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Gesellschaft

Bericht zu Kindesmissbrauch vorgestellt

Anna Widzyk
15. März 2019

Die polnische Bischofskonferenz hat erstmals Zahlen zum sexuellen Kindesmissbrauch in den Reihen des Klerus präsentiert. Demnach haben in den vergangenen 28 Jahren 382 Priester 625 Kinder sexuell missbraucht.

Vatikan Missbrauchsgipfel Opfer und Papst
Der Papst und das Opfer: Franziskus küsst die Hand von Marek Lisinski Bild: youtube/OKO.press/Piotr Wielgus

Die Opfer-Stiftung "Fürchtet euch nicht" übt harsche Kritik an dem Bericht: "Diese Zahlen sind ein Hohn für uns."

Die Studie wurde vom Institut für Statistik der Katholischen Kirche und dem Zentrum für Kinderrechte vorbereitet. Demnach waren 345 der Missbrauchsopfer unter 15 Jahre alt, über die Hälfte (58,4 Prozent) waren männlich. Nicht alle Opferfälle wurden bestätigt, sagte der Direktor des kirchlichen Statistik-Instituts, Priester Wojciech Sadłoń.

"Jedes Opfer, vor allem die jüngeren, sollen bei uns Geistlichen Schmerz, Scham und Schuldgefühle erwecken, dass es zu solchen Übergriffen gekommen ist", erklärte Erzbischof Polak auf der Pressekonferenz. Dem Bericht nach wurde ein Viertel des Missbrauchs beschuldigter Priester entlassen. Meistens hat die Kirche andere Strafen angewendet, wie zum Beispiel das Verbot mit Kindern zu arbeiten. Andere Beschuldigte wurden versetzt. Zehn Prozent der kirchlichen Verfahren endeten mit Freispruch. Mit 44 Prozent der Fälle hat sich die Justiz befasst. 85 Priester wurden verurteilt.

Später und zögerlicher Umgang mit dem Thema seitens der Kirche

Mit dem Bericht reagieren die polnischen Bischöfe auf den seit Monaten wachsenden Druck und die Kritik an ihrem Umgang mit pädophilen Priestern. Seit dem Ende des Kommunismus ist offenkundig, wie mächtig und einflussreich die Katholische Kirche in Polen ist, auch in der Politik. Mit dem weltumspannenden Missbrauchsskandal, dessen Aufklärung Papst Franziskus sehr am Herzen liegt, hat man sich in Polen eher ungern befasst.

Polens Erzbischof Wojciech Polak während der Präsentation des Missbrauchsberichts am 14. MärzBild: picture-alliance/AP Photo/C. Sokolowski

Auf der Pressekonferenz hat Erzbischof Stanisław Gądecki nochmal daran erinnert, dass Pädophilie ein weltweites Problem sei und man es nicht ausnutzen dürfe, um die Kirche an den Pranger zu stellen. "Wir haben uns an dieses ideologische Stichwort 'Pädophilie in der Kirche' gewöhnt. Einerseits solle es auf die Existenz des Problems aufmerksam machen, andererseits gehe es auch darum, das Ansehen der Kirche zu erschüttern und das Vertrauen in die Hierarchie zu zerstören", meint Gądecki.

Marek Lisiński, Vorsitzender der Stiftung "Fürchtet euch nicht", fühlt sich von dem Bericht und den Worten des Erzbischofs enttäuscht. "Das ist ein Hohn für uns, die Opfer", sagte er gegenüber dem Sender TVN24. Auf der Pressekonferenz habe man zu viel von den Tätern und Barmherzigkeit und zu wenig von Opfern und Genugtuung gesprochen, meint er.

Opferzahlen zu niedrig ?

Auch die liberale Abgeordnete Joanna Scheuring-Wielgus, die Mitglied des Stiftungsrates ist, glaubt, dass die Opferzahl in der kirchlichen Studie zu niedrig und damit "verdächtig" erscheint. "Fast 100 Geistliche wurden doch von Gerichten wegen Kindesmissbrauchs verurteilt. Und fast in jedem Fall gab es nicht eines, sondern mehrere Opfer", sagte sie der Deutschen Welle. Auf keinen Fall lasse sich diese Studie mit Berichten, die in Deutschland oder anderen Ländern entstanden sind, vergleichen.

Vom Sockel gestoßen: Entfernung des Denkmals für Missbrauchspriester Henryk Jankowski am 8. MärzBild: picture-alliance/AP Photo/W. Strozyk

Im Februar hatte die Stiftung einen eigenen Bericht zum Kindesmissbrauch durch Geistliche in Polen an Papst Franziskus übergeben. Für Aufsehen hatte dabei eine besondere Geste des Papstes gesorgt: Er hatte Marek Lisińkis Hand geküsst, als er erfuhr, dass der Mann selbst Missbrauchsopfer ist. Lisińki hat eine interaktive "Missbrauchskarte" von Polen erstellt. Inzwischen sind darin 384 Orte eingetragen, an denen sich Priester an Kindern vergangen haben sollen. Es kommen immer noch neue Fälle hinzu.

Henryk Jankowski - ein später Schock

Wie ein Schock wirkte eine Meldung Anfang des Jahres, als bekannt wurde, dass Pfarrer Henryk Jankowski aus Danzig, der als Kaplan der Solidarność-Bewegung gilt, seit den 1960er Jahren Kinder sexuell missbraucht hat. Viele hätten gewusst, was geschehen sei, niemand habe etwas getan, sagten seine Opfer. Ein Danziger Denkmal des 2010 verstorbenen Jankowski wurde von Aktivisten umgestürzt, seine Ehrenbürgerschaft von Danzig entzogen und ein Ehrenplatz umbenannt. Jankowski hat aber immer noch viele Verteidiger, die die Entscheidung des Stadtrates kritisieren.

Zum Tabubruch wurde im Herbst auch der Kinofilm "Kler" (Klerus) von Regisseur Wojciech Smarzowski, der sexuellen Missbrauch und Machtkämpfe in der katholischen Kirche zum ersten Mal thematisiert. Die Kirche, konservative Medien und Politiker der regierenden PiS Partei haben den Film scharf kritisiert. Trotzdem wurde er schnell zum Blockbuster. 

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