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Politik

Polen: Angeklagt wegen Präsidentenbeleidigung

Magdalena Gwozdz-Pallokat
25. März 2021

Der polnische Schriftsteller Jakub Żulczyk nannte Staatspräsident Andrzej Duda einen "Idioten". Nun steht er dafür vor Gericht. Das zugrundeliegende Gesetz ist aber keine Erfindung der regierenden PiS-Partei.

Polen Schriftsteller Jakub Zulczyk
Muss wegen "Majestätsbeleidigung" vor Gericht: Der Schriftsteller und Journalist Jakub ŻulczykBild: Eastnews/imago images

Was war er nicht schon alles: Eine "Marionette", ein "Kugelschreiber", der gedankenlos alle Gesetze unterschreibt, die ihm die PiS-Regierung vorlegt, ein "Lügner", "Feigling" und "Heuchler". Wie oft wurde er schon ausgepfiffen, wie häufig wurden seine Reden von Rufen wie: "Du wirst einsitzen!" begleitet. Auf einige reagierte er gar nicht und sprach einfach weiter, auf andere nahm er Bezug, wie vor ein paar Tagen bei einem Gedenkakt in Bydgoszcz (Bromberg), als erneut ertönte, er werde "sitzen". "Ich sitze", schrieb Präsident Andrzej Duda auf Twitter. "An meinem Schreibtisch - dem Willen der Mehrheit folgend, über 10 Millionen Wähler. Ruhig. Und die wenigen Leute, die die Feierlichkeiten und unsere Hymne gestört haben: Sollen sie schreien. So viel, wie sie wollen. Wir haben Freiheit und Demokratie, sie dürfen es."

Doch ausgerechnet zu einem aktuellen Fall, der in Polen derzeit für viele Schlagzeilen sorgt, schweigt Duda. Es geht um einen Facebook-Eintrag des in Polen bekannten Roman-Autors und Journalisten Jakub Żulczyk über den Staatspräsidenten. Dafür kommt Żulczyk nun vor Gericht - gewissermaßen wegen "Majestätsbeleidigung". Die Reaktion aus dem Präsidialamt: Andrzej Duda kenne Jakub Żulczyk nicht, rufe aber zu gegenseitigem Respekt auf, teilte sein Sprecher mit.

"Andrzej Duda ist ein Idiot"

Im November vergangenen Jahres schrieb Żulczyk: "Andrzej Duda ist ein Idiot." Den Eintrag kann man in voller Läge auch heute noch auf der Facebook-Seite des Schriftstellers nachlesen. Żulczyk bezog sich dabei auf eine Reaktion Dudas zum Ergebnis der Präsidentschaftswahl in den USA - Duda hatte Joe Biden auf Twitter zu "einer erfolgreichen Präsidentschaftskampagne" gratuliert. Bis zur Nominierung durch das Wahlmännergremium, so Duda, wolle er die gute Partnerschaft mit den USA aufrecht erhalten. Ein vergleichsweise zurückhaltender Glückwunsch zu einem Zeitpunkt, als viele andere Staatsoberhäupter und Regierungschefs Biden bereits zum Sieg gratuliert hatten. Wie Żulczyk darlegte: Biden habe bereits gewonnen. Seine Ausführung schloss er mit der Bemerkung, die nun vor Gericht verhandelt wird. Auf öffentliche Beleidigung des Staatsoberhaupts stehen laut Artikel 135 des polnischen Strafgesetzbuches bis zu drei Jahre Haft.

Polens Präsident Andrzej Duda ruft zu "gegenseitigem Respekt" aufBild: Filip Radwanski/SOPA Images/picture-alliance

Żulczyk will das Verfahren nicht kommentieren. Die Staatsanwältin hingegen verriet, dass er die Tat bestreite. Sein Eintrag sei als kritische Bewertung der Handlungen des Präsidenten zu verstehen.

Der Danziger Psychologe Tomasz Besta findet einen Strafrechtsparagraphen, der die Beleidigung des Staatsoberhaupts verfolgt, "überholt". Seiner Meinung nach sollten Äußerungen dieser Art ganz aus dem Strafrecht gestrichen werden, solange sie nicht zur Gewalt anstiften. Anders gelagert wäre es, "wenn jemand zum Beispiel sagen würde, alle Katholiken sind Idioten", sagt Besta im Gespräch mit der DW. Darüber hinaus habe das Fluchen auch eine Funktion. "Es kann uns Erleichterung verschaffen und Emotionen anders als durch noch radikalere Schritte ableiten. Wir wissen aus Untersuchungen, dass öffentliches Fluchen sehr selten zu Gewalt führt."

Noch einen Schritt weiter geht der bekannte polnische Anwalt Jacek Dubois, der in einem Interview mit der liberalen Gazeta Wyborcza argumentiert, Żulczyks Worte entstammten einer staatsbürgerlichen oder gar patriotischen Haltung und könnten als ein Schrei der Verzweiflung über eine Zerstörung der internationalen Beziehungen Polens gesehen werden.

"Keine öffentliche Person sollte das Staatsoberhaupt beleidigen", meint hingegen Vize-Justizminister Sebastian Kaleta. "Das Amt ist rechtlich geschützt, und zwar seit Jahren und nicht erst, seit die PiS regiert", so Kaleta gegenüber einem Webportal.

Staatsanwaltschaft auch aktiv bei Dudas Vorgängern

Tatsächlich war die Staatsanwalt auch bei Dudas Vorgängern Fällen von "Majestätsbeleidigung" auf der Spur. Nicht immer kam es zum Urteil, viele Verfahren wurden eingestellt. Doch es gab auch einige Verurteilungen, zum Beispiel im Fall von Ex-Präsident Aleksander Kwaśniewski, den ein Politiker der Bauernpartei zum "größten Nichtstuer Polens" erklärt hatte.

Und dann ist da der Fall des Duda-Vorgängers Bronisław Komorowski. 2012 kritisierte niemand anders als der damalige PiS-Abgeordnete Andrzej Duda die gegen einen Komorowski-kritischen Blogger verhängte Haftstrafe, der ein Computer-Ballerspiel mit der Gestalt Komorowskis als Zielscheibe programmiert hatte. Duda verband seine Kritik an dem Urteil damit, dass Ex-Präsident Lech Wałęsa, der das Staatsoberhaupt Lech Kaczyński zu Lebzeiten einen "Deppen" genannt hatte, dafür nicht bestraft wurde: "Rechtsstaat ja, aber nur für Auserwählte", zürnte der Jurist Duda 2012 auf Twitter. Freilich kassierte ein Berufungsgericht später das Urteil gegen den Komorowski-Kritiker; Amtsträger müssten damit leben, Gegenstand auch beißenden Spottes zu sein, hieß es in der Begründung.

Auch Dudas Vorgänger Bronislaw Komorowski (li.) und Aleksander Kwaśniewski waren Zielscheiben öffentlichen SpottsBild: Piotr Nowak/dpa/picture alliance

Ganz ähnlich wie damals das Büro Komorowskis jegliche Einflussnahme auf das Verfahren gegen seinen Kritiker abstritt, hält es nun auch Duda mit der Causa Żulczyk: Weder Präsident Duda noch das Präsidialamt seien in dem Verfahren Partei, so sein Sprecher. Der Präsident sei in keiner Weise tätig geworden.

Auch Schüler vor Gericht

Es ist nicht das einzige Verfahren dieser Art. Seit Dienstag (23.3.) stehen drei Schüler vor einem Gericht in der westpolnischen Kleinstadt Kalisz, weil sie sich im Sommer 2020 lautstark vulgär über den Präsidenten geäußert und ein Wahlplakat zerrissen haben sollen; eine Kamera filmte das Geschehen. Vor Gericht stritten die Schüler ab, eine Straftat begangen zu haben, entschuldigten sich aber für ihr Verhalten. Im Februar hingegen sprach ein Gericht in Zielona Góra einer 20jährigen Frau Entschädigung zu, nachdem sie auf einer Wahlkampfveranstaltung Dudas nach kritischen Einlassungen zu Unrecht festgenommen worden war. Das Beleidigungsverfahren gegen sie steht noch aus.

Jakub Żulczyk wiederum schreibt auf seiner Facebook-Seite, er sei wahrscheinlich "der erste Schriftsteller seit sehr langer Zeit in diesem Land, der für das, was er geschrieben hat, vor Gericht steht". Im Internet, wo der Hashtag "#Dudaisteinidiot" ("#Dudajestdebilem") Furore macht und die Phantasie Tausender User anregt, hat er nun seinen erklärtermaßen "letzten Eintrag" zum Thema gemacht. Er kritisiert darin noch einmal den Präsidenten, dieses Mal für eine Äußerung vom Juni 2020. Im Straßenwahlkampf um die eigene Wiederwahl hatte Duda mit Blick auf die sexuellen Minderheiten der LGBTQ-Gemeinschaft erklärt: "Man versucht uns einzureden, es sind Menschen. Aber es ist eine Ideologie." Żulczyk wies auf mögliche Konsequenzen dieser Worte für LGBTQ-Menschen hin und bemerkte: "Bislang hat keine Staatsanwaltschaft Anklage gegen Präsident Duda erhoben. So viel von mir".

Magdalena Gwozdz-Pallokat Korrespondentin DW Polski, HA Programs for Europe, Warschau, Polen