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PolitikEuropa

Polen: Oppositionschef erklärt EU und Deutschland zum Gegner

Jacek Lepiarz (aus Warschau)
27. Oktober 2025

Der rechtskonservative Oppositionsführer in Polen, Jaroslaw Kaczynski, hat EU und Deutschland zum Gegner erklärt. Premier Donald Tusk will die proeuropäischen Kräfte bündeln, um die Macht zu erhalten.

Ein älterer Mann steht hinter einem Rednerpult und spricht, er trägt einen dunklen Mantel und eine Krawatte
PiS-Chef Jaroslaw KaczynskiBild: Marek Antoni Iwanczuk/SOPA Images/Sipa USA/picture alliance

Zwei Jahre vor der Parlamentswahl in Polen haben die beiden Hauptrivalen, die liberalkonservative Regierungspartei Bürgerplattform (PO) von Premier Donald Tusk und die größte Oppositionspartei, die rechtskonservative Recht und Gerechtigkeit (PiS) unter ihrem Chef Jaroslaw Kaczynski, die ersten Vorbereitungen für den Wahlkampf begonnen.

Kaczynski erklärte auf einer Programmkonferenz in Katowice (deutsch: Kattowitz) die Europäische Union (EU) sowie Deutschland und Frankreich zur größten Bedrohung für Polens Souveränität. "Die Deutschen wollen uns den Staat wegnehmen", sagte Kaczynski am Freitag bei der Eröffnung des zweitägigen Treffens. Er beschuldigte die Franzosen, dabei "mitzumachen". Die europäische Bürokratie "brennt" sogar darauf, wetterte der 76-jährige Parteichef.

Laut Kaczynski müssten sich die Polen zwischen zwei Zukunftsoptionen entscheiden. Die eine, von Brüssel und Berlin forciert, führe zur Entstehung eines "hegemonialen Staates", behauptete er. "Alles, was nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen hatte, soll mit einem großen Sieg Deutschlands in Form eines neuen Imperiums enden." Diese Pläne zielten darauf ab, dass "alle Staaten der EU, bis auf Deutschland und Frankreich, entweder aufhören zu existieren oder ihre Souveränität verlieren".

Pax Americana mit Trump als Rettung

Das Gegenprojekt stamme von US-Präsident Donald Trump und heiße "bewaffnete Demokratie". Jedes Land müsse mindestens fünf Prozent des Bruttosozialproduktes für Verteidigung ausgeben. Dieses Konzept sei eine neue Variante der Pax Americana. "Sie (die Amerikaner, Anm. d. Red.) sind manchmal schwierig, aber sie wollen uns den Staat nicht wegnehmen," erklärte Kaczynski.  Er selbst wolle die EU nicht liquidieren, sondern sie reformieren, um die Rückkehr zur Souveränität der Staaten zu ermöglichen.

Polens Premier Donald TuskBild: Radek Pietruszka/PAP/dpa/picture alliance

Als "Quatsch eines Opas" kritisierte Tusk die Ausführungen von Kaczynski. "Ich werde mit Sicherheit nicht zulassen, dass irgendjemand Polen mit Europa zerstreitet. Unser Platz ist in Europa," so Tusk am Sonntag (28.10.2025) in Warschau.

An diesem Tag fusionierte seine Bürgerplattform mit den kleinen Parteien Die Moderne (Nowoczesna) und Initiative Polen (Inicjatywa Polska). Beide Gruppierungen koalierten bereits früher mit der PO, behielten allerdings bisher ihre Eigenständigkeit. Die neue Partei heißt Bürgerkoalition KO.

Tusk will Macht mit breiter Koalition erhalten

Tusk bezeichnete die Auseinandersetzung mit der PiS als einen "Kampf zwischen Gut und Böse". "Gute Menschen sind unbesiegbar, wenn sie vereinigt sind", sagte der Premier.  Das Gute besiege das Böse, wenn es stark sei. Wenn gute Menschen vereinigt seien, könnten sie Großes leisten. Der Regierungschef warf der PiS Korruption und Autoritarismus vor. Auf dem Spiel stehe die Freiheit. Tusk regiert in Polen seit Dezember 2023 mit einer Mitte-Links-Koalition.

Die Zeitung Rzeczpospolita schreibt, die von Tusk organisierte Fusion mit zwei kleineren Parteien sei nur der erste Schritt eines breiteren Planes zum Machterhalt. Der Premier plane eine Wahlliste mit den Koalitionspartnern Polska2050 und der Bauernpartei PSL aufzustellen, um die Erfolgschancen der proeuropäischen Kräfte zu verbessern.

PiS konkurriert um Wähler mit Rechtsaußen-Parteien

In der Auseinandersetzung zwischen beiden politischen Lagern waren antideutsche Töne schon immer ein fester Bestandteil des PiS-Programms. Kaczynski bezeichnete Tusk am Anfang dieser Legislaturperiode im Parlament als "deutschen Agenten".

Deutschland warf er vor, ein "Viertes Reich" errichten zu wollen, um Polen zu versklaven. Die verschärfte antideutsche Rhetorik erklären sich die politischen Beobachter mit der Konkurrenz der Rechtsaußen-Parteien. "Kaczynski hat die Monopolstellung auf der rechten Seite des politischen Spektrums verloren", sagt Arkadiusz Gruszczynski von der Zeitung Gazeta Wyborcza.

Slawomir Mentzen ist Chef der nationalistisch-libertären polnischen Partei "Konföderation Freiheit und Unabhängigkeit"Bild: Attila Husejnow/Zumapress/picture alliance

Die Unterstützung für die radikaleren Gruppierungen - der nationalistisch-libertären Konföderation Freiheit und Unabhängigkeit (Konfederacja Wolnosc i Niepodleglosc) von Slawomir Mentzen und der rechtsradikalen und antisemitischen Konföderation der polnischen Krone (Konfederacja Korony Polskiej) von Grzegorz Braun, der an der Existenz der Gaskammern in Auschwitz zweifelt, wächst. "Kaczynski radikalisiert sich immer mehr, weil die Zustimmung für die Rechte wächst, er aber davon nicht profitiert", erklärt Boguslaw Chrabota in Rzeczpospolita.

Kaczynski bezeichnete die Tusk-Regierung als ein "Unglück für Polen". Bei der zweitägigen PiS-Programmdebatte in Katowice wurden viele soziale Wohltaten vorgeschlagen, darunter ein Grundeinkommen sowie ein Wohnungszuschuss im Wert von 100.000 Zloty (rund 23.000 Euro) nach Geburt des dritten Kindes. Zum Abschluss rief Kaczynski zur Verteidigung der christlichen Zivilisation auf.

Tusk bietet eine Wette an - Ausgang ungewiss

In der aktuellen Umfrage vom vergangenen Freitag führt die KO mit 28,4 Prozent Zustimmung vor der PiS mit 23,6 Prozent. Die Mentzen-Konfederacja wird von 10,9 Prozent der Befragten unterstützt, die Braun-Konfederacja erhält 9,4 Prozent. Alle anderen Parteien verharren unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Polens Präsident Karol NawrockiBild: Kuba Stezycki/REUTERS

Ob das Konzept einer breiten Koalition mit einer Wahlliste Erfolg bringt, ist offen, schreibt die Zeitung Rzeczpospolita. Das rechtsnationale Lager hat einen starken Verbündeten in Präsident Karol Nawrocki, der als Anhänger einer Koalition der PiS mit der Mentzen-Konfederacja gilt. 

Tusk zeigte sich kürzlich im Gespräch mit Journalisten in Brüssel bereit, eine Wette einzugehen, dass sein Lager die Wahl 2027 gewinnt. Der Einsatz sollte allerdings nicht zu hoch sein, schränkte er ein. 

Darauf reagierte der Politologe Antoni Dudek, der zu den besten Kennern der politischen Szene in Polen gehört: "Die Bürgerkoalition wird 2027 die Macht verlieren. Ich nehme die Wette an und schlage 100 Zloty (ca. 25 Euro) als geeignete Summe vor," so der Kommentator der Internetplattform ONET. 

Jacek Lepiarz Journalist in der polnischen Redaktion mit Schwerpunkt auf deutsch-polnischen Themen.