann es unter solch beklagenswerten Bedingungen für einen Film über die Verteidigung der Wahrheit, den Kampf für Gerechtigkeit, blinden Hass und Antisemitismus geben?"
Auch anderen Filmpreisverleihungen blieb Polanski schon fern, zuletzt der in Venedig. Ohnehin reist er selten, um eine Auslieferung in die USA zu umgehen, wo ihm ein Prozess wegen Sex mit einer Minderjährigen droht.

Die Akademie beschwichtigt

Mitte November war es nun bei einer Premiere von "J'accuse" in Paris zu Protesten gekommen. Vor zahlreichen Kinos wurde demonstriert, einige Vorführungen wurden deswegen abgesagt. Auch an der Filmhochschule Łódź, an der Polanski einst seinen Abschluss machte, kam es zu Protesten gegen den berühmten Absolventen.

Der Streit um Polanski hat die Akademie hinter dem Filmpreis in eine Krise gestürzt - die Führung kündigte vor zwei Wochen ihren kollektiven Rücktritt an – und zwar, "um die Gelassenheit zurückzugewinnen und damit das Fest des Films ein Fest bleibt". So begründete es die Direktion des wichtigsten französischen Filmpreises am 13.2. in Paris in einer kurzen Mitteilung. Doch damit ist nicht genug: Verkrustete Strukturen, Intransparenz, fehlende Parität und zu wenig Mitspracherecht für die rund 4700 Mitglieder der "Akademie der Kinokünste" sind andere Problemfelder, die die Akademie angehen sollte. 

Der Film "Intrige" (auf Französisch: "J'accuse") gewann im 2019 den Silbernen Löwen - und jetzt den César-Regiepreis.Bild: picture alliance/dpa/Biennale di Venezia

Klare Botschaft an Polanski

Frankreichs Gleichstellungsministerin Marlène Schiappa hatte sich nach den zwölf Nominierungen für Polanskis Film schockiert gezeigt. "Für mich ist es unmöglich, dass ein Kinopublikum aufsteht und dem Film eines Mannes applaudiert, der wiederholt der Vergewaltigung beschuldigt wird", so die Ministerin. Sie frage sich, welche Botschaft Opfern sexueller Gewalt damit vermittelt werde. Zahlreiche Frauenrechtsorganisationen stimmten ihr zu. Einige haben inzwischen sogar die Absetzung des Films gefordert. "Wir sind keine moralische Instanz", sagte dagegen César-Präsident Alain Terzian.

Auch Frankreichs Kulturminister Franck Riester beteiligte sich an der Debatte: Kurz vor der Verleihung des höchsten französischen Filmpreises César am Freitagabend sprach sich Riester noch gegen die Auszeichnung von Roman Polanski als bester Regisseur aus. Doch genau diese Ehre wurde Polanski nun zuteil. Aus Protest gegen den Regiepreis verließen einige Zuschauer den Saal.

Mit den Nominierungen für Polanski nicht einverstanden - Protest vor der PreisverleihungBild: picture-alliance/Zuma/J. Mattia

Ein Preis für den mit Vergewaltigungsvorwürfen konfrontierten Regisseur wäre "ein schlechtes Symbol" im "Kampf gegen sexuelle und sexistische Gewalt", sagte Minister Riester zuvor im Rundfunksender France Info. Die Jury müsse ihrer Verantwortung gerecht werden. Die Ankündigung des französisch-polnischen Regisseurs, der Preisverleihung fernzubleiben, nannte Riester "klug". Einen Preis für "Intrige" als bester Film hielt der Kulturminister dagegen für möglich. Es handele sich um das Werk eines Teams, und es gebe "keinen Grund, das Kollektiv für das womöglich strafbare Verhalten eines Künstlers in Mithaftung zu nehmen", so Riester. Gewonnen hat den César als bester Film dann aber das Sozialdrama "Die Wütenden" von Regisseur Ladj Ly. In dieser Kategorie gingen Polanski und sein Team somit leer aus.

Prominente Fürsprecherin

Zwar wird der Regisseur von vielen Seiten kritisiert, doch er hat auch Unterstützer: Die Filmlegende Brigitte Bardot sagte im Vorfeld der Preisverleihung: "Wir sollten dankbar sein, dass Polanski lebt und das französische Kino aus dem Mittelmaß rettet." Und sie fügte hinzu: "Ich beurteile ihn für sein Talent, nicht für sein Privatleben." Viele Bürger und Prominente sahen das jedoch anders. Vor Beginn der Zeremonie demonstrierten mehrere Hundert Menschen, vor allem Frauen, gegen die Nominierungen des Polanski-Films. Die diesjährige César-Vergabe wird wohl als Krisen-Event in die Annalen eingehen.

Dies ist eine nach der Preisverleihung aktualisierte Version des bereits früher publizierten Artikels über Roman Polanskis Film "Intrige" und die Césars 2020. "Intrige" hat insgesamt drei Césars erhalten - nicht, wie es in einer früheren Version hieß, zwei.

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