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Politik

Duda prescht vor bei Justizreform

Paul Flückiger
25. September 2017

Staatspräsident Andrzej Dudas Gegenentwürfe zur Justizreform haben bei Regierung und Opposition Kritik hervorgerufen. Denn klar ist: Duda möchte sich selbst mehr Macht zuschanzen. Paul Flückiger aus Warschau.

Polen Warschau Präsident Duda PK zur Justizreform
Bild: Reuters/Agencja Gazeta/S. Kaminski

Andrzej Dudas Pläne haben wie eine Bombe eingeschlagen. Sie verdrängten in den Medien und der Öffentlichkeit alle anderen Diskussionen, so auch die über den Wahlausgang im westlichen Nachbarland Deutschland. Polens Staatspräsident legte nämlich ein eigenes Konzept für eine Justizreform vor und wollte dafür erst die Verfassung ändern, bevor er seine Vorschläge an den Sejm, die Große Kammer der Nationalversammlung, weiterleitete. Damit hat er nicht nur die Opposition, sondern auch das rechtspopulistische Regierungslager überrascht. Vor allem aber sorgte er für ein unnötiges polnisches Politchaos.

Am Montagabend zog Duda schließlich seinen Vorschlag zurück. Zuvor war klar geworden, dass der Staatspräsident die dafür nötige Zweidrittelmehrheit im Sejm nicht erhalten wird. Zwar zeigten sich die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die rechtspopulistische Partei Kukiz15 und die kleine Bauernpartei PSL grundsätzlich bereit dazu. Doch die beiden liberalen Parteien Bürgerplattform (PO) und Die Modernen (N) lehnten das Ansinnen rundweg ab.

Proteste gegen die Justizreform in Polen, hier im Juli 2017 in WarschauBild: Reuters/K. Pempel

Duda hatte seine Gegenvorschläge zur umstrittenen Justizreform der Regierung erst wenige Stunden zuvor präsentiert, nach zweimonatiger Wartezeit. Sein erklärtes Ziel: Den alleinigen Machtanspruch der Regierungspartei PiS zu brechen, aus deren Lager er selber ursprünglich kommt. Jetzt will er sich offenbar zum Schiedsrichter mit besonderen Befugnissen und damit wesentlich mehr Macht aufschwingen.

Machtkampf mit der PiS

Die PiS und ihr Vorsitzender Jaroslaw Kaczynski hatten zwei Monate lang Gift und Galle gegen den Staatspräsidenten gespuckt, weil der Ende Juli plötzlich politisch eigenständig geworden war. Duda hatte im Sommer zwei von drei Justizreformgesetzen der Regierung nach Massenprotesten überraschend mit seinem Veto belegt. Das von der Regierung gewünschte "Gesetz über die Reform der allgemeinen Gerichte" hingegen unterschrieb Duda. Es gibt dem umstrittenen Justizminister Zbigniew Ziobro (PiS) das Recht, sämtliche Gerichtspräsidenten und deren Stellvertreter auszuwechseln. Die Säuberungen haben bereits begonnen.

Richter in Polen unter Druck

03:59

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Für das Gesetz über den Obersten Gerichtshof sowie den Landesjustizrat (KRS) schlägt Duda nun Lösungen vor, die er am Montag als "viel gerechter" und "bürgerfreundlicher" pries. Zum einen sieht sein Gegenvorschlag für das Oberste Gerichtes eine neue Kammer vor, bei der alle Bürger Klagen gegen als ungerecht empfundene Urteile aller Instanzen einreichen können. Dabei soll es nicht wie bisher einzig um Verfahrensfehler gehen. In dieser neuen Sonderklagekammer sollen künftig neben Richtern auch vom Senat, Polens Kleiner Kammer, gewählte Schöffen mitbestimmen können.

Zudem hat sich Duda dem Bestreben widersetzt, die 82 Obersten Richter sofort auszuwechseln. Stattdessen hat er ein Höchstalter von 65 Jahren für Richter bestimmt. Möchte ein Richter länger arbeiten, müsste er dafür ein Gesuch beim Staatspräsidenten einreichen. In dem ursprünglichen Gesetz, gegen das Duda sein Veto eingelegt hatte, sollte darüber das Justizministerium entscheiden. Bisher lag die Altersgrenze bei 72 Jahren. Laut ersten Schätzungen könnte die neue Regelung bis Ende des Jahres 40 Prozent der höchsten Richter ihr Amt kosten.

Von der PiS übernommen hat auch Duda die Idee, eine neue Disziplinarkammer für säumige oder korrupte Richter zu schaffen. Auch in ihr sollen in Zukunft Schöffen mitentscheiden.

So sahen Demonstranten in Warschau die Regierung im Mai 2017: PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski (m) lässt Ministerpräsidentin Beata Szydlo (l) und Präsident Andrzej Duda (r) als seine Marionetten tanzenBild: Getty Images/AFP/J. Skarzynski

Der Landesjustizrat (KRS) ist für die Ernennung von Richtern zuständig. Duda hatte am Montagmittag zunächst darauf bestanden, dass das Parlament die Mitglieder dieses Gremiums mit einer Drei-Fünftel-Mehrheit wählen sollten. Die PiS hatte dagegen nur eine einfache Mehrheit vorgesehen. Nachdem Duda sich mit den Parlamentsfraktionen beraten hatte, stellte er am Montagabend dann einen komplexen Wahlmodus vor, bei dem jeder Abgeordnete nur für ein KRS-Mitglied stimmen kann. Duda lobte seinen Plan: Er garantiere, dass die 15 Mitglieder des Landesjustizrates nicht alle aus dem Regierungslager stammten. Beobachter waren dagegen vor allem verwirrt.

Juristisch unausgegoren

"Eine solche Verfassungsänderung entbehrt jeder Ernsthaftigkeit", kommentierte die Vorsitzende der Richtervereinigung Themis, Irena Kaminska. Die EU-freundliche Vereinigung kritisierte auch Dudas weitere Vorschläge. Vom Senat gewählte Schöffen trügen nicht zur Unabhängigkeit der beiden neuen Kammern des Obersten Gerichts bei, da der Senat von der PiS dominiert werde, klagte Kaminska. Und eine zusätzliche Sonderklagekammer verstieße gegen EU-Recht. Die Richtervereinigung kritisierte auch, dass die Kriterien, nach denen Richter länger arbeiten dürften als bis zum 65. Lebensjahr, unklar seien. "Ungarn hat es mit so einer Regelung versucht und ist damit vor dem Europäischen Gerichtshof gescheitert", warnt Kaminska.

Inzwischen lachen sie nicht mehr gemeinsam: Andrzej Duda und Jaroslaw Kaczynski im Jahr 2015 beim PiS-ParteitagBild: Getty Images/AFP/W. Radwanski

Die Opposition gab sich zunächst zurückhaltend. Sie müsse Dudas Vorschläge erst eingehend studieren, so die liberale Bürgerplattform (PO) in einer ersten Stellungnahme. Der gleichgeschaltete Staatssender TVP übertrug Dudas Rede zuerst unkommentiert. Erst nach einiger Zeit kritisierte die PiS offen Dudas Vorschlag, dem Obersten Gericht Schöffen zur Seite zu stellen. Ansonsten hielt sich auch die Regierungspartei am Montag auffällig bedeckt.

Die Partei Kukiz15, der die PiS seit Monaten vorwirft, gemeinsame Sache mit dem Staatspräsidenten zu machen, hat Dudas Pläne indes sofort unterstützt. "Die PiS strebt eine Monopolisierung der Macht an. Sie befindet sich in einem gefährlichen Machtrausch", begründete das ein Fraktionssprecher und goß gleich noch etwas Öl ins Feuer des Machtkampfs zwischen Duda und Kaczynskis PiS: "Duda hat eine größere Legitimation als die PiS."

Dabei ist allerdings das letzte Wort noch nicht gesprochen, wie Dudas sofortiger Rückzieher in der Frage der Verfassungsänderung vom Montagabend zeigt.

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