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Politik

Polen lobt Karlsruher EZB-Urteil

10. Mai 2020

Erstmals hatte sich das Bundesverfassungsgericht gegen den EuGH gestellt - und damit in Brüssel ein Beben ausgelöst. Während Polen das Urteil feiert, prüft die EU-Kommission ein Verfahren wegen Vertragsverletzung.

Deutschland Berlin | 75. Jahrestag Befreiung Vernichtungslager Auschwitz | Mateusz Morawiecki, Ministerpräsident Polen
Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki (Archivbild)Bild: Getty Images/AFP/O. Andersen

Bei der Entscheidung der Karlsruher Richter handle es sich um "eines der wichtigsten Urteile in der Geschichte der Europäischen Union", schrieb der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki an die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAS). Es sei vielleicht zum ersten Mal in dieser Klarheit gesagt worden: "Die Verträge werden von den Mitgliedsstaaten geschaffen und sie bestimmen, wo für die Organe der EU die Kompetenzgrenzen liegen."

Der FAS zufolge betonte Morawiecki auch, jede reife Demokratie brauche ein System der Gewaltenteilung und des Gleichgewichts der Gewalten. "Wenn das fehlt, wird jede Gewalt, auch die der Gerichtsbarkeit, zur willkürlichen, unbegrenzten, undemokratischen Macht."

In Polen baut die nationalkonservative PiS-Regierung das Justizwesen seit Jahren um. Der EuGH schritt mehrfach ein und befand, dass Teile der Reformen gegen EU-Recht verstießen.

Von der Leyen prüft Vertragsverletzungsverfahren

Hintergrund von Morawieckis Brief ist ein umstrittenes Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland. Das hatte am Dienstag die milliardenschweren Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) beanstandet und sich damit erstmals gegen ein Urteil des Europäischen Gerichtshof gestellt. Anders als der EuGH entschieden die Karlsruher Richter, die Notenbank habe ihr Mandat überspannt. Das EuGH-Urteil nannten sie "objektiv willkürlich" und "methodisch nicht mehr vertretbar".

Der EuGH unterstrich daraufhin, nur er allein sei befugt "festzustellen, dass eine Handlung eines Unionsorgans gegen Unionsrecht verstößt", um die einheitliche Anwendung des Unionsrechts zu wahren. Der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament, Manfred Weber (CSU) warnte, die Karlsruher Entscheidung dürfe nicht dazu führen, dass Polen und Ungarn sich nicht mehr an Entscheidungen des EuGH gebunden fühlten.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: genaue Analyse des deutschen UrteilsBild: Getty Images/AP/K. Tribouillard

Die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen prüft in dem Fall nun ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. "Ich nehme diese Sache sehr ernst", schrieb sie in einem Brief an den Grünen-Europapolitiker Sven Giegold. Dieser hatte die EU-Kommission aufgefordert, solch ein Verfahren einzuleiten.

Von der Leyen bekräftigte in ihrer Antwort an den Europaabgeordneten, das deutsche Urteil werde derzeit genau analysiert. "Auf der Basis dieser Erkenntnisse prüfen wir mögliche nächste Schritte bis hin zu einem Vertragsverletzungsverfahren."

EU-Kommission: "Hüterin" der Verträge

Das Urteil des Verfassungsgerichts werfe Fragen auf, die den Kern der europäischen Souveränität berührten, hieß es in dem Schreiben. Die Währungspolitik der Union sei eine ausschließliche Zuständigkeit. EU-Recht habe Vorrang vor nationalem Recht, und Urteile des EuGH seien für alle nationalen Gerichte bindend.

"Das letzte Wort zum EU-Recht hat immer der Europäische Gerichtshof in Luxemburg", schrieb von der Leyen. Die EU sei eine Werte- und Rechtsgemeinschaft, die die EU-Kommission jederzeit wahren und verteidigen werde. Nach EU-Recht ist das die Zuständigkeit der Brüsseler Behörde: Sie ist die "Hüterin" der EU-Verträge und muss Verstöße ahnden. Leitet sie ein Verfahren wegen Verletzung der Verträge ein, kann dies wiederum vor dem EuGH landen.

rk/wa (dpa, rtr)

 

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